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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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rungen der Flöte aus, da sie doch sehr der Har¬
monika gleicht?" fragte sie. Wer so gut sänge,
sagte ich, als sie, würde am besten wissen, daß
die Kunst sich vom persönlichen Antheil rein hal¬
ten lerne. Soviel hätt' ich sagen sollen, nur
nicht mehr; aber ich kann das nie: "ein Virtuo¬
se, fügt' ich bei, muß im Stande sein, wäh¬
rend er aussen pfeift, innen Brezeln feil zu halten,
ungleich den Brezel-Jungen, die beides von
aussen thun. Rührung kann wohl aus Bewe¬
gungen entstehen, aber nicht Kunst, wie be¬
wegte Milch Butter giebt, aber nur stehende
Käse."

Sie schwieg sehr betroffen als wäre sie Du --
nahm einige Dornenreiser weg, die mich Dor¬
nenstrauch stechen konnten -- und sie dauerte
mich halb, zumal als ich sehr ihrem zu häufi¬
gen Augenlieder-Nicken zusah, das ihr lieblich
lässet, ohne daß ich recht weiß warum.

Sie sagte, sie gehe, um mir aus dem
Schlosse einen Führer zu hohlen, und gieng fort.
Ich stand auf und sagte, es brauch' es nicht.
Da sie mich forttappen sah, kehrte sie lieber um

rungen der Floͤte aus, da ſie doch ſehr der Har¬
monika gleicht?“ fragte ſie. Wer ſo gut ſaͤnge,
ſagte ich, als ſie, wuͤrde am beſten wiſſen, daß
die Kunſt ſich vom perſoͤnlichen Antheil rein hal¬
ten lerne. Soviel haͤtt' ich ſagen ſollen, nur
nicht mehr; aber ich kann das nie: „ein Virtuo¬
ſe, fuͤgt' ich bei, muß im Stande ſein, waͤh¬
rend er auſſen pfeift, innen Brezeln feil zu halten,
ungleich den Brezel-Jungen, die beides von
auſſen thun. Ruͤhrung kann wohl aus Bewe¬
gungen entſtehen, aber nicht Kunſt, wie be¬
wegte Milch Butter giebt, aber nur ſtehende
Kaͤſe.“

Sie ſchwieg ſehr betroffen als waͤre ſie Du —
nahm einige Dornenreiſer weg, die mich Dor¬
nenſtrauch ſtechen konnten — und ſie dauerte
mich halb, zumal als ich ſehr ihrem zu haͤufi¬
gen Augenlieder-Nicken zuſah, das ihr lieblich
laͤſſet, ohne daß ich recht weiß warum.

Sie ſagte, ſie gehe, um mir aus dem
Schloſſe einen Fuͤhrer zu hohlen, und gieng fort.
Ich ſtand auf und ſagte, es brauch' es nicht.
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[174/0182] rungen der Floͤte aus, da ſie doch ſehr der Har¬ monika gleicht?“ fragte ſie. Wer ſo gut ſaͤnge, ſagte ich, als ſie, wuͤrde am beſten wiſſen, daß die Kunſt ſich vom perſoͤnlichen Antheil rein hal¬ ten lerne. Soviel haͤtt' ich ſagen ſollen, nur nicht mehr; aber ich kann das nie: „ein Virtuo¬ ſe, fuͤgt' ich bei, muß im Stande ſein, waͤh¬ rend er auſſen pfeift, innen Brezeln feil zu halten, ungleich den Brezel-Jungen, die beides von auſſen thun. Ruͤhrung kann wohl aus Bewe¬ gungen entſtehen, aber nicht Kunſt, wie be¬ wegte Milch Butter giebt, aber nur ſtehende Kaͤſe.“ Sie ſchwieg ſehr betroffen als waͤre ſie Du — nahm einige Dornenreiſer weg, die mich Dor¬ nenſtrauch ſtechen konnten — und ſie dauerte mich halb, zumal als ich ſehr ihrem zu haͤufi¬ gen Augenlieder-Nicken zuſah, das ihr lieblich laͤſſet, ohne daß ich recht weiß warum. Sie ſagte, ſie gehe, um mir aus dem Schloſſe einen Fuͤhrer zu hohlen, und gieng fort. Ich ſtand auf und ſagte, es brauch' es nicht. Da ſie mich forttappen ſah, kehrte ſie lieber um

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/182>, abgerufen am 25.11.2024.