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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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Walt schlugs vor.

"Du bist ein guter Mensch -- sagte Vult
mit einer schwer zu bergenden Erfreuung -- ich
nehm' es willig an. Ich scherze überhaupt oft
blos. Als Miethsmann zeig' ich der Tochter
vom Hause so gerne einige Aufmerksamkeiten --
und ich soll es. Doch die Wahrheit zu sagen --
ein böser Ausdruck, gleichsam als habe man vor¬
her keine gesagt -- so stimmt mich hier Wina mit
ihrer reinen rollenden Perlen-Stimme noch mehr.
Gott! wie kann nicht eine Singpartie gesetzt wer¬
den (besonders von mir), wenn man das edle
Portamento der Sopran-Person, deren dimi¬
nuendo
und crescendo und ihre herrliche Ver¬
einigung von Kopf- und Brust-Stimme --
du verstehst mich unmöglich, Bruder, ich spre¬
che als Künstler -- dermassen kennt wie ich?
Mensch, glaubst du, daß ich damals, als ich
sie in Elterlein hörte, schwur, sie soll mit mei¬
nem Willen nie mehr a secco singen? -- a sec¬
co
, Walt, heißt nämlich allein; ein Punsch-
Royalist wie ich, kommt freilich auch leicht aufs
Trockne, aber anders."

Walt ſchlugs vor.

„Du biſt ein guter Menſch — ſagte Vult
mit einer ſchwer zu bergenden Erfreuung — ich
nehm' es willig an. Ich ſcherze uͤberhaupt oft
blos. Als Miethsmann zeig' ich der Tochter
vom Hauſe ſo gerne einige Aufmerkſamkeiten —
und ich ſoll es. Doch die Wahrheit zu ſagen —
ein boͤſer Ausdruck, gleichſam als habe man vor¬
her keine geſagt — ſo ſtimmt mich hier Wina mit
ihrer reinen rollenden Perlen-Stimme noch mehr.
Gott! wie kann nicht eine Singpartie geſetzt wer¬
den (beſonders von mir), wenn man das edle
Portamento der Sopran-Perſon, deren dimi¬
nuendo
und crescendo und ihre herrliche Ver¬
einigung von Kopf- und Bruſt-Stimme —
du verſtehſt mich unmoͤglich, Bruder, ich ſpre¬
che als Kuͤnſtler — dermaſſen kennt wie ich?
Menſch, glaubſt du, daß ich damals, als ich
ſie in Elterlein hoͤrte, ſchwur, ſie ſoll mit mei¬
nem Willen nie mehr à secco ſingen? — à sec¬
co
, Walt, heißt naͤmlich allein; ein Punſch-
Royaliſt wie ich, kommt freilich auch leicht aufs
Trockne, aber anders.“

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[222/0228] Walt ſchlugs vor. „Du biſt ein guter Menſch — ſagte Vult mit einer ſchwer zu bergenden Erfreuung — ich nehm' es willig an. Ich ſcherze uͤberhaupt oft blos. Als Miethsmann zeig' ich der Tochter vom Hauſe ſo gerne einige Aufmerkſamkeiten — und ich ſoll es. Doch die Wahrheit zu ſagen — ein boͤſer Ausdruck, gleichſam als habe man vor¬ her keine geſagt — ſo ſtimmt mich hier Wina mit ihrer reinen rollenden Perlen-Stimme noch mehr. Gott! wie kann nicht eine Singpartie geſetzt wer¬ den (beſonders von mir), wenn man das edle Portamento der Sopran-Perſon, deren dimi¬ nuendo und crescendo und ihre herrliche Ver¬ einigung von Kopf- und Bruſt-Stimme — du verſtehſt mich unmoͤglich, Bruder, ich ſpre¬ che als Kuͤnſtler — dermaſſen kennt wie ich? Menſch, glaubſt du, daß ich damals, als ich ſie in Elterlein hoͤrte, ſchwur, ſie ſoll mit mei¬ nem Willen nie mehr à secco ſingen? — à sec¬ co, Walt, heißt naͤmlich allein; ein Punſch- Royaliſt wie ich, kommt freilich auch leicht aufs Trockne, aber anders.“

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/228>, abgerufen am 04.05.2024.