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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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wenn nicht um die Venus, doch um deren Mann,
tanzen; und was fehlt denn uns, Herr Harnisch,
zu drei Weisen als die Zahl?" -- Nur mußte
Walt unter dem Bewundern beklagen, nämlich
sich und sein Strandlaufen; denn auf dem Eise
wäre er nicht viel leichter zu drehen gewesen als
ein Kriegsschiff. Vielleicht wird der Druck einer
niedrigen Abstammung nie schmerzlicher empfun¬
den als in den geselligen Festen, zu welchen die
dürftige Erziehung nicht mit den Künsten der
Freude ausrüstete, wie Tanz, Gesang, Reiten,
Spiel, französisches Sprechen sind.

Gegen Raphaela war Vult der artigste Mann,
den es auf dem Teiche gab, sagte ihr Höflichkeiten
über ihre für diesen Tanz gemachte Gestalt -- wel¬
che ihm und ihr leicht zu glauben waren, weil sie
wirklich einige Zolle über Wina hinaus maß --
und schnitt oder fuhr sogar ihr Namens-R mit
den Schuhen in die Eisrinde wie in eine Baum¬
rinde ein.

Sie nahm indeß sein höfliches Uebermaß ohne
eignes auf; vielleicht weil das seinige den Scherz
nicht genug verbarg und weil sie als eifersüchtige

wenn nicht um die Venus, doch um deren Mann,
tanzen; und was fehlt denn uns, Herr Harniſch,
zu drei Weiſen als die Zahl?” — Nur mußte
Walt unter dem Bewundern beklagen, naͤmlich
ſich und ſein Strandlaufen; denn auf dem Eiſe
waͤre er nicht viel leichter zu drehen geweſen als
ein Kriegsſchiff. Vielleicht wird der Druck einer
niedrigen Abſtammung nie ſchmerzlicher empfun¬
den als in den geſelligen Feſten, zu welchen die
duͤrftige Erziehung nicht mit den Kuͤnſten der
Freude ausruͤſtete, wie Tanz, Geſang, Reiten,
Spiel, franzoͤſiſches Sprechen ſind.

Gegen Raphaela war Vult der artigſte Mann,
den es auf dem Teiche gab, ſagte ihr Hoͤflichkeiten
uͤber ihre fuͤr dieſen Tanz gemachte Geſtalt — wel¬
che ihm und ihr leicht zu glauben waren, weil ſie
wirklich einige Zolle uͤber Wina hinaus maß —
und ſchnitt oder fuhr ſogar ihr Namens-R mit
den Schuhen in die Eisrinde wie in eine Baum¬
rinde ein.

Sie nahm indeß ſein hoͤfliches Uebermaß ohne
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[229/0235] wenn nicht um die Venus, doch um deren Mann, tanzen; und was fehlt denn uns, Herr Harniſch, zu drei Weiſen als die Zahl?” — Nur mußte Walt unter dem Bewundern beklagen, naͤmlich ſich und ſein Strandlaufen; denn auf dem Eiſe waͤre er nicht viel leichter zu drehen geweſen als ein Kriegsſchiff. Vielleicht wird der Druck einer niedrigen Abſtammung nie ſchmerzlicher empfun¬ den als in den geſelligen Feſten, zu welchen die duͤrftige Erziehung nicht mit den Kuͤnſten der Freude ausruͤſtete, wie Tanz, Geſang, Reiten, Spiel, franzoͤſiſches Sprechen ſind. Gegen Raphaela war Vult der artigſte Mann, den es auf dem Teiche gab, ſagte ihr Hoͤflichkeiten uͤber ihre fuͤr dieſen Tanz gemachte Geſtalt — wel¬ che ihm und ihr leicht zu glauben waren, weil ſie wirklich einige Zolle uͤber Wina hinaus maß — und ſchnitt oder fuhr ſogar ihr Namens-R mit den Schuhen in die Eisrinde wie in eine Baum¬ rinde ein. Sie nahm indeß ſein hoͤfliches Uebermaß ohne eignes auf; vielleicht weil das ſeinige den Scherz nicht genug verbarg und weil ſie als eiferſuͤchtige

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/235>, abgerufen am 04.05.2024.