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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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gen die hohen Tannen nur spielend. Der flie¬
gende Landschaftsmaler, sah er, sezte sich auf
die Hügel und schien, nach seiner Richtung zu
schliessen, die verdeckte Stadt Rosenhof auf sein
Zeichenpapier heraufzutragen. Gott, dachte
Walt, nun begreif' ich's einigermaßen, wie die
Stadt liegen mag, wie göttlich und himmlisch,
wenn der Landschafts-Maler von Bedeutung
sich davor sezt, und nur sie abreisset, indeß er
hinter seinem Rücken eine Landschaft weiß, die
einen Fremdling, der jene nicht kennt, ordent¬
lich mit Abend-Glanz und Ansicht überhäuft.

Als er oben vor die Aussicht kam, stand
er neben dem Stand- und Sizpunkte des Ma¬
lers still, und rief nach dem ersten Blick auf die
Landschaft aus: "Ja, das ist des Malens¬
werth." "Ich zeichne blos" sagte der gebückte
Mahler, ohne aufzublicken. Walt blieb stehen,
und sein Auge schweifte von dem breiten Rosana-
Strome zu seinen Füssen, aufwärts zur Stadt
am Ufer und Gebürg, und stieg auf die waldi¬
gen zwei Felsen-Gipfel über der Stadt, und
fiel auf die Fähre, die voll Menschen und Wa¬

gen die hohen Tannen nur ſpielend. Der flie¬
gende Landſchaftsmaler, ſah er, ſezte ſich auf
die Huͤgel und ſchien, nach ſeiner Richtung zu
ſchlieſſen, die verdeckte Stadt Roſenhof auf ſein
Zeichenpapier heraufzutragen. Gott, dachte
Walt, nun begreif' ich's einigermaßen, wie die
Stadt liegen mag, wie goͤttlich und himmliſch,
wenn der Landſchafts-Maler von Bedeutung
ſich davor ſezt, und nur ſie abreiſſet, indeß er
hinter ſeinem Ruͤcken eine Landſchaft weiß, die
einen Fremdling, der jene nicht kennt, ordent¬
lich mit Abend-Glanz und Anſicht uͤberhaͤuft.

Als er oben vor die Ausſicht kam, ſtand
er neben dem Stand- und Sizpunkte des Ma¬
lers ſtill, und rief nach dem erſten Blick auf die
Landſchaft aus: „Ja, das iſt des Malens¬
werth.“ „Ich zeichne blos“ ſagte der gebuͤckte
Mahler, ohne aufzublicken. Walt blieb ſtehen,
und ſein Auge ſchweifte von dem breiten Roſana-
Strome zu ſeinen Fuͤſſen, aufwaͤrts zur Stadt
am Ufer und Gebuͤrg, und ſtieg auf die waldi¬
gen zwei Felſen-Gipfel uͤber der Stadt, und
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[159/0167] gen die hohen Tannen nur ſpielend. Der flie¬ gende Landſchaftsmaler, ſah er, ſezte ſich auf die Huͤgel und ſchien, nach ſeiner Richtung zu ſchlieſſen, die verdeckte Stadt Roſenhof auf ſein Zeichenpapier heraufzutragen. Gott, dachte Walt, nun begreif' ich's einigermaßen, wie die Stadt liegen mag, wie goͤttlich und himmliſch, wenn der Landſchafts-Maler von Bedeutung ſich davor ſezt, und nur ſie abreiſſet, indeß er hinter ſeinem Ruͤcken eine Landſchaft weiß, die einen Fremdling, der jene nicht kennt, ordent¬ lich mit Abend-Glanz und Anſicht uͤberhaͤuft. Als er oben vor die Ausſicht kam, ſtand er neben dem Stand- und Sizpunkte des Ma¬ lers ſtill, und rief nach dem erſten Blick auf die Landſchaft aus: „Ja, das iſt des Malens¬ werth.“ „Ich zeichne blos“ ſagte der gebuͤckte Mahler, ohne aufzublicken. Walt blieb ſtehen, und ſein Auge ſchweifte von dem breiten Roſana- Strome zu ſeinen Fuͤſſen, aufwaͤrts zur Stadt am Ufer und Gebuͤrg, und ſtieg auf die waldi¬ gen zwei Felſen-Gipfel uͤber der Stadt, und fiel auf die Faͤhre, die voll Menſchen und Wa¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/167>, abgerufen am 05.05.2024.