Schomaker nahm sich seines Lieblings so sehr an, daß er eines Abends vor dem Gerichts¬ mann -- "so hör' ich mich lieber nennen als Schulz" sagte Lukas -- frei erklärte, er glaubte, im geistlichen Stande komme man besser fort, besonders zarte Naturelle.
Da nun der Kandidat selber nichts geworden war, als sein eignes Minus und seine eigne Va¬ kanzstelle, so beantwortete der Gerichtsmann die Rede blos mit einem höflichen Gemurmel und führte nur seine schimliche Geschichte wieder auf, daß einmal ein juristischer Professor seine Studen¬ ten so angeredet habe: "meine Hochzuverehrende "Herren Justizminister, geheime Kabinetsräthe, "wirkliche Geheime Räthe, Präsidenten, Finanz- "Staats- und andere Räthe und Syndikus, "denn man weis ja noch nicht, was aus Ihnen "allen wird!" Er führte noch an, im Preussi¬ schen werde die Stunde eines Advokaten auf 45 Kreuzer von den Gesezen selber taxirt und bat, man solle das nur einmal für ein Jahr ausschla¬ gen -- ferner einem rechten Juristen komme der Teufel selber nicht bei und er wolle eben so gut
Flegeljahre I. Bd. 5
Schomaker nahm ſich ſeines Lieblings ſo ſehr an, daß er eines Abends vor dem Gerichts¬ mann — „ſo hoͤr' ich mich lieber nennen als Schulz“ ſagte Lukas — frei erklaͤrte, er glaubte, im geiſtlichen Stande komme man beſſer fort, beſonders zarte Naturelle.
Da nun der Kandidat ſelber nichts geworden war, als ſein eignes Minus und ſeine eigne Va¬ kanzſtelle, ſo beantwortete der Gerichtsmann die Rede blos mit einem hoͤflichen Gemurmel und fuͤhrte nur ſeine ſchimliche Geſchichte wieder auf, daß einmal ein juriſtiſcher Profeſſor ſeine Studen¬ ten ſo angeredet habe: „meine Hochzuverehrende „Herren Juſtizminiſter, geheime Kabinetsraͤthe, „wirkliche Geheime Raͤthe, Praͤſidenten, Finanz- „Staats- und andere Raͤthe und Syndikus, „denn man weis ja noch nicht, was aus Ihnen „allen wird!“ Er fuͤhrte noch an, im Preuſſi¬ ſchen werde die Stunde eines Advokaten auf 45 Kreuzer von den Geſezen ſelber taxirt und bat, man ſolle das nur einmal fuͤr ein Jahr ausſchla¬ gen — ferner einem rechten Juriſten komme der Teufel ſelber nicht bei und er wolle eben ſo gut
Flegeljahre I. Bd. 5
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Schomaker nahm ſich ſeines Lieblings ſo ſehr
an, daß er eines Abends vor dem Gerichts¬
mann — „ſo hoͤr' ich mich lieber nennen als
Schulz“ ſagte Lukas — frei erklaͤrte, er glaubte,
im geiſtlichen Stande komme man beſſer fort,
beſonders zarte Naturelle.
Da nun der Kandidat ſelber nichts geworden
war, als ſein eignes Minus und ſeine eigne Va¬
kanzſtelle, ſo beantwortete der Gerichtsmann die
Rede blos mit einem hoͤflichen Gemurmel und
fuͤhrte nur ſeine ſchimliche Geſchichte wieder auf,
daß einmal ein juriſtiſcher Profeſſor ſeine Studen¬
ten ſo angeredet habe: „meine Hochzuverehrende
„Herren Juſtizminiſter, geheime Kabinetsraͤthe,
„wirkliche Geheime Raͤthe, Praͤſidenten, Finanz-
„Staats- und andere Raͤthe und Syndikus,
„denn man weis ja noch nicht, was aus Ihnen
„allen wird!“ Er fuͤhrte noch an, im Preuſſi¬
ſchen werde die Stunde eines Advokaten auf 45
Kreuzer von den Geſezen ſelber taxirt und bat,
man ſolle das nur einmal fuͤr ein Jahr ausſchla¬
gen — ferner einem rechten Juriſten komme der
Teufel ſelber nicht bei und er wolle eben ſo gut
Flegeljahre I. Bd. 5
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/75>, abgerufen am 31.07.2024.
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