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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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nur langsam zieht, und die Sonne gar wie ein
Gott steht und blikt. Ach in jedem Herbst fallen
auch dem Menschen Blätter ab, nur nicht alle.

Er sah eine abgefressene Wiese aber violet
von ausgeschlossenen giftigen Herbstblumen. Auf
ihr lärmten Zugvögel, die mit einander den Plan
zu ihrer Nachtreise zu bereden schienen. Auf der
Landstrasse fuhr ein rasselnder Wagen hin, unter
den Hinterrädern boll ein Hund. Am fernen
Berg-Abhange schritt eine weibliche weisse Ge¬
stalt kaum merkbar hinter ihrem dunkelbraunen
Manne, um in irgend einem unbekannten Dörf¬
gen ein Glas und eine Tasse zu geniessen, und
dazu vor- und nachher so viel von schöner Natur,
als unterwegs gewöhnlich vorkommt. In der
Nähe trippelten zwei weißgepuzte Mädgen von
Stande, mit Blumen und Schnupfäuchern in
den Händen durch die grünen Saaten-Furchen,
und die gelben Schauls flatterten zurück.

Er gieng vor einem bis an die Himmelswa¬
gen hinauf gethürmten sogenannten Brautwagen
vorbei, worauf alle die Wachsflügel, Flügel¬
decken, Glasfedern, und der Federstaub einer¬

nur langſam zieht, und die Sonne gar wie ein
Gott ſteht und blikt. Ach in jedem Herbſt fallen
auch dem Menſchen Blaͤtter ab, nur nicht alle.

Er ſah eine abgefreſſene Wieſe aber violet
von ausgeſchloſſenen giftigen Herbſtblumen. Auf
ihr laͤrmten Zugvoͤgel, die mit einander den Plan
zu ihrer Nachtreiſe zu bereden ſchienen. Auf der
Landſtraſſe fuhr ein raſſelnder Wagen hin, unter
den Hinterraͤdern boll ein Hund. Am fernen
Berg-Abhange ſchritt eine weibliche weiſſe Ge¬
ſtalt kaum merkbar hinter ihrem dunkelbraunen
Manne, um in irgend einem unbekannten Doͤrf¬
gen ein Glas und eine Taſſe zu genieſſen, und
dazu vor- und nachher ſo viel von ſchoͤner Natur,
als unterwegs gewoͤhnlich vorkommt. In der
Naͤhe trippelten zwei weißgepuzte Maͤdgen von
Stande, mit Blumen und Schnupfaͤuchern in
den Haͤnden durch die gruͤnen Saaten-Furchen,
und die gelben Schauls flatterten zuruͤck.

Er gieng vor einem bis an die Himmelswa¬
gen hinauf gethuͤrmten ſogenannten Brautwagen
vorbei, worauf alle die Wachsfluͤgel, Fluͤgel¬
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[108/0116] nur langſam zieht, und die Sonne gar wie ein Gott ſteht und blikt. Ach in jedem Herbſt fallen auch dem Menſchen Blaͤtter ab, nur nicht alle. Er ſah eine abgefreſſene Wieſe aber violet von ausgeſchloſſenen giftigen Herbſtblumen. Auf ihr laͤrmten Zugvoͤgel, die mit einander den Plan zu ihrer Nachtreiſe zu bereden ſchienen. Auf der Landſtraſſe fuhr ein raſſelnder Wagen hin, unter den Hinterraͤdern boll ein Hund. Am fernen Berg-Abhange ſchritt eine weibliche weiſſe Ge¬ ſtalt kaum merkbar hinter ihrem dunkelbraunen Manne, um in irgend einem unbekannten Doͤrf¬ gen ein Glas und eine Taſſe zu genieſſen, und dazu vor- und nachher ſo viel von ſchoͤner Natur, als unterwegs gewoͤhnlich vorkommt. In der Naͤhe trippelten zwei weißgepuzte Maͤdgen von Stande, mit Blumen und Schnupfaͤuchern in den Haͤnden durch die gruͤnen Saaten-Furchen, und die gelben Schauls flatterten zuruͤck. Er gieng vor einem bis an die Himmelswa¬ gen hinauf gethuͤrmten ſogenannten Brautwagen vorbei, worauf alle die Wachsfluͤgel, Fluͤgel¬ decken, Glasfedern, und der Federſtaub einer¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/116>, abgerufen am 04.05.2024.