sagt' er, spät heraustretend, und den Strick- Faden wieder aufnehmend -- daß nichts so rüh¬ rend ist, als die Kleidungsstücke der lieben Kin¬ der, z.B. dieses -- so ihre Hütgen -- Schühgen? -- -- Das heisset freilich am En¬ de, warum lieben wir sie selber so sehr?" --
"Es wird vielleicht auch darum sein -- versezte Wina und hob die ruhigen vollen Au¬ gen zum Notar empor, der vor ihr stand -- weil sie unschuldige Engel auf der Erde sind, und doch schon viele Schmerzen leiden."
"Wahrhaftig, so ist es -- (betheuerte Walt, indem Wina, wie eine schöne stille Flamme glän¬ zend vor ihm aufstand, um ihr Mädgen herzu¬ klingeln) -- Und wie dürfen Erwachsene kla¬ gen? -- Ich will warlich das Sterben eines Kindes (sezt' er hinzu, und folgte ihr einige Schritte nach) ertragen, aber nicht sein Jam¬ mern; denn in jenem ist etwas so heilig-schau¬ erliches." Wina kehrte sich um und nikte.
Luzie kam; Wina fragte, ob der General ihr nichts aufgetragen. Luzie wuste von nichts, als daß sie ihn in den nahen Garten hinein spa¬
ſagt' er, ſpaͤt heraustretend, und den Strick- Faden wieder aufnehmend — daß nichts ſo ruͤh¬ rend iſt, als die Kleidungsſtuͤcke der lieben Kin¬ der, z.B. dieſes — ſo ihre Huͤtgen — Schuͤhgen? — — Das heiſſet freilich am En¬ de, warum lieben wir ſie ſelber ſo ſehr?“ —
„Es wird vielleicht auch darum ſein — verſezte Wina und hob die ruhigen vollen Au¬ gen zum Notar empor, der vor ihr ſtand — weil ſie unſchuldige Engel auf der Erde ſind, und doch ſchon viele Schmerzen leiden.“
„Wahrhaftig, ſo iſt es — (betheuerte Walt, indem Wina, wie eine ſchoͤne ſtille Flamme glaͤn¬ zend vor ihm aufſtand, um ihr Maͤdgen herzu¬ klingeln) — Und wie duͤrfen Erwachſene kla¬ gen? — Ich will warlich das Sterben eines Kindes (ſezt' er hinzu, und folgte ihr einige Schritte nach) ertragen, aber nicht ſein Jam¬ mern; denn in jenem iſt etwas ſo heilig-ſchau¬ erliches.“ Wina kehrte ſich um und nikte.
Luzie kam; Wina fragte, ob der General ihr nichts aufgetragen. Luzie wuſte von nichts, als daß ſie ihn in den nahen Garten hinein ſpa¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0192"n="184"/>ſagt' er, ſpaͤt heraustretend, und den Strick-<lb/>
Faden wieder aufnehmend — daß nichts ſo ruͤh¬<lb/>
rend iſt, als die Kleidungsſtuͤcke der lieben Kin¬<lb/>
der, z.B. dieſes —ſo ihre Huͤtgen —<lb/>
Schuͤhgen? —— Das heiſſet freilich am En¬<lb/>
de, warum lieben wir ſie ſelber ſo ſehr?“—</p><lb/><p>„Es wird vielleicht auch darum ſein —<lb/>
verſezte Wina und hob die ruhigen vollen Au¬<lb/>
gen zum Notar empor, der vor ihr ſtand —<lb/>
weil ſie unſchuldige Engel auf der Erde ſind,<lb/>
und doch ſchon viele Schmerzen leiden.“</p><lb/><p>„Wahrhaftig, ſo iſt es — (betheuerte Walt,<lb/>
indem Wina, wie eine ſchoͤne ſtille Flamme glaͤn¬<lb/>
zend vor ihm aufſtand, um ihr Maͤdgen herzu¬<lb/>
klingeln) — Und wie duͤrfen Erwachſene kla¬<lb/>
gen? — Ich will warlich das Sterben eines<lb/>
Kindes (ſezt' er hinzu, und folgte ihr einige<lb/>
Schritte nach) ertragen, aber nicht ſein Jam¬<lb/>
mern; denn in jenem iſt etwas ſo heilig-ſchau¬<lb/>
erliches.“ Wina kehrte ſich um und nikte.</p><lb/><p>Luzie kam; Wina fragte, ob der General<lb/>
ihr nichts aufgetragen. Luzie wuſte von nichts,<lb/>
als daß ſie ihn in den nahen Garten hinein ſpa¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[184/0192]
ſagt' er, ſpaͤt heraustretend, und den Strick-
Faden wieder aufnehmend — daß nichts ſo ruͤh¬
rend iſt, als die Kleidungsſtuͤcke der lieben Kin¬
der, z.B. dieſes — ſo ihre Huͤtgen —
Schuͤhgen? — — Das heiſſet freilich am En¬
de, warum lieben wir ſie ſelber ſo ſehr?“ —
„Es wird vielleicht auch darum ſein —
verſezte Wina und hob die ruhigen vollen Au¬
gen zum Notar empor, der vor ihr ſtand —
weil ſie unſchuldige Engel auf der Erde ſind,
und doch ſchon viele Schmerzen leiden.“
„Wahrhaftig, ſo iſt es — (betheuerte Walt,
indem Wina, wie eine ſchoͤne ſtille Flamme glaͤn¬
zend vor ihm aufſtand, um ihr Maͤdgen herzu¬
klingeln) — Und wie duͤrfen Erwachſene kla¬
gen? — Ich will warlich das Sterben eines
Kindes (ſezt' er hinzu, und folgte ihr einige
Schritte nach) ertragen, aber nicht ſein Jam¬
mern; denn in jenem iſt etwas ſo heilig-ſchau¬
erliches.“ Wina kehrte ſich um und nikte.
Luzie kam; Wina fragte, ob der General
ihr nichts aufgetragen. Luzie wuſte von nichts,
als daß ſie ihn in den nahen Garten hinein ſpa¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/192>, abgerufen am 31.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.