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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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"Schön, fuhr er fort, hat der Dichter in
Ihren Gesang die Zeile eingewebt: träumst du,
wer dich liebt?" -- Darauf drehte er sich halb
gegen sie, sang ihr leise diese Zeile, die er absicht¬
lich zu diesem Gebrauche komponirt, ins treuher¬
zige Angesicht, und sein schwarzes Auge stand
im langen Blitze der Liebe. Da sie schwieg und
stärker eilte: so nahm er ihre Hand, die sie ihm
ließ, und sagte: "Wina, Ihr schönes Herz er¬
räth mich, Ihnen will ich anders, ja, wenns
nicht zu stolz ist, ähnlicher erscheinen als der
Menge. Ich habe nichts als mein Herz und
mein Leben; aber beides sei der Besten geweiht."
-- "Dort, Guter!" sagte sie leise, zog ihn ei¬
liger an die Stelle, wo sie spielen wollten; dann
stand sie still, nahm auch seine andre Hand, hob
die Augen voll unendlicher Liebe zu ihm empor,
und auf ihrem reinen Angesicht standen alle Ge¬
danken klar, wie helle Thautropfen auf einer
Blume. "Guter Jüngling, ich bin so aufrich¬
tig als Sie, bei diesem heiligen Himmel über
uns versichere ich Sie, ich würd' es Ihnen offen
und froh gestehen, wenn ich Sie liebte, in dem

„Schoͤn, fuhr er fort, hat der Dichter in
Ihren Geſang die Zeile eingewebt: traͤumſt du,
wer dich liebt?” — Darauf drehte er ſich halb
gegen ſie, ſang ihr leiſe dieſe Zeile, die er abſicht¬
lich zu dieſem Gebrauche komponirt, ins treuher¬
zige Angeſicht, und ſein ſchwarzes Auge ſtand
im langen Blitze der Liebe. Da ſie ſchwieg und
ſtaͤrker eilte: ſo nahm er ihre Hand, die ſie ihm
ließ, und ſagte: „Wina, Ihr ſchoͤnes Herz er¬
raͤth mich, Ihnen will ich anders, ja, wenns
nicht zu ſtolz iſt, aͤhnlicher erſcheinen als der
Menge. Ich habe nichts als mein Herz und
mein Leben; aber beides ſei der Beſten geweiht.”
— „Dort, Guter!” ſagte ſie leiſe, zog ihn ei¬
liger an die Stelle, wo ſie ſpielen wollten; dann
ſtand ſie ſtill, nahm auch ſeine andre Hand, hob
die Augen voll unendlicher Liebe zu ihm empor,
und auf ihrem reinen Angeſicht ſtanden alle Ge¬
danken klar, wie helle Thautropfen auf einer
Blume. „Guter Juͤngling, ich bin ſo aufrich¬
tig als Sie, bei dieſem heiligen Himmel uͤber
uns verſichere ich Sie, ich wuͤrd' es Ihnen offen
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[254/0260] „Schoͤn, fuhr er fort, hat der Dichter in Ihren Geſang die Zeile eingewebt: traͤumſt du, wer dich liebt?” — Darauf drehte er ſich halb gegen ſie, ſang ihr leiſe dieſe Zeile, die er abſicht¬ lich zu dieſem Gebrauche komponirt, ins treuher¬ zige Angeſicht, und ſein ſchwarzes Auge ſtand im langen Blitze der Liebe. Da ſie ſchwieg und ſtaͤrker eilte: ſo nahm er ihre Hand, die ſie ihm ließ, und ſagte: „Wina, Ihr ſchoͤnes Herz er¬ raͤth mich, Ihnen will ich anders, ja, wenns nicht zu ſtolz iſt, aͤhnlicher erſcheinen als der Menge. Ich habe nichts als mein Herz und mein Leben; aber beides ſei der Beſten geweiht.” — „Dort, Guter!” ſagte ſie leiſe, zog ihn ei¬ liger an die Stelle, wo ſie ſpielen wollten; dann ſtand ſie ſtill, nahm auch ſeine andre Hand, hob die Augen voll unendlicher Liebe zu ihm empor, und auf ihrem reinen Angeſicht ſtanden alle Ge¬ danken klar, wie helle Thautropfen auf einer Blume. „Guter Juͤngling, ich bin ſo aufrich¬ tig als Sie, bei dieſem heiligen Himmel uͤber uns verſichere ich Sie, ich wuͤrd' es Ihnen offen und froh geſtehen, wenn ich Sie liebte, in dem

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/260>, abgerufen am 22.11.2024.