Wina begann, ihre süße Sprache zer¬ schmolz in den noch süßern Gesang, aus Nach¬ tigallen und Echo's gemacht -- sie wollte ihr liebewarmes Herz in jeden Ton drängen und gießen, gleichsam in einen tönenden Seufzer; -- den Notar umfieng der lang geträumte Seelen¬ klang mit der Herrlichkeit der Gegenwart so, daß ihn das heranrollende Meer, das er von Fernen rollen und wallen sahen, nun mit hohen Fluthen nahm und deckte. Der General sah un¬ ter dem Singen die Kopie des frechen lezten Brie¬ fes mit einiger witziger Heiterkeit auf dem Ge¬ sichte durch und fragte lächelnd: wie gefällt Ih¬ nen die wilde Libette? -- "Wie der jezige Ge¬ sang, so wahr, so innig und so tief gefühlt" versezte Gottwalt. -- "Das glaub' ich auch" sagte Zablocki mit einem ironischen Minen- Glanz, den Walt für Hör-Verklärung nahm.
"Was sind so Ihre vorzüglichsten Notariats- Instrumente bisher gewesen?" fragte der Gene¬ ral. Walt gab viele kurz und schleunig an, sehr verdrüslich, daß er sein Ohr -- wie sein Leben -- zwischen Gesang und Prosa thei¬
Wina begann, ihre ſuͤße Sprache zer¬ ſchmolz in den noch ſuͤßern Geſang, aus Nach¬ tigallen und Echo's gemacht — ſie wollte ihr liebewarmes Herz in jeden Ton draͤngen und gießen, gleichſam in einen toͤnenden Seufzer; — den Notar umfieng der lang getraͤumte Seelen¬ klang mit der Herrlichkeit der Gegenwart ſo, daß ihn das heranrollende Meer, das er von Fernen rollen und wallen ſahen, nun mit hohen Fluthen nahm und deckte. Der General ſah un¬ ter dem Singen die Kopie des frechen lezten Brie¬ fes mit einiger witziger Heiterkeit auf dem Ge¬ ſichte durch und fragte laͤchelnd: wie gefaͤllt Ih¬ nen die wilde Libette? — „Wie der jezige Ge¬ ſang, ſo wahr, ſo innig und ſo tief gefuͤhlt“ verſezte Gottwalt. — „Das glaub' ich auch“ ſagte Zablocki mit einem ironiſchen Minen- Glanz, den Walt fuͤr Hoͤr-Verklaͤrung nahm.
„Was ſind ſo Ihre vorzuͤglichſten Notariats- Inſtrumente bisher geweſen?“ fragte der Gene¬ ral. Walt gab viele kurz und ſchleunig an, ſehr verdruͤslich, daß er ſein Ohr — wie ſein Leben — zwiſchen Geſang und Proſa thei¬
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0037"n="29"/><p>Wina begann, ihre ſuͤße Sprache zer¬<lb/>ſchmolz in den noch ſuͤßern Geſang, aus Nach¬<lb/>
tigallen und Echo's gemacht —ſie wollte ihr<lb/>
liebewarmes Herz in jeden Ton draͤngen und<lb/>
gießen, gleichſam in einen toͤnenden Seufzer; —<lb/>
den Notar umfieng der lang getraͤumte Seelen¬<lb/>
klang mit der Herrlichkeit der Gegenwart ſo,<lb/>
daß ihn das heranrollende Meer, das er von<lb/>
Fernen rollen und wallen ſahen, nun mit hohen<lb/>
Fluthen nahm und deckte. Der General ſah un¬<lb/>
ter dem Singen die Kopie des frechen lezten Brie¬<lb/>
fes mit einiger witziger Heiterkeit auf dem Ge¬<lb/>ſichte durch und fragte laͤchelnd: wie gefaͤllt Ih¬<lb/>
nen die wilde Libette? —„Wie der jezige Ge¬<lb/>ſang, ſo wahr, ſo innig und ſo tief gefuͤhlt“<lb/>
verſezte Gottwalt. —„Das glaub' ich auch“<lb/>ſagte Zablocki mit einem ironiſchen Minen-<lb/>
Glanz, den Walt fuͤr Hoͤr-Verklaͤrung nahm.</p><lb/><p>„Was ſind ſo Ihre vorzuͤglichſten Notariats-<lb/>
Inſtrumente bisher geweſen?“ fragte der Gene¬<lb/>
ral. Walt gab viele kurz und ſchleunig an,<lb/>ſehr verdruͤslich, daß er ſein Ohr — wie ſein<lb/>
Leben — zwiſchen <hirendition="#g">Geſang</hi> und <hirendition="#g">Proſa</hi> thei¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[29/0037]
Wina begann, ihre ſuͤße Sprache zer¬
ſchmolz in den noch ſuͤßern Geſang, aus Nach¬
tigallen und Echo's gemacht — ſie wollte ihr
liebewarmes Herz in jeden Ton draͤngen und
gießen, gleichſam in einen toͤnenden Seufzer; —
den Notar umfieng der lang getraͤumte Seelen¬
klang mit der Herrlichkeit der Gegenwart ſo,
daß ihn das heranrollende Meer, das er von
Fernen rollen und wallen ſahen, nun mit hohen
Fluthen nahm und deckte. Der General ſah un¬
ter dem Singen die Kopie des frechen lezten Brie¬
fes mit einiger witziger Heiterkeit auf dem Ge¬
ſichte durch und fragte laͤchelnd: wie gefaͤllt Ih¬
nen die wilde Libette? — „Wie der jezige Ge¬
ſang, ſo wahr, ſo innig und ſo tief gefuͤhlt“
verſezte Gottwalt. — „Das glaub' ich auch“
ſagte Zablocki mit einem ironiſchen Minen-
Glanz, den Walt fuͤr Hoͤr-Verklaͤrung nahm.
„Was ſind ſo Ihre vorzuͤglichſten Notariats-
Inſtrumente bisher geweſen?“ fragte der Gene¬
ral. Walt gab viele kurz und ſchleunig an,
ſehr verdruͤslich, daß er ſein Ohr — wie ſein
Leben — zwiſchen Geſang und Proſa thei¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/37>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.