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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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Kenn' ich denn nicht mehr als einen abgeschab¬
ten Ehemann -- gelb geworden gerade dadurch,
wodurch gelbes Elfenbein weiß wird, durch langes
Tragen an warmer Brust -- der sogleich die Far¬
ben änderte, wenn die Frau sang, ich meine,
wenn das welsche Lüftgen aus warmer alter Ver¬
gangenheit närrisch und thauend des Polar-Eis
seiner Ehe anwehte? --

Fast als schäme sich Wina, neben einem
Blinden allein zu sehen, gab sie wenig auf die
Himmelfahrt der Sonne acht. Sie hörte auf zu
singen, sagte ohne Umstände, wer vor mir stehe
und fragte, wer mich geführet habe. Ich konn¬
te sie unmöglich mit dem Geständniß guter Au¬
gen beschämen, doch versezt' ich, es habe sich
um vieles gebessert, ich sähe die Sonne gut und
nur Nachts steh' es mit dem Sehen schlecht. Um
einen Handlanger meiner Augen zu erwarten,
fing sie ein langes Lob meiner Flöte an, der
man in gröster Nähe, sagte sie, nicht den Athem
anhöre, und erhob die Töne überhaupt als die
zweiten Himmels-Sterne des Lebens. "Wie
hält aber das Gefühl die immerwährenden Rüh¬

Kenn' ich denn nicht mehr als einen abgeſchab¬
ten Ehemann — gelb geworden gerade dadurch,
wodurch gelbes Elfenbein weiß wird, durch langes
Tragen an warmer Bruſt — der ſogleich die Far¬
ben aͤnderte, wenn die Frau ſang, ich meine,
wenn das welſche Luͤftgen aus warmer alter Ver¬
gangenheit naͤrriſch und thauend des Polar-Eis
ſeiner Ehe anwehte? —

Faſt als ſchaͤme ſich Wina, neben einem
Blinden allein zu ſehen, gab ſie wenig auf die
Himmelfahrt der Sonne acht. Sie hoͤrte auf zu
ſingen, ſagte ohne Umſtaͤnde, wer vor mir ſtehe
und fragte, wer mich gefuͤhret habe. Ich konn¬
te ſie unmoͤglich mit dem Geſtaͤndniß guter Au¬
gen beſchaͤmen, doch verſezt' ich, es habe ſich
um vieles gebeſſert, ich ſaͤhe die Sonne gut und
nur Nachts ſteh' es mit dem Sehen ſchlecht. Um
einen Handlanger meiner Augen zu erwarten,
fing ſie ein langes Lob meiner Floͤte an, der
man in groͤſter Naͤhe, ſagte ſie, nicht den Athem
anhoͤre, und erhob die Toͤne uͤberhaupt als die
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[173/0181] Kenn' ich denn nicht mehr als einen abgeſchab¬ ten Ehemann — gelb geworden gerade dadurch, wodurch gelbes Elfenbein weiß wird, durch langes Tragen an warmer Bruſt — der ſogleich die Far¬ ben aͤnderte, wenn die Frau ſang, ich meine, wenn das welſche Luͤftgen aus warmer alter Ver¬ gangenheit naͤrriſch und thauend des Polar-Eis ſeiner Ehe anwehte? — Faſt als ſchaͤme ſich Wina, neben einem Blinden allein zu ſehen, gab ſie wenig auf die Himmelfahrt der Sonne acht. Sie hoͤrte auf zu ſingen, ſagte ohne Umſtaͤnde, wer vor mir ſtehe und fragte, wer mich gefuͤhret habe. Ich konn¬ te ſie unmoͤglich mit dem Geſtaͤndniß guter Au¬ gen beſchaͤmen, doch verſezt' ich, es habe ſich um vieles gebeſſert, ich ſaͤhe die Sonne gut und nur Nachts ſteh' es mit dem Sehen ſchlecht. Um einen Handlanger meiner Augen zu erwarten, fing ſie ein langes Lob meiner Floͤte an, der man in groͤſter Naͤhe, ſagte ſie, nicht den Athem anhoͤre, und erhob die Toͤne uͤberhaupt als die zweiten Himmels-Sterne des Lebens. „Wie haͤlt aber das Gefuͤhl die immerwaͤhrenden Ruͤh¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/181>, abgerufen am 25.11.2024.