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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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seinem Beine, wie von einer Spindel abwaifen
mußte. Da sie sich nun bükte, und er sich bük¬
te, und ihre Postpapierhaut sich davon roth be¬
schlug -- denn ihr schlechter Gesundheitspaß wur¬
de ausser und auf der Bühne mit rother Dinte kor¬
rigirt -- und er die Röthe mit Gluth erwiederte;
und da beide sich einander so nahe kamen und in
den unordentlichsten Zwiespalt der Rede: so war
durch diese thätige Gruppirung mehr abgethan
und gethan für Bekanntschaft, als wenn er drei
Monate lang gesessen und auf ein Präludium und
Antrittsprogramm gesonnen hätte. -- Er war am
Ariadnens Faden des Knäuls durch das Labyrinth
des Rede-Introitus schon durch, so daß er im
Hellen fragen konnte: was sind Ihre Hauptrol¬
len?" -- "Ich spiele die unschuldigen und nai¬
ven sämtlich", versezte sie, und der Augenschein
schien das Spielen zu bestätigen.

Um ihr rechte Freude zu machen, gieng er,
so tief er konnte, in's Rollen-Wesen ein, und
sprach der stummen Nähterin feurig vor. "Sie
reden ja so langweilig, wie der Theaterdichter --
sagte sie -- oder Sie sind wohl einer. Dero wer¬

ſeinem Beine, wie von einer Spindel abwaifen
mußte. Da ſie ſich nun buͤkte, und er ſich buͤk¬
te, und ihre Poſtpapierhaut ſich davon roth be¬
ſchlug — denn ihr ſchlechter Geſundheitspaß wur¬
de auſſer und auf der Buͤhne mit rother Dinte kor¬
rigirt — und er die Roͤthe mit Gluth erwiederte;
und da beide ſich einander ſo nahe kamen und in
den unordentlichſten Zwieſpalt der Rede: ſo war
durch dieſe thaͤtige Gruppirung mehr abgethan
und gethan fuͤr Bekanntſchaft, als wenn er drei
Monate lang geſeſſen und auf ein Praͤludium und
Antrittſprogramm geſonnen haͤtte. — Er war am
Ariadnens Faden des Knaͤuls durch das Labyrinth
des Rede-Introitus ſchon durch, ſo daß er im
Hellen fragen konnte: was ſind Ihre Hauptrol¬
len?“ — „Ich ſpiele die unſchuldigen und nai¬
ven ſaͤmtlich“, verſezte ſie, und der Augenſchein
ſchien das Spielen zu beſtaͤtigen.

Um ihr rechte Freude zu machen, gieng er,
ſo tief er konnte, in's Rollen-Weſen ein, und
ſprach der ſtummen Naͤhterin feurig vor. „Sie
reden ja ſo langweilig, wie der Theaterdichter —
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[147/0155] ſeinem Beine, wie von einer Spindel abwaifen mußte. Da ſie ſich nun buͤkte, und er ſich buͤk¬ te, und ihre Poſtpapierhaut ſich davon roth be¬ ſchlug — denn ihr ſchlechter Geſundheitspaß wur¬ de auſſer und auf der Buͤhne mit rother Dinte kor¬ rigirt — und er die Roͤthe mit Gluth erwiederte; und da beide ſich einander ſo nahe kamen und in den unordentlichſten Zwieſpalt der Rede: ſo war durch dieſe thaͤtige Gruppirung mehr abgethan und gethan fuͤr Bekanntſchaft, als wenn er drei Monate lang geſeſſen und auf ein Praͤludium und Antrittſprogramm geſonnen haͤtte. — Er war am Ariadnens Faden des Knaͤuls durch das Labyrinth des Rede-Introitus ſchon durch, ſo daß er im Hellen fragen konnte: was ſind Ihre Hauptrol¬ len?“ — „Ich ſpiele die unſchuldigen und nai¬ ven ſaͤmtlich“, verſezte ſie, und der Augenſchein ſchien das Spielen zu beſtaͤtigen. Um ihr rechte Freude zu machen, gieng er, ſo tief er konnte, in's Rollen-Weſen ein, und ſprach der ſtummen Naͤhterin feurig vor. „Sie reden ja ſo langweilig, wie der Theaterdichter — ſagte ſie — oder Sie ſind wohl einer. Dero wer¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/155>, abgerufen am 24.11.2024.