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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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Walt konnte nichts anders machen -- "nur
heute kein Instrument, das gebe Gott!" wünsch¬
te er -- als einen Spaziergang in das Van der
Kabelsche Hölzgen, das er einst erben kann, und
wo er den entfremdeten Grafen zum erstenmale
auf der Erde gesehen. Um ihn flogen, giengen,
standen Träume aus tiefen Jahrhunderten -- aus
Blüten- und Blumenländern -- aus Knabenzei¬
ten -- ja ein Träumgen saß und sang im span¬
nenlangen grünen Weihnachts-Gärtgen der Kind¬
heit, das sich der kleine Mensch auf vier Rädern
am Faden nachzieht. Siehe da bewegte vom Him¬
mel sich ein Zauberstab über die ganze Landschaft
voll Schlösser, Landhäuser und Wäldgen, und
verwandelte sie in eine blütendicke Provence aus
dem Mittelalter. In der Ferne sah er mehrere
Provenzalen aus Olivenwäldern kommen -- sie
sangen heitere Lieder in heiterer Luft -- die leich¬
ten Jünglinge zogen voll Freude und voll Liebe mit
Saitenspielen in die Thäler vor hohe goldbedekte
Burgen auf fernen Bergspitzen -- aus den engen
Fenstern sahen ritterliche Jungfrauen herunter --
sie wurden herabgelockt, und liessen in den Auen

Walt konnte nichts anders machen — „nur
heute kein Inſtrument, das gebe Gott!“ wuͤnſch¬
te er — als einen Spaziergang in das Van der
Kabelſche Hoͤlzgen, das er einſt erben kann, und
wo er den entfremdeten Grafen zum erſtenmale
auf der Erde geſehen. Um ihn flogen, giengen,
ſtanden Traͤume aus tiefen Jahrhunderten — aus
Bluͤten- und Blumenlaͤndern — aus Knabenzei¬
ten — ja ein Traͤumgen ſaß und ſang im ſpan¬
nenlangen gruͤnen Weihnachts-Gaͤrtgen der Kind¬
heit, das ſich der kleine Menſch auf vier Raͤdern
am Faden nachzieht. Siehe da bewegte vom Him¬
mel ſich ein Zauberſtab uͤber die ganze Landſchaft
voll Schloͤſſer, Landhaͤuſer und Waͤldgen, und
verwandelte ſie in eine bluͤtendicke Provence aus
dem Mittelalter. In der Ferne ſah er mehrere
Provenzalen aus Olivenwaͤldern kommen — ſie
ſangen heitere Lieder in heiterer Luft — die leich¬
ten Juͤnglinge zogen voll Freude und voll Liebe mit
Saitenſpielen in die Thaͤler vor hohe goldbedekte
Burgen auf fernen Bergſpitzen — aus den engen
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[22/0030] Walt konnte nichts anders machen — „nur heute kein Inſtrument, das gebe Gott!“ wuͤnſch¬ te er — als einen Spaziergang in das Van der Kabelſche Hoͤlzgen, das er einſt erben kann, und wo er den entfremdeten Grafen zum erſtenmale auf der Erde geſehen. Um ihn flogen, giengen, ſtanden Traͤume aus tiefen Jahrhunderten — aus Bluͤten- und Blumenlaͤndern — aus Knabenzei¬ ten — ja ein Traͤumgen ſaß und ſang im ſpan¬ nenlangen gruͤnen Weihnachts-Gaͤrtgen der Kind¬ heit, das ſich der kleine Menſch auf vier Raͤdern am Faden nachzieht. Siehe da bewegte vom Him¬ mel ſich ein Zauberſtab uͤber die ganze Landſchaft voll Schloͤſſer, Landhaͤuſer und Waͤldgen, und verwandelte ſie in eine bluͤtendicke Provence aus dem Mittelalter. In der Ferne ſah er mehrere Provenzalen aus Olivenwaͤldern kommen — ſie ſangen heitere Lieder in heiterer Luft — die leich¬ ten Juͤnglinge zogen voll Freude und voll Liebe mit Saitenſpielen in die Thaͤler vor hohe goldbedekte Burgen auf fernen Bergſpitzen — aus den engen Fenſtern ſahen ritterliche Jungfrauen herunter — ſie wurden herabgelockt, und lieſſen in den Auen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/30>, abgerufen am 25.04.2024.