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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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sah und auf jeder Staffel erstaunte und nach¬
dachte: so macht' es ihm das schlechteste Vergnü¬
gen von der Welt, diese Stimme auf der Gasse
zu einer andern sagen zu hören, ihre Fräulein --
denn es war die Puzjungfer -- komme erst näch¬
sten Freitag aus Elterlein zurück -- -- er spürte
ordentliches Sehnen, einmal in seinem Geburts¬
örtlein zu seyn, und aus der so heissen Stadt her¬
auszukommen.

Himmel, schlos er indes, wenn schon diese
Puzjungfer Karyatide der fernen Göttin so singt,
wie muß erst diese glänzen, sowohl im Gesang
als sonst! Er wurde unendlich begierig, einem
Wiederscheine der heiligen Nachbarschaft Winas
ins Gesicht zu sehen, überhaupt einer Person, de¬
ren göttlichen Geist der Töne er hinter ihr gehend
anbetete, kurz der Soubrette. Denn er glaubte
längst, eine erste Sängerin sei gewis nicht die lezte
Monatsheilige oder eine Sirene; und eine baby¬
lonische Hetäre behalte keine Stimme, gesezt sie
hätte eine besessen; eine Meinung, die gutmüthige
Weltleute mehr seiner Unbekanntschaft mit Bühne
und Welt zuschreiben sollten als seiner Dummheit.

ſah und auf jeder Staffel erſtaunte und nach¬
dachte: ſo macht' es ihm das ſchlechteſte Vergnuͤ¬
gen von der Welt, dieſe Stimme auf der Gaſſe
zu einer andern ſagen zu hoͤren, ihre Fraͤulein —
denn es war die Puzjungfer — komme erſt naͤch¬
ſten Freitag aus Elterlein zuruͤck — — er ſpuͤrte
ordentliches Sehnen, einmal in ſeinem Geburts¬
oͤrtlein zu ſeyn, und aus der ſo heiſſen Stadt her¬
auszukommen.

Himmel, ſchlos er indes, wenn ſchon dieſe
Puzjungfer Karyatide der fernen Goͤttin ſo ſingt,
wie muß erſt dieſe glaͤnzen, ſowohl im Geſang
als ſonſt! Er wurde unendlich begierig, einem
Wiederſcheine der heiligen Nachbarſchaft Winas
ins Geſicht zu ſehen, uͤberhaupt einer Perſon, de¬
ren goͤttlichen Geiſt der Toͤne er hinter ihr gehend
anbetete, kurz der Soubrette. Denn er glaubte
laͤngſt, eine erſte Saͤngerin ſei gewis nicht die lezte
Monatsheilige oder eine Sirene; und eine baby¬
loniſche Hetaͤre behalte keine Stimme, geſezt ſie
haͤtte eine beſeſſen; eine Meinung, die gutmuͤthige
Weltleute mehr ſeiner Unbekanntſchaft mit Buͤhne
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[19/0027] ſah und auf jeder Staffel erſtaunte und nach¬ dachte: ſo macht' es ihm das ſchlechteſte Vergnuͤ¬ gen von der Welt, dieſe Stimme auf der Gaſſe zu einer andern ſagen zu hoͤren, ihre Fraͤulein — denn es war die Puzjungfer — komme erſt naͤch¬ ſten Freitag aus Elterlein zuruͤck — — er ſpuͤrte ordentliches Sehnen, einmal in ſeinem Geburts¬ oͤrtlein zu ſeyn, und aus der ſo heiſſen Stadt her¬ auszukommen. Himmel, ſchlos er indes, wenn ſchon dieſe Puzjungfer Karyatide der fernen Goͤttin ſo ſingt, wie muß erſt dieſe glaͤnzen, ſowohl im Geſang als ſonſt! Er wurde unendlich begierig, einem Wiederſcheine der heiligen Nachbarſchaft Winas ins Geſicht zu ſehen, uͤberhaupt einer Perſon, de¬ ren goͤttlichen Geiſt der Toͤne er hinter ihr gehend anbetete, kurz der Soubrette. Denn er glaubte laͤngſt, eine erſte Saͤngerin ſei gewis nicht die lezte Monatsheilige oder eine Sirene; und eine baby¬ loniſche Hetaͤre behalte keine Stimme, geſezt ſie haͤtte eine beſeſſen; eine Meinung, die gutmuͤthige Weltleute mehr ſeiner Unbekanntſchaft mit Buͤhne und Welt zuſchreiben ſollten als ſeiner Dummheit.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/27>, abgerufen am 25.04.2024.