Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

Der dritte aber -- wo wieder nichts kam -- mach¬
te ihn, wie jeden Krieger die Zeit, so muthig und
so zum Mann am vierten, daß er in der That
sich sehnte nach Gefahr. Ganze Nächte mußte
jezt das fromme Mädgen vor seiner Seele stehen
-- er hatte dabei seinen ewigen Frühling blos
weil er einen Plan nach dem andern entwarf und
verwarf, wie er noch jezt, um die Folgen des
ofnen Briefs zu vergüten, etwan durch die Sanfte
für den Grafen wirken könnte. Es wollte ihm
aber nie etwas Bedeutendes einfallen.

Am 4. Tage hört' er unter dem Abschreiben
einer schönen erotischen Gestikulation im Briefe,
eine weibliche Singstimme, die, obwohl aus dem
dritten Zimmer, doch eben so gut aus dem dritten
Himmel kommen konnte. Er kopierte feurig wei¬
ter; aber eine Sonnenstadt nach der andern er¬
baueten in ihm diese Orpheus-Töne und die Fel¬
sen des Lebens tanzten nach ihnen. Er erinnerte
sich noch recht gut, was ihm Vult über Winas
Singen geschrieben. Als er darauf unter dem
Heimgehen dieselbe Stimme fortsingend vor sich
mit einer Schachtel unter dem Arm auf der Treppe

Der dritte aber — wo wieder nichts kam — mach¬
te ihn, wie jeden Krieger die Zeit, ſo muthig und
ſo zum Mann am vierten, daß er in der That
ſich ſehnte nach Gefahr. Ganze Naͤchte mußte
jezt das fromme Maͤdgen vor ſeiner Seele ſtehen
— er hatte dabei ſeinen ewigen Fruͤhling blos
weil er einen Plan nach dem andern entwarf und
verwarf, wie er noch jezt, um die Folgen des
ofnen Briefs zu verguͤten, etwan durch die Sanfte
fuͤr den Grafen wirken koͤnnte. Es wollte ihm
aber nie etwas Bedeutendes einfallen.

Am 4. Tage hoͤrt' er unter dem Abſchreiben
einer ſchoͤnen erotiſchen Geſtikulation im Briefe,
eine weibliche Singſtimme, die, obwohl aus dem
dritten Zimmer, doch eben ſo gut aus dem dritten
Himmel kommen konnte. Er kopierte feurig wei¬
ter; aber eine Sonnenſtadt nach der andern er¬
baueten in ihm dieſe Orpheus-Toͤne und die Fel¬
ſen des Lebens tanzten nach ihnen. Er erinnerte
ſich noch recht gut, was ihm Vult uͤber Winas
Singen geſchrieben. Als er darauf unter dem
Heimgehen dieſelbe Stimme fortſingend vor ſich
mit einer Schachtel unter dem Arm auf der Treppe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0026" n="18"/>
Der dritte aber &#x2014; wo wieder nichts kam &#x2014; mach¬<lb/>
te ihn, wie jeden Krieger die Zeit, &#x017F;o muthig und<lb/>
&#x017F;o zum Mann am vierten, daß er in der That<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;ehnte nach Gefahr. Ganze Na&#x0364;chte mußte<lb/>
jezt das fromme Ma&#x0364;dgen vor &#x017F;einer Seele &#x017F;tehen<lb/>
&#x2014; er hatte dabei &#x017F;einen ewigen Fru&#x0364;hling blos<lb/>
weil er einen Plan nach dem andern entwarf und<lb/>
verwarf, wie er noch jezt, um die Folgen des<lb/>
ofnen Briefs zu vergu&#x0364;ten, etwan durch die Sanfte<lb/>
fu&#x0364;r den Grafen wirken ko&#x0364;nnte. Es wollte ihm<lb/>
aber nie etwas Bedeutendes einfallen.</p><lb/>
        <p>Am 4. Tage ho&#x0364;rt' er unter dem Ab&#x017F;chreiben<lb/>
einer &#x017F;cho&#x0364;nen eroti&#x017F;chen Ge&#x017F;tikulation im Briefe,<lb/>
eine weibliche Sing&#x017F;timme, die, obwohl aus dem<lb/>
dritten Zimmer, doch eben &#x017F;o gut aus dem dritten<lb/>
Himmel kommen konnte. Er kopierte feurig wei¬<lb/>
ter; aber eine Sonnen&#x017F;tadt nach der andern er¬<lb/>
baueten in ihm die&#x017F;e Orpheus-To&#x0364;ne und die Fel¬<lb/>
&#x017F;en des Lebens tanzten nach ihnen. Er erinnerte<lb/>
&#x017F;ich noch recht gut, was ihm Vult u&#x0364;ber Winas<lb/>
Singen ge&#x017F;chrieben. Als er darauf unter dem<lb/>
Heimgehen die&#x017F;elbe Stimme fort&#x017F;ingend vor &#x017F;ich<lb/>
mit einer Schachtel unter dem Arm auf der Treppe<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0026] Der dritte aber — wo wieder nichts kam — mach¬ te ihn, wie jeden Krieger die Zeit, ſo muthig und ſo zum Mann am vierten, daß er in der That ſich ſehnte nach Gefahr. Ganze Naͤchte mußte jezt das fromme Maͤdgen vor ſeiner Seele ſtehen — er hatte dabei ſeinen ewigen Fruͤhling blos weil er einen Plan nach dem andern entwarf und verwarf, wie er noch jezt, um die Folgen des ofnen Briefs zu verguͤten, etwan durch die Sanfte fuͤr den Grafen wirken koͤnnte. Es wollte ihm aber nie etwas Bedeutendes einfallen. Am 4. Tage hoͤrt' er unter dem Abſchreiben einer ſchoͤnen erotiſchen Geſtikulation im Briefe, eine weibliche Singſtimme, die, obwohl aus dem dritten Zimmer, doch eben ſo gut aus dem dritten Himmel kommen konnte. Er kopierte feurig wei¬ ter; aber eine Sonnenſtadt nach der andern er¬ baueten in ihm dieſe Orpheus-Toͤne und die Fel¬ ſen des Lebens tanzten nach ihnen. Er erinnerte ſich noch recht gut, was ihm Vult uͤber Winas Singen geſchrieben. Als er darauf unter dem Heimgehen dieſelbe Stimme fortſingend vor ſich mit einer Schachtel unter dem Arm auf der Treppe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/26
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/26>, abgerufen am 19.04.2024.