solchen Abend nicht seelig war, wo sich die bis¬ her betrübte Jungfrau erheiterte, und sich die Sonne gleichsam wie eine liebe warme Schwester- Hand an das Herz drückte, das bisher oft in mancher kalten dunkeln Stunde schwer ge¬ schlagen.
"Hätt' er nur kein Ende, der Abend, wünschte Walt, und keine Breite, die Rosana, -- oder man beschifte wenigstens ihre Länge, fort und fort, bis man mit ihr ins Meer ver¬ schwämme, und darin untergienge mit der Sonne."
Eben war die Sonne über dem Strome untergegangen. Langsam wandte Wina das Au¬ ge ab und nach der Erde, es fiel zufällig auf den Notar. Er wollte einen Gruß voll Vereh¬ rungen spät in den Wagen werfen, aber die Fähre schoß heftig vom Ufer zurück, und zer¬ stieß das wenige, was er zusammen gebauet.
Der Wagen fuhr bedächtlich ans Land. Walt gab an 4 Groschen Fährgeld: "für wen noch?" fragten die Fährleute. "Für wer will" versezte Walt; darauf sprangen, ohne zu fragen und zu
ſolchen Abend nicht ſeelig war, wo ſich die bis¬ her betruͤbte Jungfrau erheiterte, und ſich die Sonne gleichſam wie eine liebe warme Schweſter- Hand an das Herz druͤckte, das bisher oft in mancher kalten dunkeln Stunde ſchwer ge¬ ſchlagen.
„Haͤtt' er nur kein Ende, der Abend, wuͤnſchte Walt, und keine Breite, die Roſana, — oder man beſchifte wenigſtens ihre Laͤnge, fort und fort, bis man mit ihr ins Meer ver¬ ſchwaͤmme, und darin untergienge mit der Sonne.“
Eben war die Sonne uͤber dem Strome untergegangen. Langſam wandte Wina das Au¬ ge ab und nach der Erde, es fiel zufaͤllig auf den Notar. Er wollte einen Gruß voll Vereh¬ rungen ſpaͤt in den Wagen werfen, aber die Faͤhre ſchoß heftig vom Ufer zuruͤck, und zer¬ ſtieß das wenige, was er zuſammen gebauet.
Der Wagen fuhr bedaͤchtlich ans Land. Walt gab an 4 Groſchen Faͤhrgeld: „fuͤr wen noch?“ fragten die Faͤhrleute. „Fuͤr wer will“ verſezte Walt; darauf ſprangen, ohne zu fragen und zu
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ſolchen Abend nicht ſeelig war, wo ſich die bis¬
her betruͤbte Jungfrau erheiterte, und ſich die
Sonne gleichſam wie eine liebe warme Schweſter-
Hand an das Herz druͤckte, das bisher oft
in mancher kalten dunkeln Stunde ſchwer ge¬
ſchlagen.
„Haͤtt' er nur kein Ende, der Abend,
wuͤnſchte Walt, und keine Breite, die Roſana,
— oder man beſchifte wenigſtens ihre Laͤnge, fort
und fort, bis man mit ihr ins Meer ver¬
ſchwaͤmme, und darin untergienge mit der
Sonne.“
Eben war die Sonne uͤber dem Strome
untergegangen. Langſam wandte Wina das Au¬
ge ab und nach der Erde, es fiel zufaͤllig auf
den Notar. Er wollte einen Gruß voll Vereh¬
rungen ſpaͤt in den Wagen werfen, aber die
Faͤhre ſchoß heftig vom Ufer zuruͤck, und zer¬
ſtieß das wenige, was er zuſammen gebauet.
Der Wagen fuhr bedaͤchtlich ans Land. Walt
gab an 4 Groſchen Faͤhrgeld: „fuͤr wen noch?“
fragten die Faͤhrleute. „Fuͤr wer will“ verſezte
Walt; darauf ſprangen, ohne zu fragen und zu
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/172>, abgerufen am 07.07.2024.
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