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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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loosen, weil er nicht offenbaren konnte, wie viel
er jeder von Rückenbogen abschneide.

Aber welche entwickelnde Lebenskraft war mit
Vulten aufs Eis gefahren und wie schwebte der
Geist über dem Wasser, das gefroren war! --
Zuerst bald Wina's Bart-, bald ihr Wandelstern,
bald ihre gerade schießende Sternschnuppe zu seyn,
damit fing er an -- sie Schachkönigin zu decken
gegen jede Königin, es sei als Läufer, als Sprin¬
ger oder Thurm -- als Amors Pfeil zu fliegen,
so oft sie Amors Bogen war, es nicht zu leiden,
wenn sie kühner fliegen wollte als er, sondern sie
so lange zu überbieten, bis er selber überboten wur¬
de und dann leichter den Wettflug mit einem Dop¬
pelsiege schloß -- dieß war die Kunst, womit seine
schöne von der Welt erzogne Gestalt ihren Werth
entwickelte in leichter Haltung und Wechslung.

Walt war am Ufer als Strandläufer außer
sich vor Lust und warf laut den schönen Tanz- und
Schweb-Linien Kränze von Gewicht in so richtigen
Kunstwörtern zu, daß man hätte schwören sollen,
er tanze. Er sprach noch vernehmlich von drei
Grazien; -- "welche noch dazu, versetzte Vult,

looſen, weil er nicht offenbaren konnte, wie viel
er jeder von Ruͤckenbogen abſchneide.

Aber welche entwickelnde Lebenskraft war mit
Vulten aufs Eis gefahren und wie ſchwebte der
Geiſt uͤber dem Waſſer, das gefroren war! —
Zuerſt bald Wina's Bart-, bald ihr Wandelſtern,
bald ihre gerade ſchießende Sternſchnuppe zu ſeyn,
damit fing er an — ſie Schachkoͤnigin zu decken
gegen jede Koͤnigin, es ſei als Laͤufer, als Sprin¬
ger oder Thurm — als Amors Pfeil zu fliegen,
ſo oft ſie Amors Bogen war, es nicht zu leiden,
wenn ſie kuͤhner fliegen wollte als er, ſondern ſie
ſo lange zu uͤberbieten, bis er ſelber uͤberboten wur¬
de und dann leichter den Wettflug mit einem Dop¬
pelſiege ſchloß — dieß war die Kunſt, womit ſeine
ſchoͤne von der Welt erzogne Geſtalt ihren Werth
entwickelte in leichter Haltung und Wechslung.

Walt war am Ufer als Strandlaͤufer außer
ſich vor Luſt und warf laut den ſchoͤnen Tanz- und
Schweb-Linien Kraͤnze von Gewicht in ſo richtigen
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[228/0234] looſen, weil er nicht offenbaren konnte, wie viel er jeder von Ruͤckenbogen abſchneide. Aber welche entwickelnde Lebenskraft war mit Vulten aufs Eis gefahren und wie ſchwebte der Geiſt uͤber dem Waſſer, das gefroren war! — Zuerſt bald Wina's Bart-, bald ihr Wandelſtern, bald ihre gerade ſchießende Sternſchnuppe zu ſeyn, damit fing er an — ſie Schachkoͤnigin zu decken gegen jede Koͤnigin, es ſei als Laͤufer, als Sprin¬ ger oder Thurm — als Amors Pfeil zu fliegen, ſo oft ſie Amors Bogen war, es nicht zu leiden, wenn ſie kuͤhner fliegen wollte als er, ſondern ſie ſo lange zu uͤberbieten, bis er ſelber uͤberboten wur¬ de und dann leichter den Wettflug mit einem Dop¬ pelſiege ſchloß — dieß war die Kunſt, womit ſeine ſchoͤne von der Welt erzogne Geſtalt ihren Werth entwickelte in leichter Haltung und Wechslung. Walt war am Ufer als Strandlaͤufer außer ſich vor Luſt und warf laut den ſchoͤnen Tanz- und Schweb-Linien Kraͤnze von Gewicht in ſo richtigen Kunſtwoͤrtern zu, daß man haͤtte ſchwoͤren ſollen, er tanze. Er ſprach noch vernehmlich von drei Grazien; — „welche noch dazu, verſetzte Vult,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/234>, abgerufen am 04.05.2024.