Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

then und goldne Sterne? So fliegt nur ohne
Stürme unter unsern Wolken fort und besingt
die schönsten Länder, aber fliegt dann liebesbrün¬
stig in unsern Frühling zurük, und singt dem
Herzen in schmachtenden Tönen das Heimweh
nach göttlichen Ländern vor."

"Ihr Bäume und ihr Blumen, ihr neigt
euch hin und her, und möchtet noch lebendiger
werden und reden und fliegen, ich liebe euch, als
wär' ich eine Blume und hätte Zweige; einstens
werdet ihr höher leben." Und da bog er einen
tief ans Wasser sich neigenden Zweig gar ein we¬
nig in die Wellen hinein.

Plözlich hört' er in tiefer Ferne hinter sich
eine Flöte durch das Thal gleichsam auf dem
Strom herunter kommen, dem Wehen entgegen.
Die Ferne ist die Folie der Flöte; und ihm, der
mehr ihren Ton als ihren Gang verstand, war
keine nahe gute nur halb so lieb. Die Töne schie¬
nen nachzukommen, doch schwächer. Am Wege
stand eine Steinbank, die ihn in dieser Einsam¬
keit schön an die Menschensorge für andere Men¬
schen erinnerte. Er sezte sich ein wenig darauf,

then und goldne Sterne? So fliegt nur ohne
Stuͤrme unter unſern Wolken fort und beſingt
die ſchoͤnſten Laͤnder, aber fliegt dann liebesbruͤn¬
ſtig in unſern Fruͤhling zuruͤk, und ſingt dem
Herzen in ſchmachtenden Toͤnen das Heimweh
nach goͤttlichen Laͤndern vor.“

„Ihr Baͤume und ihr Blumen, ihr neigt
euch hin und her, und moͤchtet noch lebendiger
werden und reden und fliegen, ich liebe euch, als
waͤr' ich eine Blume und haͤtte Zweige; einſtens
werdet ihr hoͤher leben.“ Und da bog er einen
tief ans Waſſer ſich neigenden Zweig gar ein we¬
nig in die Wellen hinein.

Ploͤzlich hoͤrt' er in tiefer Ferne hinter ſich
eine Floͤte durch das Thal gleichſam auf dem
Strom herunter kommen, dem Wehen entgegen.
Die Ferne iſt die Folie der Floͤte; und ihm, der
mehr ihren Ton als ihren Gang verſtand, war
keine nahe gute nur halb ſo lieb. Die Toͤne ſchie¬
nen nachzukommen, doch ſchwaͤcher. Am Wege
ſtand eine Steinbank, die ihn in dieſer Einſam¬
keit ſchoͤn an die Menſchenſorge fuͤr andere Men¬
ſchen erinnerte. Er ſezte ſich ein wenig darauf,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0097" n="89"/>
then und goldne Sterne? So fliegt nur ohne<lb/>
Stu&#x0364;rme unter un&#x017F;ern Wolken fort und be&#x017F;ingt<lb/>
die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten La&#x0364;nder, aber fliegt dann liebesbru&#x0364;<lb/>
&#x017F;tig in un&#x017F;ern Fru&#x0364;hling zuru&#x0364;k, und &#x017F;ingt dem<lb/>
Herzen in &#x017F;chmachtenden To&#x0364;nen das Heimweh<lb/>
nach go&#x0364;ttlichen La&#x0364;ndern vor.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihr Ba&#x0364;ume und ihr Blumen, ihr neigt<lb/>
euch hin und her, und mo&#x0364;chtet noch lebendiger<lb/>
werden und reden und fliegen, ich liebe euch, als<lb/>
wa&#x0364;r' ich eine Blume und ha&#x0364;tte Zweige; ein&#x017F;tens<lb/>
werdet ihr ho&#x0364;her leben.&#x201C; Und da bog er einen<lb/>
tief ans Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich neigenden Zweig gar ein we¬<lb/>
nig in die Wellen hinein.</p><lb/>
        <p>Plo&#x0364;zlich ho&#x0364;rt' er in tiefer Ferne hinter &#x017F;ich<lb/>
eine Flo&#x0364;te durch das Thal gleich&#x017F;am auf dem<lb/>
Strom herunter kommen, dem Wehen entgegen.<lb/>
Die Ferne i&#x017F;t die Folie der Flo&#x0364;te; und ihm, der<lb/>
mehr ihren Ton als ihren Gang ver&#x017F;tand, war<lb/>
keine nahe gute nur halb &#x017F;o lieb. Die To&#x0364;ne &#x017F;chie¬<lb/>
nen nachzukommen, doch &#x017F;chwa&#x0364;cher. Am Wege<lb/>
&#x017F;tand eine Steinbank, die ihn in die&#x017F;er Ein&#x017F;am¬<lb/>
keit &#x017F;cho&#x0364;n an die Men&#x017F;chen&#x017F;orge fu&#x0364;r andere Men¬<lb/>
&#x017F;chen erinnerte. Er &#x017F;ezte &#x017F;ich ein wenig darauf,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0097] then und goldne Sterne? So fliegt nur ohne Stuͤrme unter unſern Wolken fort und beſingt die ſchoͤnſten Laͤnder, aber fliegt dann liebesbruͤn¬ ſtig in unſern Fruͤhling zuruͤk, und ſingt dem Herzen in ſchmachtenden Toͤnen das Heimweh nach goͤttlichen Laͤndern vor.“ „Ihr Baͤume und ihr Blumen, ihr neigt euch hin und her, und moͤchtet noch lebendiger werden und reden und fliegen, ich liebe euch, als waͤr' ich eine Blume und haͤtte Zweige; einſtens werdet ihr hoͤher leben.“ Und da bog er einen tief ans Waſſer ſich neigenden Zweig gar ein we¬ nig in die Wellen hinein. Ploͤzlich hoͤrt' er in tiefer Ferne hinter ſich eine Floͤte durch das Thal gleichſam auf dem Strom herunter kommen, dem Wehen entgegen. Die Ferne iſt die Folie der Floͤte; und ihm, der mehr ihren Ton als ihren Gang verſtand, war keine nahe gute nur halb ſo lieb. Die Toͤne ſchie¬ nen nachzukommen, doch ſchwaͤcher. Am Wege ſtand eine Steinbank, die ihn in dieſer Einſam¬ keit ſchoͤn an die Menſchenſorge fuͤr andere Men¬ ſchen erinnerte. Er ſezte ſich ein wenig darauf,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/97
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/97>, abgerufen am 21.11.2024.