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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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thürmen -- nannte; Ausdrücke, wovon er viele
in den Hoppelpoppel oder das Herz hineinnahm.
Walt leitete die Ergießungen auf die Stadt,
doch auf sich selber, nämlich als ob der Bruder
sagen wollte: "Deinetwegen sitz' ich im Nest." --
"Ach wärst du doch glücklicher, Vult," sagte er
einmal, und nicht mehr. "Was hast du von
mir gehört?" sagte zornig Vult. "Nun eben das
vorige," versetzte er, und nahm ihm den Arg¬
wohn, daß er um die Fehlschlagung seiner Liebes-
Erklärung wüßte.

Am schönen Halbzimmer mit der arkadischen
Aussicht auf das gemahlte Bühnen-Dörfchen
verschliß jetzt aller vorige Glanz. Vult donner¬
te -- als wäre Walt an der Störung des Flö¬
tens und Schreibens schuld -- hinter der Wand,
wenn draussen ein guter angehender Zwerg von
Tambour bei leidlichem Wetter sich auf der Trom¬
mel nach Vermögen übte und angriff; -- oder
wenn der näher wohnende Fleischer von Zeit zu
Zeit ein Schwein abstach, das schrie, wenn er
blies; -- oder Nachts, wenn der Nachtwächter
so abscheulich absang, daß Vult mehrmals im

thuͤrmen — nannte; Ausdruͤcke, wovon er viele
in den Hoppelpoppel oder das Herz hineinnahm.
Walt leitete die Ergießungen auf die Stadt,
doch auf ſich ſelber, naͤmlich als ob der Bruder
ſagen wollte: „Deinetwegen ſitz' ich im Neſt.” —
„Ach waͤrſt du doch gluͤcklicher, Vult,” ſagte er
einmal, und nicht mehr. „Was haſt du von
mir gehoͤrt?” ſagte zornig Vult. „Nun eben das
vorige,” verſetzte er, und nahm ihm den Arg¬
wohn, daß er um die Fehlſchlagung ſeiner Liebes-
Erklaͤrung wuͤßte.

Am ſchoͤnen Halbzimmer mit der arkadiſchen
Ausſicht auf das gemahlte Buͤhnen-Doͤrfchen
verſchliß jetzt aller vorige Glanz. Vult donner¬
te — als waͤre Walt an der Stoͤrung des Floͤ¬
tens und Schreibens ſchuld — hinter der Wand,
wenn drauſſen ein guter angehender Zwerg von
Tambour bei leidlichem Wetter ſich auf der Trom¬
mel nach Vermoͤgen uͤbte und angriff; — oder
wenn der naͤher wohnende Fleiſcher von Zeit zu
Zeit ein Schwein abſtach, das ſchrie, wenn er
blies; — oder Nachts, wenn der Nachtwaͤchter
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[262/0268] thuͤrmen — nannte; Ausdruͤcke, wovon er viele in den Hoppelpoppel oder das Herz hineinnahm. Walt leitete die Ergießungen auf die Stadt, doch auf ſich ſelber, naͤmlich als ob der Bruder ſagen wollte: „Deinetwegen ſitz' ich im Neſt.” — „Ach waͤrſt du doch gluͤcklicher, Vult,” ſagte er einmal, und nicht mehr. „Was haſt du von mir gehoͤrt?” ſagte zornig Vult. „Nun eben das vorige,” verſetzte er, und nahm ihm den Arg¬ wohn, daß er um die Fehlſchlagung ſeiner Liebes- Erklaͤrung wuͤßte. Am ſchoͤnen Halbzimmer mit der arkadiſchen Ausſicht auf das gemahlte Buͤhnen-Doͤrfchen verſchliß jetzt aller vorige Glanz. Vult donner¬ te — als waͤre Walt an der Stoͤrung des Floͤ¬ tens und Schreibens ſchuld — hinter der Wand, wenn drauſſen ein guter angehender Zwerg von Tambour bei leidlichem Wetter ſich auf der Trom¬ mel nach Vermoͤgen uͤbte und angriff; — oder wenn der naͤher wohnende Fleiſcher von Zeit zu Zeit ein Schwein abſtach, das ſchrie, wenn er blies; — oder Nachts, wenn der Nachtwaͤchter ſo abſcheulich abſang, daß Vult mehrmals im

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/268>, abgerufen am 22.05.2024.