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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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mehr als dreißigmal über die Freude, womit
Wina die Neujahrs-Nacht und jetzt unter seinen
Füßen die Freundin anschauen werde. Daß sie
ihn liebe und achte, wußt' er nun recht; aber
nicht wie stark; -- den höchsten Grad ihrer Liebe
gegen ihn sich jetzt zu denken hieß' ihm, sich ab¬
zuzeichnen, wie ihm seyn würde, wenn man ihn
auf Millionen Weltstufen auf die Gipfel-Sonne
geleitete, um ihn, den Notar, zum Gott zu
krönen.

Er hatte schon viel von dem Geburtstags-
Gedicht ohne sein Wissen ausgearbeitet -- blos
durch das Denken an Wina's Bitte --, als end¬
lich Vult erschien. In der Angst, dieser schlage
aus Kälte gegen Raphaela und den Adel, das
Musikfest ab, wollt' er ihn etwas künstlich, wie
in einem englischen Garten, auf feinen Schlan¬
genlinien und mit Mäandern vor den Vorschlag
wie vor ein Denkmahl führen. "Leider schrieb
ich heute das letztemal beim General," sagt' er
mit der seligsten Miene von der Welt. "Du willst
sagen "Gottlob," sagte Vult. Walt stolperte
schon vornen in den Mäander hinein und ertrank

mehr als dreißigmal uͤber die Freude, womit
Wina die Neujahrs-Nacht und jetzt unter ſeinen
Fuͤßen die Freundin anſchauen werde. Daß ſie
ihn liebe und achte, wußt' er nun recht; aber
nicht wie ſtark; — den hoͤchſten Grad ihrer Liebe
gegen ihn ſich jetzt zu denken hieß' ihm, ſich ab¬
zuzeichnen, wie ihm ſeyn wuͤrde, wenn man ihn
auf Millionen Weltſtufen auf die Gipfel-Sonne
geleitete, um ihn, den Notar, zum Gott zu
kroͤnen.

Er hatte ſchon viel von dem Geburtstags-
Gedicht ohne ſein Wiſſen ausgearbeitet — blos
durch das Denken an Wina's Bitte —, als end¬
lich Vult erſchien. In der Angſt, dieſer ſchlage
aus Kaͤlte gegen Raphaela und den Adel, das
Muſikfeſt ab, wollt' er ihn etwas kuͤnſtlich, wie
in einem engliſchen Garten, auf feinen Schlan¬
genlinien und mit Maͤandern vor den Vorſchlag
wie vor ein Denkmahl fuͤhren. „Leider ſchrieb
ich heute das letztemal beim General,“ ſagt' er
mit der ſeligſten Miene von der Welt. „Du willſt
ſagen „Gottlob,“ ſagte Vult. Walt ſtolperte
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[220/0226] mehr als dreißigmal uͤber die Freude, womit Wina die Neujahrs-Nacht und jetzt unter ſeinen Fuͤßen die Freundin anſchauen werde. Daß ſie ihn liebe und achte, wußt' er nun recht; aber nicht wie ſtark; — den hoͤchſten Grad ihrer Liebe gegen ihn ſich jetzt zu denken hieß' ihm, ſich ab¬ zuzeichnen, wie ihm ſeyn wuͤrde, wenn man ihn auf Millionen Weltſtufen auf die Gipfel-Sonne geleitete, um ihn, den Notar, zum Gott zu kroͤnen. Er hatte ſchon viel von dem Geburtstags- Gedicht ohne ſein Wiſſen ausgearbeitet — blos durch das Denken an Wina's Bitte —, als end¬ lich Vult erſchien. In der Angſt, dieſer ſchlage aus Kaͤlte gegen Raphaela und den Adel, das Muſikfeſt ab, wollt' er ihn etwas kuͤnſtlich, wie in einem engliſchen Garten, auf feinen Schlan¬ genlinien und mit Maͤandern vor den Vorſchlag wie vor ein Denkmahl fuͤhren. „Leider ſchrieb ich heute das letztemal beim General,“ ſagt' er mit der ſeligſten Miene von der Welt. „Du willſt ſagen „Gottlob,“ ſagte Vult. Walt ſtolperte ſchon vornen in den Maͤander hinein und ertrank

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/226>, abgerufen am 27.11.2024.