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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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tausend Wünschen zusah, es mög' ihr doch noch
besser ergehen, und himmlisch, und darauf noch
herrlicher.

Von weitem war's ihm, als wenn die Ro¬
sana flösse und die Fähre schifte, und die Wellen
rauschten, und als wenn die wagrecht einströ¬
mende Abend-Sonne Hunde und Menschen mit
Jugendfarben überzöge, und jeden Bettler und
Bettelstab vergoldete, desgleichen das Silber der
Jahre und Haare. Aber er gab nicht besonders
Acht darauf. Denn die Sonne schmückte Wina
mit betenden Entzückungen und die Rosen der
Wangen mit den Rosen des Himmels; -- und
die Fähre war ihm ein auf Tönen sich wiegen¬
der Sangboden des Lebens, ein durch Abendlicht
schiffendes Morgenland, ein Charons-Nachen,
der das Elysium trug zum Tartarus des Ufers.
Walt sah unkenntlich aus, fremd, überirdisch,
denn Winas Verklärung warf den Wiederschein
auf ihn.

Ein Krüppel wollte ihm in der Nähe etwas
von seiner Noth vorlegen, aber er faste nicht,
sondern hassete es, wenn ein Mensch an einem

tauſend Wuͤnſchen zuſah, es moͤg' ihr doch noch
beſſer ergehen, und himmliſch, und darauf noch
herrlicher.

Von weitem war's ihm, als wenn die Ro¬
ſana floͤſſe und die Faͤhre ſchifte, und die Wellen
rauſchten, und als wenn die wagrecht einſtroͤ¬
mende Abend-Sonne Hunde und Menſchen mit
Jugendfarben uͤberzoͤge, und jeden Bettler und
Bettelſtab vergoldete, desgleichen das Silber der
Jahre und Haare. Aber er gab nicht beſonders
Acht darauf. Denn die Sonne ſchmuͤckte Wina
mit betenden Entzuͤckungen und die Roſen der
Wangen mit den Roſen des Himmels; — und
die Faͤhre war ihm ein auf Toͤnen ſich wiegen¬
der Sangboden des Lebens, ein durch Abendlicht
ſchiffendes Morgenland, ein Charons-Nachen,
der das Elyſium trug zum Tartarus des Ufers.
Walt ſah unkenntlich aus, fremd, uͤberirdiſch,
denn Winas Verklaͤrung warf den Wiederſchein
auf ihn.

Ein Kruͤppel wollte ihm in der Naͤhe etwas
von ſeiner Noth vorlegen, aber er faſte nicht,
ſondern haſſete es, wenn ein Menſch an einem

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[163/0171] tauſend Wuͤnſchen zuſah, es moͤg' ihr doch noch beſſer ergehen, und himmliſch, und darauf noch herrlicher. Von weitem war's ihm, als wenn die Ro¬ ſana floͤſſe und die Faͤhre ſchifte, und die Wellen rauſchten, und als wenn die wagrecht einſtroͤ¬ mende Abend-Sonne Hunde und Menſchen mit Jugendfarben uͤberzoͤge, und jeden Bettler und Bettelſtab vergoldete, desgleichen das Silber der Jahre und Haare. Aber er gab nicht beſonders Acht darauf. Denn die Sonne ſchmuͤckte Wina mit betenden Entzuͤckungen und die Roſen der Wangen mit den Roſen des Himmels; — und die Faͤhre war ihm ein auf Toͤnen ſich wiegen¬ der Sangboden des Lebens, ein durch Abendlicht ſchiffendes Morgenland, ein Charons-Nachen, der das Elyſium trug zum Tartarus des Ufers. Walt ſah unkenntlich aus, fremd, uͤberirdiſch, denn Winas Verklaͤrung warf den Wiederſchein auf ihn. Ein Kruͤppel wollte ihm in der Naͤhe etwas von ſeiner Noth vorlegen, aber er faſte nicht, ſondern haſſete es, wenn ein Menſch an einem

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/171>, abgerufen am 05.05.2024.