Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

sich mit einem -- Spasse über sie. Es war der, daß
Weiber den Augen glichen, die so zart, rein und
für Stäubchen empfindlich wären, und denen doch
Mettelsafran, Cayennepfeffer, Vitriolspiritus, und
andere angreifende Aetzmittel als Heilung dienen.
Von Zeit zu Zeit ließ er einen mäßigen Scherz ge¬
gen Raphaela los, um den Bruder von einer ver¬
drüßlichen Eröffnung seiner Liebe zurückzuschrecken.

Allmählich sanken beide sanft und tief in die
Stille ihres Glücks. Von der schimmernden Ge¬
genwart war ihnen nichts geblieben als oben der
Himmel, und unten das Herz. Der Flötenspieler
maß seinen Weg zu Wina's Ich zurück, und
fand sich schon auf halbem -- Ihr Danken, ihr
Blicken, ihr Nähern, Raphaelens Meiden, langte
zu, ihm für die Neujahrs-Nacht, wo er alles
durch einen Zauberschlag entscheiden wollte, die
schönste Hofnung zu lassen, und doch noch größere
Sehnsucht. Aber gerade diese war ihm fast lieber
und seltner als jene; er dankte Gott, wenn er
sich nach irgend etwas unbeschreiblich sehnte, so
sehr mußte er sich nach Sehnen sehnen. Aber die
Entbehrungen und Schmerzen der Liebe sind eben

ſich mit einem — Spaſſe uͤber ſie. Es war der, daß
Weiber den Augen glichen, die ſo zart, rein und
fuͤr Staͤubchen empfindlich waͤren, und denen doch
Mettelſafran, Cayennepfeffer, Vitriolſpiritus, und
andere angreifende Aetzmittel als Heilung dienen.
Von Zeit zu Zeit ließ er einen maͤßigen Scherz ge¬
gen Raphaela los, um den Bruder von einer ver¬
druͤßlichen Eroͤffnung ſeiner Liebe zuruͤckzuſchrecken.

Allmaͤhlich ſanken beide ſanft und tief in die
Stille ihres Gluͤcks. Von der ſchimmernden Ge¬
genwart war ihnen nichts geblieben als oben der
Himmel, und unten das Herz. Der Floͤtenſpieler
maß ſeinen Weg zu Wina's Ich zuruͤck, und
fand ſich ſchon auf halbem — Ihr Danken, ihr
Blicken, ihr Naͤhern, Raphaelens Meiden, langte
zu, ihm fuͤr die Neujahrs-Nacht, wo er alles
durch einen Zauberſchlag entſcheiden wollte, die
ſchoͤnſte Hofnung zu laſſen, und doch noch groͤßere
Sehnſucht. Aber gerade dieſe war ihm faſt lieber
und ſeltner als jene; er dankte Gott, wenn er
ſich nach irgend etwas unbeſchreiblich ſehnte, ſo
ſehr mußte er ſich nach Sehnen ſehnen. Aber die
Entbehrungen und Schmerzen der Liebe ſind eben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0242" n="236"/>
&#x017F;ich mit einem &#x2014; Spa&#x017F;&#x017F;e u&#x0364;ber &#x017F;ie. Es war der, daß<lb/>
Weiber den Augen glichen, die &#x017F;o zart, rein und<lb/>
fu&#x0364;r Sta&#x0364;ubchen empfindlich wa&#x0364;ren, und denen doch<lb/>
Mettel&#x017F;afran, Cayennepfeffer, Vitriol&#x017F;piritus, und<lb/>
andere angreifende Aetzmittel als Heilung dienen.<lb/>
Von Zeit zu Zeit ließ er einen ma&#x0364;ßigen Scherz ge¬<lb/>
gen Raphaela los, um den Bruder von einer ver¬<lb/>
dru&#x0364;ßlichen Ero&#x0364;ffnung &#x017F;einer Liebe zuru&#x0364;ckzu&#x017F;chrecken.</p><lb/>
        <p>Allma&#x0364;hlich &#x017F;anken beide &#x017F;anft und tief in die<lb/>
Stille ihres Glu&#x0364;cks. Von der &#x017F;chimmernden Ge¬<lb/>
genwart war ihnen nichts geblieben als oben der<lb/>
Himmel, und unten das Herz. Der Flo&#x0364;ten&#x017F;pieler<lb/>
maß &#x017F;einen Weg zu Wina's Ich zuru&#x0364;ck, und<lb/>
fand &#x017F;ich &#x017F;chon auf halbem &#x2014; Ihr Danken, ihr<lb/>
Blicken, ihr Na&#x0364;hern, Raphaelens Meiden, langte<lb/>
zu, ihm fu&#x0364;r die Neujahrs-Nacht, wo er alles<lb/>
durch einen Zauber&#x017F;chlag ent&#x017F;cheiden wollte, die<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Hofnung zu la&#x017F;&#x017F;en, und doch noch gro&#x0364;ßere<lb/>
Sehn&#x017F;ucht. Aber gerade die&#x017F;e war ihm fa&#x017F;t lieber<lb/>
und &#x017F;eltner als jene; er dankte Gott, wenn er<lb/>
&#x017F;ich nach irgend etwas unbe&#x017F;chreiblich &#x017F;ehnte, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr mußte er &#x017F;ich nach Sehnen &#x017F;ehnen. Aber die<lb/>
Entbehrungen und Schmerzen der Liebe &#x017F;ind eben<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0242] ſich mit einem — Spaſſe uͤber ſie. Es war der, daß Weiber den Augen glichen, die ſo zart, rein und fuͤr Staͤubchen empfindlich waͤren, und denen doch Mettelſafran, Cayennepfeffer, Vitriolſpiritus, und andere angreifende Aetzmittel als Heilung dienen. Von Zeit zu Zeit ließ er einen maͤßigen Scherz ge¬ gen Raphaela los, um den Bruder von einer ver¬ druͤßlichen Eroͤffnung ſeiner Liebe zuruͤckzuſchrecken. Allmaͤhlich ſanken beide ſanft und tief in die Stille ihres Gluͤcks. Von der ſchimmernden Ge¬ genwart war ihnen nichts geblieben als oben der Himmel, und unten das Herz. Der Floͤtenſpieler maß ſeinen Weg zu Wina's Ich zuruͤck, und fand ſich ſchon auf halbem — Ihr Danken, ihr Blicken, ihr Naͤhern, Raphaelens Meiden, langte zu, ihm fuͤr die Neujahrs-Nacht, wo er alles durch einen Zauberſchlag entſcheiden wollte, die ſchoͤnſte Hofnung zu laſſen, und doch noch groͤßere Sehnſucht. Aber gerade dieſe war ihm faſt lieber und ſeltner als jene; er dankte Gott, wenn er ſich nach irgend etwas unbeſchreiblich ſehnte, ſo ſehr mußte er ſich nach Sehnen ſehnen. Aber die Entbehrungen und Schmerzen der Liebe ſind eben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/242
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/242>, abgerufen am 04.05.2024.