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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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Aeusseres, durch den verworren-grimmigen Blik,
Schweden- und Igelkopf, gräulichen Backenbart
und durch die Aehnlichkeiten, die er mit so ge¬
nannten Grobianen gemein hat. Heimlich aber
ist er höflich, und er hat überhaupt seine Men¬
schen, die er venerirt. Ich mochte diesen Sehu¬
ster etwan 14 Tage, nachdem er sein Gymna¬
sium, als ein scheuer stiller leiser Mensch ver¬
lassen, der eben keinen besondern Zyklopen und
Enak versprach, 14 Tage darauf in Jena wie¬
der gefunden haben -- Himmel! wer stand vor mir?
Ein Fürst, ein Gigant, ein Flegel aber ein edler,
ein Atlas, der den Himmel trug, den er schuf,
sezend eine neue Welt, zersezend die alte! Und
doch hatt' er kaum zu hören angefangen, und
wuste eigentlich nichts Erhebliches; er war noch
ein ausgestrekt-liegender Hahn, über dessen Kopf
und Schnabel Schelling seine Gleicher-Linie mit
Kreide gezogen, und der unverrückt, ja verrückt,
darauf hinstart und nicht auf kann; aber eben
er war schon viel und mehr, das fühlt' er, als
er verstand und schien. Dies beweiset beiläufig,
daß es eben so gut im geistigen Reiche eine schnel¬

Aeuſſeres, durch den verworren-grimmigen Blik,
Schweden- und Igelkopf, graͤulichen Backenbart
und durch die Aehnlichkeiten, die er mit ſo ge¬
nannten Grobianen gemein hat. Heimlich aber
iſt er hoͤflich, und er hat uͤberhaupt ſeine Men¬
ſchen, die er venerirt. Ich mochte dieſen Sehu¬
ſter etwan 14 Tage, nachdem er ſein Gymna¬
ſium, als ein ſcheuer ſtiller leiſer Menſch ver¬
laſſen, der eben keinen beſondern Zyklopen und
Enak verſprach, 14 Tage darauf in Jena wie¬
der gefunden haben — Himmel! wer ſtand vor mir?
Ein Fuͤrſt, ein Gigant, ein Flegel aber ein edler,
ein Atlas, der den Himmel trug, den er ſchuf,
ſezend eine neue Welt, zerſezend die alte! Und
doch hatt' er kaum zu hoͤren angefangen, und
wuſte eigentlich nichts Erhebliches; er war noch
ein ausgeſtrekt-liegender Hahn, uͤber deſſen Kopf
und Schnabel Schelling ſeine Gleicher-Linie mit
Kreide gezogen, und der unverruͤckt, ja verruͤckt,
darauf hinſtart und nicht auf kann; aber eben
er war ſchon viel und mehr, das fuͤhlt' er, als
er verſtand und ſchien. Dies beweiſet beilaͤufig,
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[218/0226] Aeuſſeres, durch den verworren-grimmigen Blik, Schweden- und Igelkopf, graͤulichen Backenbart und durch die Aehnlichkeiten, die er mit ſo ge¬ nannten Grobianen gemein hat. Heimlich aber iſt er hoͤflich, und er hat uͤberhaupt ſeine Men¬ ſchen, die er venerirt. Ich mochte dieſen Sehu¬ ſter etwan 14 Tage, nachdem er ſein Gymna¬ ſium, als ein ſcheuer ſtiller leiſer Menſch ver¬ laſſen, der eben keinen beſondern Zyklopen und Enak verſprach, 14 Tage darauf in Jena wie¬ der gefunden haben — Himmel! wer ſtand vor mir? Ein Fuͤrſt, ein Gigant, ein Flegel aber ein edler, ein Atlas, der den Himmel trug, den er ſchuf, ſezend eine neue Welt, zerſezend die alte! Und doch hatt' er kaum zu hoͤren angefangen, und wuſte eigentlich nichts Erhebliches; er war noch ein ausgeſtrekt-liegender Hahn, uͤber deſſen Kopf und Schnabel Schelling ſeine Gleicher-Linie mit Kreide gezogen, und der unverruͤckt, ja verruͤckt, darauf hinſtart und nicht auf kann; aber eben er war ſchon viel und mehr, das fuͤhlt' er, als er verſtand und ſchien. Dies beweiſet beilaͤufig, daß es eben ſo gut im geiſtigen Reiche eine ſchnel¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/226>, abgerufen am 25.11.2024.