gen die hohen Tannen nur spielend. Der flie¬ gende Landschaftsmaler, sah er, sezte sich auf die Hügel und schien, nach seiner Richtung zu schliessen, die verdeckte Stadt Rosenhof auf sein Zeichenpapier heraufzutragen. Gott, dachte Walt, nun begreif' ich's einigermaßen, wie die Stadt liegen mag, wie göttlich und himmlisch, wenn der Landschafts-Maler von Bedeutung sich davor sezt, und nur sie abreisset, indeß er hinter seinem Rücken eine Landschaft weiß, die einen Fremdling, der jene nicht kennt, ordent¬ lich mit Abend-Glanz und Ansicht überhäuft.
Als er oben vor die Aussicht kam, stand er neben dem Stand- und Sizpunkte des Ma¬ lers still, und rief nach dem ersten Blick auf die Landschaft aus: "Ja, das ist des Malens¬ werth." "Ich zeichne blos" sagte der gebückte Mahler, ohne aufzublicken. Walt blieb stehen, und sein Auge schweifte von dem breiten Rosana- Strome zu seinen Füssen, aufwärts zur Stadt am Ufer und Gebürg, und stieg auf die waldi¬ gen zwei Felsen-Gipfel über der Stadt, und fiel auf die Fähre, die voll Menschen und Wa¬
gen die hohen Tannen nur ſpielend. Der flie¬ gende Landſchaftsmaler, ſah er, ſezte ſich auf die Huͤgel und ſchien, nach ſeiner Richtung zu ſchlieſſen, die verdeckte Stadt Roſenhof auf ſein Zeichenpapier heraufzutragen. Gott, dachte Walt, nun begreif' ich's einigermaßen, wie die Stadt liegen mag, wie goͤttlich und himmliſch, wenn der Landſchafts-Maler von Bedeutung ſich davor ſezt, und nur ſie abreiſſet, indeß er hinter ſeinem Ruͤcken eine Landſchaft weiß, die einen Fremdling, der jene nicht kennt, ordent¬ lich mit Abend-Glanz und Anſicht uͤberhaͤuft.
Als er oben vor die Ausſicht kam, ſtand er neben dem Stand- und Sizpunkte des Ma¬ lers ſtill, und rief nach dem erſten Blick auf die Landſchaft aus: „Ja, das iſt des Malens¬ werth.“ „Ich zeichne blos“ ſagte der gebuͤckte Mahler, ohne aufzublicken. Walt blieb ſtehen, und ſein Auge ſchweifte von dem breiten Roſana- Strome zu ſeinen Fuͤſſen, aufwaͤrts zur Stadt am Ufer und Gebuͤrg, und ſtieg auf die waldi¬ gen zwei Felſen-Gipfel uͤber der Stadt, und fiel auf die Faͤhre, die voll Menſchen und Wa¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0167"n="159"/>
gen die hohen Tannen nur ſpielend. Der flie¬<lb/>
gende Landſchaftsmaler, ſah er, ſezte ſich auf<lb/>
die Huͤgel und ſchien, nach ſeiner Richtung zu<lb/>ſchlieſſen, die verdeckte Stadt Roſenhof auf ſein<lb/>
Zeichenpapier heraufzutragen. Gott, dachte<lb/>
Walt, nun begreif' ich's einigermaßen, wie die<lb/>
Stadt liegen mag, wie goͤttlich und himmliſch,<lb/>
wenn der Landſchafts-Maler von Bedeutung<lb/>ſich davor ſezt, und nur ſie abreiſſet, indeß er<lb/>
hinter ſeinem Ruͤcken eine Landſchaft weiß, die<lb/>
einen Fremdling, der jene nicht kennt, ordent¬<lb/>
lich mit Abend-Glanz und Anſicht uͤberhaͤuft.</p><lb/><p>Als er oben vor die Ausſicht kam, ſtand<lb/>
er neben dem Stand- und Sizpunkte des Ma¬<lb/>
lers ſtill, und rief nach dem erſten Blick auf die<lb/>
Landſchaft aus: „Ja, das iſt des Malens¬<lb/>
werth.“„Ich zeichne blos“ſagte der gebuͤckte<lb/>
Mahler, ohne aufzublicken. Walt blieb ſtehen,<lb/>
und ſein Auge ſchweifte von dem breiten Roſana-<lb/>
Strome zu ſeinen Fuͤſſen, aufwaͤrts zur Stadt<lb/>
am Ufer und Gebuͤrg, und ſtieg auf die waldi¬<lb/>
gen zwei Felſen-Gipfel uͤber der Stadt, und<lb/>
fiel auf die Faͤhre, die voll Menſchen und Wa¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[159/0167]
gen die hohen Tannen nur ſpielend. Der flie¬
gende Landſchaftsmaler, ſah er, ſezte ſich auf
die Huͤgel und ſchien, nach ſeiner Richtung zu
ſchlieſſen, die verdeckte Stadt Roſenhof auf ſein
Zeichenpapier heraufzutragen. Gott, dachte
Walt, nun begreif' ich's einigermaßen, wie die
Stadt liegen mag, wie goͤttlich und himmliſch,
wenn der Landſchafts-Maler von Bedeutung
ſich davor ſezt, und nur ſie abreiſſet, indeß er
hinter ſeinem Ruͤcken eine Landſchaft weiß, die
einen Fremdling, der jene nicht kennt, ordent¬
lich mit Abend-Glanz und Anſicht uͤberhaͤuft.
Als er oben vor die Ausſicht kam, ſtand
er neben dem Stand- und Sizpunkte des Ma¬
lers ſtill, und rief nach dem erſten Blick auf die
Landſchaft aus: „Ja, das iſt des Malens¬
werth.“ „Ich zeichne blos“ ſagte der gebuͤckte
Mahler, ohne aufzublicken. Walt blieb ſtehen,
und ſein Auge ſchweifte von dem breiten Roſana-
Strome zu ſeinen Fuͤſſen, aufwaͤrts zur Stadt
am Ufer und Gebuͤrg, und ſtieg auf die waldi¬
gen zwei Felſen-Gipfel uͤber der Stadt, und
fiel auf die Faͤhre, die voll Menſchen und Wa¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/167>, abgerufen am 31.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.