Kenn' ich denn nicht mehr als einen abgeschab¬ ten Ehemann -- gelb geworden gerade dadurch, wodurch gelbes Elfenbein weiß wird, durch langes Tragen an warmer Brust -- der sogleich die Far¬ ben änderte, wenn die Frau sang, ich meine, wenn das welsche Lüftgen aus warmer alter Ver¬ gangenheit närrisch und thauend des Polar-Eis seiner Ehe anwehte? --
Fast als schäme sich Wina, neben einem Blinden allein zu sehen, gab sie wenig auf die Himmelfahrt der Sonne acht. Sie hörte auf zu singen, sagte ohne Umstände, wer vor mir stehe und fragte, wer mich geführet habe. Ich konn¬ te sie unmöglich mit dem Geständniß guter Au¬ gen beschämen, doch versezt' ich, es habe sich um vieles gebessert, ich sähe die Sonne gut und nur Nachts steh' es mit dem Sehen schlecht. Um einen Handlanger meiner Augen zu erwarten, fing sie ein langes Lob meiner Flöte an, der man in gröster Nähe, sagte sie, nicht den Athem anhöre, und erhob die Töne überhaupt als die zweiten Himmels-Sterne des Lebens. "Wie hält aber das Gefühl die immerwährenden Rüh¬
Kenn' ich denn nicht mehr als einen abgeſchab¬ ten Ehemann — gelb geworden gerade dadurch, wodurch gelbes Elfenbein weiß wird, durch langes Tragen an warmer Bruſt — der ſogleich die Far¬ ben aͤnderte, wenn die Frau ſang, ich meine, wenn das welſche Luͤftgen aus warmer alter Ver¬ gangenheit naͤrriſch und thauend des Polar-Eis ſeiner Ehe anwehte? —
Faſt als ſchaͤme ſich Wina, neben einem Blinden allein zu ſehen, gab ſie wenig auf die Himmelfahrt der Sonne acht. Sie hoͤrte auf zu ſingen, ſagte ohne Umſtaͤnde, wer vor mir ſtehe und fragte, wer mich gefuͤhret habe. Ich konn¬ te ſie unmoͤglich mit dem Geſtaͤndniß guter Au¬ gen beſchaͤmen, doch verſezt' ich, es habe ſich um vieles gebeſſert, ich ſaͤhe die Sonne gut und nur Nachts ſteh' es mit dem Sehen ſchlecht. Um einen Handlanger meiner Augen zu erwarten, fing ſie ein langes Lob meiner Floͤte an, der man in groͤſter Naͤhe, ſagte ſie, nicht den Athem anhoͤre, und erhob die Toͤne uͤberhaupt als die zweiten Himmels-Sterne des Lebens. „Wie haͤlt aber das Gefuͤhl die immerwaͤhrenden Ruͤh¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0181"n="173"/>
Kenn' ich denn nicht mehr als einen abgeſchab¬<lb/>
ten Ehemann — gelb geworden gerade dadurch,<lb/>
wodurch gelbes Elfenbein weiß wird, durch langes<lb/>
Tragen an warmer Bruſt — der ſogleich die Far¬<lb/>
ben aͤnderte, wenn die Frau ſang, ich meine,<lb/>
wenn das welſche Luͤftgen aus warmer alter Ver¬<lb/>
gangenheit naͤrriſch und thauend des Polar-Eis<lb/>ſeiner Ehe anwehte? —</p><lb/><p>Faſt als ſchaͤme ſich Wina, neben einem<lb/>
Blinden allein zu ſehen, gab ſie wenig auf die<lb/>
Himmelfahrt der Sonne acht. Sie hoͤrte auf zu<lb/>ſingen, ſagte ohne Umſtaͤnde, wer vor mir ſtehe<lb/>
und fragte, wer mich gefuͤhret habe. Ich konn¬<lb/>
te ſie unmoͤglich mit dem Geſtaͤndniß guter Au¬<lb/>
gen beſchaͤmen, doch verſezt' ich, es habe ſich<lb/>
um vieles gebeſſert, ich ſaͤhe die Sonne gut und<lb/>
nur Nachts ſteh' es mit dem Sehen ſchlecht. Um<lb/>
einen Handlanger meiner Augen zu erwarten,<lb/>
fing ſie ein langes Lob meiner Floͤte an, der<lb/>
man in groͤſter Naͤhe, ſagte ſie, nicht den Athem<lb/>
anhoͤre, und erhob die Toͤne uͤberhaupt als die<lb/>
zweiten Himmels-Sterne des Lebens. „Wie<lb/>
haͤlt aber das Gefuͤhl die immerwaͤhrenden Ruͤh¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[173/0181]
Kenn' ich denn nicht mehr als einen abgeſchab¬
ten Ehemann — gelb geworden gerade dadurch,
wodurch gelbes Elfenbein weiß wird, durch langes
Tragen an warmer Bruſt — der ſogleich die Far¬
ben aͤnderte, wenn die Frau ſang, ich meine,
wenn das welſche Luͤftgen aus warmer alter Ver¬
gangenheit naͤrriſch und thauend des Polar-Eis
ſeiner Ehe anwehte? —
Faſt als ſchaͤme ſich Wina, neben einem
Blinden allein zu ſehen, gab ſie wenig auf die
Himmelfahrt der Sonne acht. Sie hoͤrte auf zu
ſingen, ſagte ohne Umſtaͤnde, wer vor mir ſtehe
und fragte, wer mich gefuͤhret habe. Ich konn¬
te ſie unmoͤglich mit dem Geſtaͤndniß guter Au¬
gen beſchaͤmen, doch verſezt' ich, es habe ſich
um vieles gebeſſert, ich ſaͤhe die Sonne gut und
nur Nachts ſteh' es mit dem Sehen ſchlecht. Um
einen Handlanger meiner Augen zu erwarten,
fing ſie ein langes Lob meiner Floͤte an, der
man in groͤſter Naͤhe, ſagte ſie, nicht den Athem
anhoͤre, und erhob die Toͤne uͤberhaupt als die
zweiten Himmels-Sterne des Lebens. „Wie
haͤlt aber das Gefuͤhl die immerwaͤhrenden Ruͤh¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/181>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.