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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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Sonnenglanz mit Rosenfeuer überschwemmte.
Sein Herz brannte sanft in seinem Himmel, wie
die Sonne in ihrem, und gieng seelig auf, und
seelig unter. Schon der leere Bekannte wär' ihm
auf unbekanntem Boden, wie ein Bruder erschie¬
nen; aber nun die still geliebte Gestalt -- sie
gab ihm einen Seelen-Augenblik, den kein
Traum der Phantasie weissagt.

Er stand an der Morgenseite des Kutschen¬
schlags und durfte allda ohne Bedenken, da auf
der Fähre alle Welt fest stehen muß, verharren,
und in einem fort hinein sehen, (er hatte sich ge¬
gen den Wagen umgekehrt) er schlug aber die
Augen oft nieder, aus Furcht, daß sie ihre her¬
um wende und von seinen gestöret werde, ob er
gleich wußte, daß sie, geblendet von der Sonne,
anfangs so viel sähe als nichts. Er vergaß, daß
sie ihn wahrscheinlich gar nie angesehen. Nach
der herrlichen Pracht-Sonne und nach den 5
Rosen-Inseln, sah er nicht hin, sondern genoß
und erschöpfte sie ganz dadurch, daß er der stil¬
len Jungfrau und dem stummen Abendtraume,
womit sie auf den goldnen Inseln ruhte, mit

Sonnenglanz mit Roſenfeuer uͤberſchwemmte.
Sein Herz brannte ſanft in ſeinem Himmel, wie
die Sonne in ihrem, und gieng ſeelig auf, und
ſeelig unter. Schon der leere Bekannte waͤr' ihm
auf unbekanntem Boden, wie ein Bruder erſchie¬
nen; aber nun die ſtill geliebte Geſtalt — ſie
gab ihm einen Seelen-Augenblik, den kein
Traum der Phantaſie weiſſagt.

Er ſtand an der Morgenſeite des Kutſchen¬
ſchlags und durfte allda ohne Bedenken, da auf
der Faͤhre alle Welt feſt ſtehen muß, verharren,
und in einem fort hinein ſehen, (er hatte ſich ge¬
gen den Wagen umgekehrt) er ſchlug aber die
Augen oft nieder, aus Furcht, daß ſie ihre her¬
um wende und von ſeinen geſtoͤret werde, ob er
gleich wußte, daß ſie, geblendet von der Sonne,
anfangs ſo viel ſaͤhe als nichts. Er vergaß, daß
ſie ihn wahrſcheinlich gar nie angeſehen. Nach
der herrlichen Pracht-Sonne und nach den 5
Roſen-Inſeln, ſah er nicht hin, ſondern genoß
und erſchoͤpfte ſie ganz dadurch, daß er der ſtil¬
len Jungfrau und dem ſtummen Abendtraume,
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[162/0170] Sonnenglanz mit Roſenfeuer uͤberſchwemmte. Sein Herz brannte ſanft in ſeinem Himmel, wie die Sonne in ihrem, und gieng ſeelig auf, und ſeelig unter. Schon der leere Bekannte waͤr' ihm auf unbekanntem Boden, wie ein Bruder erſchie¬ nen; aber nun die ſtill geliebte Geſtalt — ſie gab ihm einen Seelen-Augenblik, den kein Traum der Phantaſie weiſſagt. Er ſtand an der Morgenſeite des Kutſchen¬ ſchlags und durfte allda ohne Bedenken, da auf der Faͤhre alle Welt feſt ſtehen muß, verharren, und in einem fort hinein ſehen, (er hatte ſich ge¬ gen den Wagen umgekehrt) er ſchlug aber die Augen oft nieder, aus Furcht, daß ſie ihre her¬ um wende und von ſeinen geſtoͤret werde, ob er gleich wußte, daß ſie, geblendet von der Sonne, anfangs ſo viel ſaͤhe als nichts. Er vergaß, daß ſie ihn wahrſcheinlich gar nie angeſehen. Nach der herrlichen Pracht-Sonne und nach den 5 Roſen-Inſeln, ſah er nicht hin, ſondern genoß und erſchoͤpfte ſie ganz dadurch, daß er der ſtil¬ len Jungfrau und dem ſtummen Abendtraume, womit ſie auf den goldnen Inſeln ruhte, mit

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/170>, abgerufen am 05.05.2024.