ses wie der Kronerbe des Amts; obwohl seine Krongüter in KronSchulden bestanden. In kur¬ zem vermehrte er diese Krongüter beträchtlich. Er warf sich mit Leib und Seele auf das Jus -- ver¬ saß seine kanonischen Stunden an angeborgten Akten und gekauften Büchern, theilte auf alle Seiten umsonst responsa aus, ganze Bogen und Tagelang -- jeden SchulzenAktus berichtete er schriftlich, und konzipierte und mundierte das Schreiben mit schöner gebrochener Fraktur und schiefer Kurrent, wobei ers noch für sich selber ko¬ pierte -- schauete als Schulz überall nach, lief überall hin, und regierte den ganzen Tag. Durch alles dieses blühte wenigstens das Dorf mehr als seine Aecker und Wiesen, und das Amt lebte von ihm, nicht er vom Amte. Er konnte gleich den besten Städtern, die ein gutes Haus machen, sich nun wie die Sorbonne, als das ärmste un¬ terschreiben (pauperrima domus). Alle ver¬ ständige Elterleiner traten darin einander bei, daß er ohne sein handthierendes Weib -- eine ge¬ sunde Vernunft in corpore -- das an Einem Morgen für Vieh und Menschen kochte, grasete,
ſes wie der Kronerbe des Amts; obwohl ſeine Kronguͤter in KronSchulden beſtanden. In kur¬ zem vermehrte er dieſe Kronguͤter betraͤchtlich. Er warf ſich mit Leib und Seele auf das Jus — ver¬ ſaß ſeine kanoniſchen Stunden an angeborgten Akten und gekauften Buͤchern, theilte auf alle Seiten umſonſt responsa aus, ganze Bogen und Tagelang — jeden SchulzenAktus berichtete er ſchriftlich, und konzipierte und mundierte das Schreiben mit ſchoͤner gebrochener Fraktur und ſchiefer Kurrent, wobei ers noch fuͤr ſich ſelber ko¬ pierte — ſchauete als Schulz uͤberall nach, lief uͤberall hin, und regierte den ganzen Tag. Durch alles dieſes bluͤhte wenigſtens das Dorf mehr als ſeine Aecker und Wieſen, und das Amt lebte von ihm, nicht er vom Amte. Er konnte gleich den beſten Staͤdtern, die ein gutes Haus machen, ſich nun wie die Sorbonne, als das aͤrmſte un¬ terſchreiben (pauperrima domus). Alle ver¬ ſtaͤndige Elterleiner traten darin einander bei, daß er ohne ſein handthierendes Weib — eine ge¬ ſunde Vernunft in corpore — das an Einem Morgen fuͤr Vieh und Menſchen kochte, graſete,
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ſes wie der Kronerbe des Amts; obwohl ſeine
Kronguͤter in KronSchulden beſtanden. In kur¬
zem vermehrte er dieſe Kronguͤter betraͤchtlich. Er
warf ſich mit Leib und Seele auf das Jus — ver¬
ſaß ſeine kanoniſchen Stunden an angeborgten
Akten und gekauften Buͤchern, theilte auf alle
Seiten umſonſt responsa aus, ganze Bogen und
Tagelang — jeden SchulzenAktus berichtete er
ſchriftlich, und konzipierte und mundierte das
Schreiben mit ſchoͤner gebrochener Fraktur und
ſchiefer Kurrent, wobei ers noch fuͤr ſich ſelber ko¬
pierte — ſchauete als Schulz uͤberall nach, lief
uͤberall hin, und regierte den ganzen Tag. Durch
alles dieſes bluͤhte wenigſtens das Dorf mehr als
ſeine Aecker und Wieſen, und das Amt lebte von
ihm, nicht er vom Amte. Er konnte gleich den
beſten Staͤdtern, die ein gutes Haus machen,
ſich nun wie die Sorbonne, als das aͤrmſte un¬
terſchreiben (pauperrima domus). Alle ver¬
ſtaͤndige Elterleiner traten darin einander bei,
daß er ohne ſein handthierendes Weib — eine ge¬
ſunde Vernunft in corpore — das an Einem
Morgen fuͤr Vieh und Menſchen kochte, graſete,
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/64>, abgerufen am 31.07.2024.
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