dem Oehlblatt im Munde, bemerkte gar nicht, daß er ungestüm spreche, und schien sich aus Kühnheit über Mißdeutung fast so leicht wegzu¬ setzen, als er aus Unwissenheit.
Heute erschien sie ihm ganz vollendet, wiewohl er bisher jedes letztemal geglaubt hatte, er über¬ schaue ihren ganzen weiten Werth; wie der Mond schon vorher, eh' er mit vollem Lichte über uns hängt, uns als eine vollendete Scheibe aufzugehen scheint.
Nach dem Ende des deutschen Tanzes ersuchte er sie -- da ihm ihre Nachsicht allmählig zu einer Ehrenpforte seiner Kunst aufwuchs -- gar um ei¬ nen englischen, blos damit er recht oft ihre Hand faßen, und recht lange den guten Lippen und Au¬ gen gegenüberstehen könnte, ohne aufspringen zu müssen. Sie sagte leise: Ja! --
Noch leiser hört' er seinen Namen; hinter ihm stand Spes und sagte: "gehe gleich durch die große Saalthüre, und siehe links draußen um¬ her." Es war Vult. Erfreuet fand er unter Un¬ bekannten, seinen lieben Bekannten wieder, den er auf seiner elysischen Insel herumführen konnte. Er
dem Oehlblatt im Munde, bemerkte gar nicht, daß er ungeſtuͤm ſpreche, und ſchien ſich aus Kuͤhnheit uͤber Mißdeutung faſt ſo leicht wegzu¬ ſetzen, als er aus Unwiſſenheit.
Heute erſchien ſie ihm ganz vollendet, wiewohl er bisher jedes letztemal geglaubt hatte, er uͤber¬ ſchaue ihren ganzen weiten Werth; wie der Mond ſchon vorher, eh' er mit vollem Lichte uͤber uns haͤngt, uns als eine vollendete Scheibe aufzugehen ſcheint.
Nach dem Ende des deutſchen Tanzes erſuchte er ſie — da ihm ihre Nachſicht allmaͤhlig zu einer Ehrenpforte ſeiner Kunſt aufwuchs — gar um ei¬ nen engliſchen, blos damit er recht oft ihre Hand faßen, und recht lange den guten Lippen und Au¬ gen gegenuͤberſtehen koͤnnte, ohne aufſpringen zu muͤſſen. Sie ſagte leiſe: Ja! —
Noch leiſer hoͤrt' er ſeinen Namen; hinter ihm ſtand Spes und ſagte: „gehe gleich durch die große Saalthuͤre, und ſiehe links draußen um¬ her.“ Es war Vult. Erfreuet fand er unter Un¬ bekannten, ſeinen lieben Bekannten wieder, den er auf ſeiner elyſiſchen Inſel herumfuͤhren konnte. Er
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dem Oehlblatt im Munde, bemerkte gar nicht,
daß er ungeſtuͤm ſpreche, und ſchien ſich aus
Kuͤhnheit uͤber Mißdeutung faſt ſo leicht wegzu¬
ſetzen, als er aus Unwiſſenheit.
Heute erſchien ſie ihm ganz vollendet, wiewohl
er bisher jedes letztemal geglaubt hatte, er uͤber¬
ſchaue ihren ganzen weiten Werth; wie der Mond
ſchon vorher, eh' er mit vollem Lichte uͤber uns
haͤngt, uns als eine vollendete Scheibe aufzugehen
ſcheint.
Nach dem Ende des deutſchen Tanzes erſuchte
er ſie — da ihm ihre Nachſicht allmaͤhlig zu einer
Ehrenpforte ſeiner Kunſt aufwuchs — gar um ei¬
nen engliſchen, blos damit er recht oft ihre Hand
faßen, und recht lange den guten Lippen und Au¬
gen gegenuͤberſtehen koͤnnte, ohne aufſpringen zu
muͤſſen. Sie ſagte leiſe: Ja! —
Noch leiſer hoͤrt' er ſeinen Namen; hinter ihm
ſtand Spes und ſagte: „gehe gleich durch die
große Saalthuͤre, und ſiehe links draußen um¬
her.“ Es war Vult. Erfreuet fand er unter Un¬
bekannten, ſeinen lieben Bekannten wieder, den er
auf ſeiner elyſiſchen Inſel herumfuͤhren konnte. Er
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/289>, abgerufen am 22.11.2024.
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