Wort und nichts behalten, als einige anonyme Seligkeit. Wie Himmelsblumen werden oft Träu¬ me durch die Menschennacht getragen, und am Tageslicht bezeichnet nur ein fremder Frühlings¬ duft die Spuren der verschwundenen.
Die Sonne blizte ihm reiner und näher, die Menschen sah er wie durch einen Traum der Trun¬ kenheit schöner und werther gehen, und die Quel¬ len der Nacht hatten seine Brust mit so viel Liebe vollgegossen, daß er nicht wußte, wohin er sie leiten sollte.
Zu Papier sucht' er sie anfangs zu bringen, aber kein Strekvers und kein Kapitel gelang. Er hatte einen Tag wie nach einer vertanzten Nacht, man will nichts machen als höchstens Träume, und auch nichts anderes haben -- alles soll sanft seyn, sogar die Freude -- sie soll nicht mit Wind¬ stössen an den Flügeln reissen, still sollen die aus¬ gestrekten Schwingen das dünne Blau durchschnei¬ den und durchsinken -- nur Abendlieder will der der Mensch sogar am Morgen, aber kein einziges Kriegslied, und ein Flor, aber ein hellgefärbter, bezieht und dämpft die Trommel des Erden- Tobens.
Wort und nichts behalten, als einige anonyme Seligkeit. Wie Himmelsblumen werden oft Traͤu¬ me durch die Menſchennacht getragen, und am Tageslicht bezeichnet nur ein fremder Fruͤhlings¬ duft die Spuren der verſchwundenen.
Die Sonne blizte ihm reiner und naͤher, die Menſchen ſah er wie durch einen Traum der Trun¬ kenheit ſchoͤner und werther gehen, und die Quel¬ len der Nacht hatten ſeine Bruſt mit ſo viel Liebe vollgegoſſen, daß er nicht wußte, wohin er ſie leiten ſollte.
Zu Papier ſucht' er ſie anfangs zu bringen, aber kein Strekvers und kein Kapitel gelang. Er hatte einen Tag wie nach einer vertanzten Nacht, man will nichts machen als hoͤchſtens Traͤume, und auch nichts anderes haben — alles ſoll ſanft ſeyn, ſogar die Freude — ſie ſoll nicht mit Wind¬ ſtoͤſſen an den Fluͤgeln reiſſen, ſtill ſollen die aus¬ geſtrekten Schwingen das duͤnne Blau durchſchnei¬ den und durchſinken — nur Abendlieder will der der Menſch ſogar am Morgen, aber kein einziges Kriegslied, und ein Flor, aber ein hellgefaͤrbter, bezieht und daͤmpft die Trommel des Erden- Tobens.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0029"n="21"/>
Wort und nichts behalten, als einige anonyme<lb/>
Seligkeit. Wie Himmelsblumen werden oft Traͤu¬<lb/>
me durch die Menſchennacht getragen, und am<lb/>
Tageslicht bezeichnet nur ein fremder Fruͤhlings¬<lb/>
duft die Spuren der verſchwundenen.</p><lb/><p>Die Sonne blizte ihm reiner und naͤher, die<lb/>
Menſchen ſah er wie durch einen Traum der Trun¬<lb/>
kenheit ſchoͤner und werther gehen, und die Quel¬<lb/>
len der Nacht hatten ſeine Bruſt mit ſo viel Liebe<lb/>
vollgegoſſen, daß er nicht wußte, wohin er ſie<lb/>
leiten ſollte.</p><lb/><p>Zu Papier ſucht' er ſie anfangs zu bringen,<lb/>
aber kein Strekvers und kein Kapitel gelang. Er<lb/>
hatte einen Tag wie nach einer vertanzten Nacht,<lb/>
man will nichts machen als hoͤchſtens Traͤume,<lb/>
und auch nichts anderes haben — alles ſoll ſanft<lb/>ſeyn, ſogar die Freude —ſie ſoll nicht mit Wind¬<lb/>ſtoͤſſen an den Fluͤgeln reiſſen, ſtill ſollen die aus¬<lb/>
geſtrekten Schwingen das duͤnne Blau durchſchnei¬<lb/>
den und durchſinken — nur Abendlieder will der<lb/>
der Menſch ſogar am Morgen, aber kein einziges<lb/>
Kriegslied, und ein Flor, aber ein hellgefaͤrbter,<lb/>
bezieht und daͤmpft die Trommel des Erden-<lb/>
Tobens.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[21/0029]
Wort und nichts behalten, als einige anonyme
Seligkeit. Wie Himmelsblumen werden oft Traͤu¬
me durch die Menſchennacht getragen, und am
Tageslicht bezeichnet nur ein fremder Fruͤhlings¬
duft die Spuren der verſchwundenen.
Die Sonne blizte ihm reiner und naͤher, die
Menſchen ſah er wie durch einen Traum der Trun¬
kenheit ſchoͤner und werther gehen, und die Quel¬
len der Nacht hatten ſeine Bruſt mit ſo viel Liebe
vollgegoſſen, daß er nicht wußte, wohin er ſie
leiten ſollte.
Zu Papier ſucht' er ſie anfangs zu bringen,
aber kein Strekvers und kein Kapitel gelang. Er
hatte einen Tag wie nach einer vertanzten Nacht,
man will nichts machen als hoͤchſtens Traͤume,
und auch nichts anderes haben — alles ſoll ſanft
ſeyn, ſogar die Freude — ſie ſoll nicht mit Wind¬
ſtoͤſſen an den Fluͤgeln reiſſen, ſtill ſollen die aus¬
geſtrekten Schwingen das duͤnne Blau durchſchnei¬
den und durchſinken — nur Abendlieder will der
der Menſch ſogar am Morgen, aber kein einziges
Kriegslied, und ein Flor, aber ein hellgefaͤrbter,
bezieht und daͤmpft die Trommel des Erden-
Tobens.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/29>, abgerufen am 07.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.