mähte, längst mit dem Schulzenzepter in der ei¬ nen Hand und mit dem Bettelstabe in der andern, hätte von seinem regierenden Haus und Hof zie¬ hen müßen, wovon er eigentlich nur der Pächter seiner Gläubiger war.
Nur eine Arzenei gabs für ihn, nämlich den Entschlus das Haus und dadurch die Schultheis¬ serei wegzugeben. Aber er ließ sich eben so gerne köpfen, als er diese Arzenei nur roch, oder ein¬ nahm, einen Gifttrunk seiner ganzen Zukunft.
Erstlich war die Dorfschulzenschaft seit un¬ denklichen Zeiten bei seiner Familie gewesen, wie die Regentengeschichte derselben beweiset, sein Jus und Herz hieng daran, ja seine ewige Seligkeit, weil er wuste, daß im ganzen Dorfe kein so gu¬ ter Jurist für diesen Posten zu finden war als er, wiewol Sachverständige erklärten, es werde zu diesem Posten nicht mehr gefordert als zu einem römischen Kaiser nach der goldnen Bulle*), näm¬ lich ein gerechter, guter und brauchbarer Mann. Sein Haus anlangend, so trat vollends fol¬ gender frappanter Jammer ein.
*)Aur. bull. II. r. homo justus, bonus et utilis.
maͤhte, laͤngſt mit dem Schulzenzepter in der ei¬ nen Hand und mit dem Bettelſtabe in der andern, haͤtte von ſeinem regierenden Haus und Hof zie¬ hen muͤßen, wovon er eigentlich nur der Paͤchter ſeiner Glaͤubiger war.
Nur eine Arzenei gabs fuͤr ihn, naͤmlich den Entſchlus das Haus und dadurch die Schultheiſ¬ ſerei wegzugeben. Aber er ließ ſich eben ſo gerne koͤpfen, als er dieſe Arzenei nur roch, oder ein¬ nahm, einen Gifttrunk ſeiner ganzen Zukunft.
Erſtlich war die Dorfſchulzenſchaft ſeit un¬ denklichen Zeiten bei ſeiner Familie geweſen, wie die Regentengeſchichte derſelben beweiſet, ſein Jus und Herz hieng daran, ja ſeine ewige Seligkeit, weil er wuſte, daß im ganzen Dorfe kein ſo gu¬ ter Juriſt fuͤr dieſen Poſten zu finden war als er, wiewol Sachverſtaͤndige erklaͤrten, es werde zu dieſem Poſten nicht mehr gefordert als zu einem roͤmiſchen Kaiſer nach der goldnen Bulle*), naͤm¬ lich ein gerechter, guter und brauchbarer Mann. Sein Haus anlangend, ſo trat vollends fol¬ gender frappanter Jammer ein.
*)Aur. bull. II. r. homo justus, bonus et utilis.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0065"n="55"/>
maͤhte, laͤngſt mit dem Schulzenzepter in der ei¬<lb/>
nen Hand und mit dem Bettelſtabe in der andern,<lb/>
haͤtte von ſeinem regierenden Haus und Hof zie¬<lb/>
hen muͤßen, wovon er eigentlich nur der Paͤchter<lb/>ſeiner Glaͤubiger war.</p><lb/><p>Nur eine Arzenei gabs fuͤr ihn, naͤmlich den<lb/>
Entſchlus das Haus und dadurch die Schultheiſ¬<lb/>ſerei wegzugeben. Aber er ließ ſich eben ſo gerne<lb/>
koͤpfen, als er dieſe Arzenei nur roch, oder ein¬<lb/>
nahm, einen Gifttrunk ſeiner ganzen Zukunft.</p><lb/><p>Erſtlich war die Dorfſchulzenſchaft ſeit un¬<lb/>
denklichen Zeiten bei ſeiner Familie geweſen, wie<lb/>
die Regentengeſchichte derſelben beweiſet, ſein <hirendition="#aq">Jus</hi><lb/>
und Herz hieng daran, ja ſeine ewige Seligkeit,<lb/>
weil er wuſte, daß im ganzen Dorfe kein ſo gu¬<lb/>
ter Juriſt fuͤr dieſen Poſten zu finden war als er,<lb/>
wiewol Sachverſtaͤndige erklaͤrten, es werde zu<lb/>
dieſem Poſten nicht mehr gefordert als zu einem<lb/>
roͤmiſchen Kaiſer nach der goldnen Bulle<noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#aq">Aur. bull. II. r. homo justus, bonus et utilis</hi>.<lb/></note>, naͤm¬<lb/>
lich ein gerechter, guter und brauchbarer Mann.<lb/>
Sein Haus anlangend, ſo trat vollends fol¬<lb/>
gender frappanter Jammer ein.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[55/0065]
maͤhte, laͤngſt mit dem Schulzenzepter in der ei¬
nen Hand und mit dem Bettelſtabe in der andern,
haͤtte von ſeinem regierenden Haus und Hof zie¬
hen muͤßen, wovon er eigentlich nur der Paͤchter
ſeiner Glaͤubiger war.
Nur eine Arzenei gabs fuͤr ihn, naͤmlich den
Entſchlus das Haus und dadurch die Schultheiſ¬
ſerei wegzugeben. Aber er ließ ſich eben ſo gerne
koͤpfen, als er dieſe Arzenei nur roch, oder ein¬
nahm, einen Gifttrunk ſeiner ganzen Zukunft.
Erſtlich war die Dorfſchulzenſchaft ſeit un¬
denklichen Zeiten bei ſeiner Familie geweſen, wie
die Regentengeſchichte derſelben beweiſet, ſein Jus
und Herz hieng daran, ja ſeine ewige Seligkeit,
weil er wuſte, daß im ganzen Dorfe kein ſo gu¬
ter Juriſt fuͤr dieſen Poſten zu finden war als er,
wiewol Sachverſtaͤndige erklaͤrten, es werde zu
dieſem Poſten nicht mehr gefordert als zu einem
roͤmiſchen Kaiſer nach der goldnen Bulle *), naͤm¬
lich ein gerechter, guter und brauchbarer Mann.
Sein Haus anlangend, ſo trat vollends fol¬
gender frappanter Jammer ein.
*) Aur. bull. II. r. homo justus, bonus et utilis.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/65>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.