"Du bist ein guter Mensch -- sagte Vult mit einer schwer zu bergenden Erfreuung -- ich nehm' es willig an. Ich scherze überhaupt oft blos. Als Miethsmann zeig' ich der Tochter vom Hause so gerne einige Aufmerksamkeiten -- und ich soll es. Doch die Wahrheit zu sagen -- ein böser Ausdruck, gleichsam als habe man vor¬ her keine gesagt -- so stimmt mich hier Wina mit ihrer reinen rollenden Perlen-Stimme noch mehr. Gott! wie kann nicht eine Singpartie gesetzt wer¬ den (besonders von mir), wenn man das edle Portamento der Sopran-Person, deren dimi¬ nuendo und crescendo und ihre herrliche Ver¬ einigung von Kopf- und Brust-Stimme -- du verstehst mich unmöglich, Bruder, ich spre¬ che als Künstler -- dermassen kennt wie ich? Mensch, glaubst du, daß ich damals, als ich sie in Elterlein hörte, schwur, sie soll mit mei¬ nem Willen nie mehr a secco singen? -- a sec¬ co, Walt, heißt nämlich allein; ein Punsch- Royalist wie ich, kommt freilich auch leicht aufs Trockne, aber anders."
Walt ſchlugs vor.
„Du biſt ein guter Menſch — ſagte Vult mit einer ſchwer zu bergenden Erfreuung — ich nehm' es willig an. Ich ſcherze uͤberhaupt oft blos. Als Miethsmann zeig' ich der Tochter vom Hauſe ſo gerne einige Aufmerkſamkeiten — und ich ſoll es. Doch die Wahrheit zu ſagen — ein boͤſer Ausdruck, gleichſam als habe man vor¬ her keine geſagt — ſo ſtimmt mich hier Wina mit ihrer reinen rollenden Perlen-Stimme noch mehr. Gott! wie kann nicht eine Singpartie geſetzt wer¬ den (beſonders von mir), wenn man das edle Portamento der Sopran-Perſon, deren dimi¬ nuendo und crescendo und ihre herrliche Ver¬ einigung von Kopf- und Bruſt-Stimme — du verſtehſt mich unmoͤglich, Bruder, ich ſpre¬ che als Kuͤnſtler — dermaſſen kennt wie ich? Menſch, glaubſt du, daß ich damals, als ich ſie in Elterlein hoͤrte, ſchwur, ſie ſoll mit mei¬ nem Willen nie mehr à secco ſingen? — à sec¬ co, Walt, heißt naͤmlich allein; ein Punſch- Royaliſt wie ich, kommt freilich auch leicht aufs Trockne, aber anders.“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0228"n="222"/><p>Walt ſchlugs vor.</p><lb/><p>„Du biſt ein guter Menſch —ſagte Vult<lb/>
mit einer ſchwer zu bergenden Erfreuung — ich<lb/>
nehm' es willig an. Ich ſcherze uͤberhaupt oft<lb/>
blos. Als Miethsmann zeig' ich der Tochter<lb/>
vom Hauſe ſo gerne einige Aufmerkſamkeiten —<lb/>
und ich ſoll es. Doch die Wahrheit zu ſagen —<lb/>
ein boͤſer Ausdruck, gleichſam als habe man vor¬<lb/>
her keine geſagt —ſo ſtimmt mich hier Wina mit<lb/>
ihrer reinen rollenden Perlen-Stimme noch mehr.<lb/>
Gott! wie kann nicht eine Singpartie geſetzt wer¬<lb/>
den (beſonders von mir), wenn man das edle<lb/><hirendition="#aq">Portamento</hi> der Sopran-Perſon, deren <hirendition="#aq">dimi¬<lb/>
nuendo</hi> und <hirendition="#aq">crescendo</hi> und ihre herrliche Ver¬<lb/>
einigung von <hirendition="#g">Kopf</hi>- und <hirendition="#g">Bruſt</hi>-Stimme —<lb/>
du verſtehſt mich unmoͤglich, Bruder, ich ſpre¬<lb/>
che als Kuͤnſtler — dermaſſen kennt wie ich?<lb/>
Menſch, glaubſt du, daß ich damals, als ich<lb/>ſie in Elterlein hoͤrte, ſchwur, ſie ſoll mit mei¬<lb/>
nem Willen nie mehr <hirendition="#aq">à secco</hi>ſingen? —<hirendition="#aq">à sec¬<lb/>
co</hi>, Walt, heißt naͤmlich <hirendition="#g">allein</hi>; ein Punſch-<lb/>
Royaliſt wie ich, kommt freilich auch leicht aufs<lb/>
Trockne, aber anders.“</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[222/0228]
Walt ſchlugs vor.
„Du biſt ein guter Menſch — ſagte Vult
mit einer ſchwer zu bergenden Erfreuung — ich
nehm' es willig an. Ich ſcherze uͤberhaupt oft
blos. Als Miethsmann zeig' ich der Tochter
vom Hauſe ſo gerne einige Aufmerkſamkeiten —
und ich ſoll es. Doch die Wahrheit zu ſagen —
ein boͤſer Ausdruck, gleichſam als habe man vor¬
her keine geſagt — ſo ſtimmt mich hier Wina mit
ihrer reinen rollenden Perlen-Stimme noch mehr.
Gott! wie kann nicht eine Singpartie geſetzt wer¬
den (beſonders von mir), wenn man das edle
Portamento der Sopran-Perſon, deren dimi¬
nuendo und crescendo und ihre herrliche Ver¬
einigung von Kopf- und Bruſt-Stimme —
du verſtehſt mich unmoͤglich, Bruder, ich ſpre¬
che als Kuͤnſtler — dermaſſen kennt wie ich?
Menſch, glaubſt du, daß ich damals, als ich
ſie in Elterlein hoͤrte, ſchwur, ſie ſoll mit mei¬
nem Willen nie mehr à secco ſingen? — à sec¬
co, Walt, heißt naͤmlich allein; ein Punſch-
Royaliſt wie ich, kommt freilich auch leicht aufs
Trockne, aber anders.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/228>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.