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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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Freundin Wina's unwillig die Hand sah, die er
so offen nach dieser ausstreckte. Er überhüpfte
oder überfuhr es. Zu Engelberta sagt' er: wir
wollen Geliebtens spielen. -- "Auf dem Eise bin
ich dabei," erwiederte sie; und so neckten beide
sich leicht und rasch mit ihrem Rollen-Schein, er
mit edel- und weltmännischer Keckheit, sie mit
kaufmännischer weiblicher. "Wüßte man nur,
schien sie zu denken, ob er mehr ein seltsamer Ha¬
berecht wäre als ein närrischer Habenichts: dann
wäre mehr zu thun."

Fünfmal hatte schon Walt an sein Musikblatt
gedacht, um es einzuhändigen, und es viermal
vergessen, wenn Wina wie seine ganze Zukunft
um sein Ufer flog oder gar ihn mit einem Blumen¬
blicke bewarf, dem er zu lange nachträumte. End¬
lich sagte er der Eisfahrerin: "zwei Ja sind neben
Ihnen." -- "Ich verstand Sie nicht ganz," sagte
sie lächelnd wiederkommend und entglitt. Er gieng
ihr am Ufer ein wenig entgegen aufs Eis: "Ihr
Wunsch wurde auch der fremde," sagte er. "Wie
ists mit der Flötenmusik?" fragte sie fliehend.
"Ich trage Musik und Text bei mir, aber nicht

Freundin Wina's unwillig die Hand ſah, die er
ſo offen nach dieſer ausſtreckte. Er uͤberhuͤpfte
oder uͤberfuhr es. Zu Engelberta ſagt' er: wir
wollen Geliebtens ſpielen. — „Auf dem Eiſe bin
ich dabei,“ erwiederte ſie; und ſo neckten beide
ſich leicht und raſch mit ihrem Rollen-Schein, er
mit edel- und weltmaͤnniſcher Keckheit, ſie mit
kaufmaͤnniſcher weiblicher. „Wuͤßte man nur,
ſchien ſie zu denken, ob er mehr ein ſeltſamer Ha¬
berecht waͤre als ein naͤrriſcher Habenichts: dann
waͤre mehr zu thun.“

Fuͤnfmal hatte ſchon Walt an ſein Muſikblatt
gedacht, um es einzuhaͤndigen, und es viermal
vergeſſen, wenn Wina wie ſeine ganze Zukunft
um ſein Ufer flog oder gar ihn mit einem Blumen¬
blicke bewarf, dem er zu lange nachtraͤumte. End¬
lich ſagte er der Eisfahrerin: „zwei Ja ſind neben
Ihnen.“ — „Ich verſtand Sie nicht ganz,“ ſagte
ſie laͤchelnd wiederkommend und entglitt. Er gieng
ihr am Ufer ein wenig entgegen aufs Eis: „Ihr
Wunſch wurde auch der fremde,“ ſagte er. „Wie
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[230/0236] Freundin Wina's unwillig die Hand ſah, die er ſo offen nach dieſer ausſtreckte. Er uͤberhuͤpfte oder uͤberfuhr es. Zu Engelberta ſagt' er: wir wollen Geliebtens ſpielen. — „Auf dem Eiſe bin ich dabei,“ erwiederte ſie; und ſo neckten beide ſich leicht und raſch mit ihrem Rollen-Schein, er mit edel- und weltmaͤnniſcher Keckheit, ſie mit kaufmaͤnniſcher weiblicher. „Wuͤßte man nur, ſchien ſie zu denken, ob er mehr ein ſeltſamer Ha¬ berecht waͤre als ein naͤrriſcher Habenichts: dann waͤre mehr zu thun.“ Fuͤnfmal hatte ſchon Walt an ſein Muſikblatt gedacht, um es einzuhaͤndigen, und es viermal vergeſſen, wenn Wina wie ſeine ganze Zukunft um ſein Ufer flog oder gar ihn mit einem Blumen¬ blicke bewarf, dem er zu lange nachtraͤumte. End¬ lich ſagte er der Eisfahrerin: „zwei Ja ſind neben Ihnen.“ — „Ich verſtand Sie nicht ganz,“ ſagte ſie laͤchelnd wiederkommend und entglitt. Er gieng ihr am Ufer ein wenig entgegen aufs Eis: „Ihr Wunſch wurde auch der fremde,“ ſagte er. „Wie iſts mit der Floͤtenmuſik?“ fragte ſie fliehend. „Ich trage Muſik und Text bei mir, aber nicht

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/236>, abgerufen am 04.05.2024.