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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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giebt es denn keine verklärte Welt, wo alle Men¬
schenbitten so viel gelten und geben, und wo der
Geber früher dankt, als der Empfänger?

Mit wunderbaren Gefühlen irrte er um
Wina's Bitte herum, da er doch fühlte, Wina
sei ein durchsichtiger Juwel ohne Wölkchen und
Federn. Denn dieß ist eben die Liebe, zu glauben,
man durchschaue das Geliebte noch schärfer als
sich, so daß man den blauen Himmel dadurch
erblickt, durch welchen man wieder die Sterne
sieht -- indeß der Haß überall Nacht sieht und
braucht und bringt.

Als er die wenigen Stralen küßte, die am
Sterne des Stifts und der Liebe aufgegangen
waren oder gestickt: that sein Himmel alle Wol¬
ken wieder auf, nämlich die Flügelthüren, und
Wina erschien und schien. Er wollte sagen: ich
bitte um die Bitte; aber er hielt es für unzart,
das eine Bitte zu nennen, was Wina eine ge¬
nannt. So hatt' er den höchsten Muth für sie,
aber nicht vor ihr; und von den langen Gebeten
an dieses Heiligenbild, welche er zu Hause sich
aussann und vornahm, brachte er nichts zum

giebt es denn keine verklaͤrte Welt, wo alle Men¬
ſchenbitten ſo viel gelten und geben, und wo der
Geber fruͤher dankt, als der Empfaͤnger?

Mit wunderbaren Gefuͤhlen irrte er um
Wina's Bitte herum, da er doch fuͤhlte, Wina
ſei ein durchſichtiger Juwel ohne Woͤlkchen und
Federn. Denn dieß iſt eben die Liebe, zu glauben,
man durchſchaue das Geliebte noch ſchaͤrfer als
ſich, ſo daß man den blauen Himmel dadurch
erblickt, durch welchen man wieder die Sterne
ſieht — indeß der Haß uͤberall Nacht ſieht und
braucht und bringt.

Als er die wenigen Stralen kuͤßte, die am
Sterne des Stifts und der Liebe aufgegangen
waren oder geſtickt: that ſein Himmel alle Wol¬
ken wieder auf, naͤmlich die Fluͤgelthuͤren, und
Wina erſchien und ſchien. Er wollte ſagen: ich
bitte um die Bitte; aber er hielt es fuͤr unzart,
das eine Bitte zu nennen, was Wina eine ge¬
nannt. So hatt' er den hoͤchſten Muth fuͤr ſie,
aber nicht vor ihr; und von den langen Gebeten
an dieſes Heiligenbild, welche er zu Hauſe ſich
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[213/0219] giebt es denn keine verklaͤrte Welt, wo alle Men¬ ſchenbitten ſo viel gelten und geben, und wo der Geber fruͤher dankt, als der Empfaͤnger? Mit wunderbaren Gefuͤhlen irrte er um Wina's Bitte herum, da er doch fuͤhlte, Wina ſei ein durchſichtiger Juwel ohne Woͤlkchen und Federn. Denn dieß iſt eben die Liebe, zu glauben, man durchſchaue das Geliebte noch ſchaͤrfer als ſich, ſo daß man den blauen Himmel dadurch erblickt, durch welchen man wieder die Sterne ſieht — indeß der Haß uͤberall Nacht ſieht und braucht und bringt. Als er die wenigen Stralen kuͤßte, die am Sterne des Stifts und der Liebe aufgegangen waren oder geſtickt: that ſein Himmel alle Wol¬ ken wieder auf, naͤmlich die Fluͤgelthuͤren, und Wina erſchien und ſchien. Er wollte ſagen: ich bitte um die Bitte; aber er hielt es fuͤr unzart, das eine Bitte zu nennen, was Wina eine ge¬ nannt. So hatt' er den hoͤchſten Muth fuͤr ſie, aber nicht vor ihr; und von den langen Gebeten an dieſes Heiligenbild, welche er zu Hauſe ſich ausſann und vornahm, brachte er nichts zum

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/219>, abgerufen am 22.11.2024.