Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

mit Sternen-Träumen auf und ab zu schweben,
sondern auch da zu bleiben, da er Krönungs-
Zimmer seines Lebens zum letztenmale bewohnte.
Die Sonne fiel immer feuriger hinein und vergol¬
dete es zu einer Zauberlaube im elysischen Haine.
Als er es verließ, war ihm, als falle ein blühen¬
der Zweig herab, worauf bisher die Nachtigall
seiner Seele gesungen.

Wie lag zu Hause, wo ihm nichts fehlte als
Vult -- aber dieser kaum --, das Leben und der
Traum im Leben wie vergoldetes Gewölk um ihn
her! Tausend Paradieses-Zweige schlugen über
ihm unsichtbar zusammen und durchzogen ihn
heimlich mit einem berauschenden Blüthen-Dufte,
in dessen Eden er nicht hineinsehen könnte. Wenn
bisher die Wolke zu stehen schien und der Mond
zu fliehen: so sah er jetzt die Flucht der Wolken
unter dem festen schönen Gestirn.

"Wenn sie nur recht innig liebt -- dacht'
er -- gesetzt auch, sie meinte mich nicht allein;
die Hauptsache ist ihre Wonne. Sie sollte dazu
ordentlich mehrere Mütter haben, mehrere Väter
und unzählige Freundinnen!" Er freuete sich

mit Sternen-Traͤumen auf und ab zu ſchweben,
ſondern auch da zu bleiben, da er Kroͤnungs-
Zimmer ſeines Lebens zum letztenmale bewohnte.
Die Sonne fiel immer feuriger hinein und vergol¬
dete es zu einer Zauberlaube im elyſiſchen Haine.
Als er es verließ, war ihm, als falle ein bluͤhen¬
der Zweig herab, worauf bisher die Nachtigall
ſeiner Seele geſungen.

Wie lag zu Hauſe, wo ihm nichts fehlte als
Vult — aber dieſer kaum —, das Leben und der
Traum im Leben wie vergoldetes Gewoͤlk um ihn
her! Tauſend Paradieſes-Zweige ſchlugen uͤber
ihm unſichtbar zuſammen und durchzogen ihn
heimlich mit einem berauſchenden Bluͤthen-Dufte,
in deſſen Eden er nicht hineinſehen koͤnnte. Wenn
bisher die Wolke zu ſtehen ſchien und der Mond
zu fliehen: ſo ſah er jetzt die Flucht der Wolken
unter dem feſten ſchoͤnen Geſtirn.

„Wenn ſie nur recht innig liebt — dacht'
er — geſetzt auch, ſie meinte mich nicht allein;
die Hauptſache iſt ihre Wonne. Sie ſollte dazu
ordentlich mehrere Muͤtter haben, mehrere Vaͤter
und unzaͤhlige Freundinnen!“ Er freuete ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0225" n="219"/>
mit Sternen-Tra&#x0364;umen auf und ab zu &#x017F;chweben,<lb/>
&#x017F;ondern auch da zu bleiben, da er Kro&#x0364;nungs-<lb/>
Zimmer &#x017F;eines Lebens zum letztenmale bewohnte.<lb/>
Die Sonne fiel immer feuriger hinein und vergol¬<lb/>
dete es zu einer Zauberlaube im ely&#x017F;i&#x017F;chen Haine.<lb/>
Als er es verließ, war ihm, als falle ein blu&#x0364;hen¬<lb/>
der Zweig herab, worauf bisher die Nachtigall<lb/>
&#x017F;einer Seele ge&#x017F;ungen.</p><lb/>
          <p>Wie lag zu Hau&#x017F;e, wo ihm nichts fehlte als<lb/>
Vult &#x2014; aber die&#x017F;er kaum &#x2014;, das Leben und der<lb/>
Traum im Leben wie vergoldetes Gewo&#x0364;lk um ihn<lb/>
her! Tau&#x017F;end Paradie&#x017F;es-Zweige &#x017F;chlugen u&#x0364;ber<lb/>
ihm un&#x017F;ichtbar zu&#x017F;ammen und durchzogen ihn<lb/>
heimlich mit einem berau&#x017F;chenden Blu&#x0364;then-Dufte,<lb/>
in de&#x017F;&#x017F;en Eden er nicht hinein&#x017F;ehen ko&#x0364;nnte. Wenn<lb/>
bisher die Wolke zu &#x017F;tehen &#x017F;chien und der Mond<lb/>
zu fliehen: &#x017F;o &#x017F;ah er jetzt die Flucht der Wolken<lb/>
unter dem fe&#x017F;ten &#x017F;cho&#x0364;nen Ge&#x017F;tirn.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wenn &#x017F;ie nur recht innig liebt &#x2014; dacht'<lb/>
er &#x2014; ge&#x017F;etzt auch, &#x017F;ie meinte mich nicht allein;<lb/>
die Haupt&#x017F;ache i&#x017F;t ihre Wonne. Sie &#x017F;ollte dazu<lb/>
ordentlich mehrere Mu&#x0364;tter haben, mehrere Va&#x0364;ter<lb/>
und unza&#x0364;hlige Freundinnen!&#x201C; Er freuete &#x017F;ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0225] mit Sternen-Traͤumen auf und ab zu ſchweben, ſondern auch da zu bleiben, da er Kroͤnungs- Zimmer ſeines Lebens zum letztenmale bewohnte. Die Sonne fiel immer feuriger hinein und vergol¬ dete es zu einer Zauberlaube im elyſiſchen Haine. Als er es verließ, war ihm, als falle ein bluͤhen¬ der Zweig herab, worauf bisher die Nachtigall ſeiner Seele geſungen. Wie lag zu Hauſe, wo ihm nichts fehlte als Vult — aber dieſer kaum —, das Leben und der Traum im Leben wie vergoldetes Gewoͤlk um ihn her! Tauſend Paradieſes-Zweige ſchlugen uͤber ihm unſichtbar zuſammen und durchzogen ihn heimlich mit einem berauſchenden Bluͤthen-Dufte, in deſſen Eden er nicht hineinſehen koͤnnte. Wenn bisher die Wolke zu ſtehen ſchien und der Mond zu fliehen: ſo ſah er jetzt die Flucht der Wolken unter dem feſten ſchoͤnen Geſtirn. „Wenn ſie nur recht innig liebt — dacht' er — geſetzt auch, ſie meinte mich nicht allein; die Hauptſache iſt ihre Wonne. Sie ſollte dazu ordentlich mehrere Muͤtter haben, mehrere Vaͤter und unzaͤhlige Freundinnen!“ Er freuete ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/225
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/225>, abgerufen am 23.11.2024.