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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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solches ganz so zu meiseln -- was er im Romane
nicht gedurft -- wie ers für sich brauchte. "Mein
ewig theurer Freund, den ich einmal gewis be¬
komme -- sagt' er zu sich -- ist göttlich, ein
schöner Jüngling und dabei von Stande, etwa
ein Erbprinz oder Graf; -- und eben dadurch so
zart ausgebildet für das Zarte. Im Gesicht hat
er viel Römisches und Griechisches, eine klassische
Nase aus deutscher Erde gegraben; aber er ist
doch die mildeste Seele, nicht blos die feurigste,
die ich je gefunden, weil er in der Eisen-Brust
zur Wehre, ein Wachs-Herz zur Liebe trägt. So
treuen, unbeflekten, starken Gemüths, mit gros¬
sen Felsen-Kräften, gleich einer Bergreihe, nur
gerade gehend -- ein wahres philosophisches
Genie oder auch ein militairisches oder ein diplo¬
matisches -- daher sezt er mich und viele eben in
ein wahres Staunen, daß ihn Gedichte und Ton¬
kunst entzücken bis zu Thränen. Anfangs scheue¬
te ich ordentlich den gerüsteten Kriegsgott; aber
endlich einmal in einem Garten in der Frühlings-
Dämmerung oder weil er ein Gedicht über die
Freundschaft der zurükgetretenen Zeiten hörte,

ſolches ganz ſo zu meiſeln — was er im Romane
nicht gedurft — wie ers fuͤr ſich brauchte. „Mein
ewig theurer Freund, den ich einmal gewis be¬
komme — ſagt' er zu ſich — iſt goͤttlich, ein
ſchoͤner Juͤngling und dabei von Stande, etwa
ein Erbprinz oder Graf; — und eben dadurch ſo
zart ausgebildet fuͤr das Zarte. Im Geſicht hat
er viel Roͤmiſches und Griechiſches, eine klaſſiſche
Naſe aus deutſcher Erde gegraben; aber er iſt
doch die mildeſte Seele, nicht blos die feurigſte,
die ich je gefunden, weil er in der Eiſen-Bruſt
zur Wehre, ein Wachs-Herz zur Liebe traͤgt. So
treuen, unbeflekten, ſtarken Gemuͤths, mit groſ¬
ſen Felſen-Kraͤften, gleich einer Bergreihe, nur
gerade gehend — ein wahres philoſophiſches
Genie oder auch ein militairiſches oder ein diplo¬
matiſches — daher ſezt er mich und viele eben in
ein wahres Staunen, daß ihn Gedichte und Ton¬
kunſt entzuͤcken bis zu Thraͤnen. Anfangs ſcheue¬
te ich ordentlich den geruͤſteten Kriegsgott; aber
endlich einmal in einem Garten in der Fruͤhlings-
Daͤmmerung oder weil er ein Gedicht uͤber die
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[210/0220] ſolches ganz ſo zu meiſeln — was er im Romane nicht gedurft — wie ers fuͤr ſich brauchte. „Mein ewig theurer Freund, den ich einmal gewis be¬ komme — ſagt' er zu ſich — iſt goͤttlich, ein ſchoͤner Juͤngling und dabei von Stande, etwa ein Erbprinz oder Graf; — und eben dadurch ſo zart ausgebildet fuͤr das Zarte. Im Geſicht hat er viel Roͤmiſches und Griechiſches, eine klaſſiſche Naſe aus deutſcher Erde gegraben; aber er iſt doch die mildeſte Seele, nicht blos die feurigſte, die ich je gefunden, weil er in der Eiſen-Bruſt zur Wehre, ein Wachs-Herz zur Liebe traͤgt. So treuen, unbeflekten, ſtarken Gemuͤths, mit groſ¬ ſen Felſen-Kraͤften, gleich einer Bergreihe, nur gerade gehend — ein wahres philoſophiſches Genie oder auch ein militairiſches oder ein diplo¬ matiſches — daher ſezt er mich und viele eben in ein wahres Staunen, daß ihn Gedichte und Ton¬ kunſt entzuͤcken bis zu Thraͤnen. Anfangs ſcheue¬ te ich ordentlich den geruͤſteten Kriegsgott; aber endlich einmal in einem Garten in der Fruͤhlings- Daͤmmerung oder weil er ein Gedicht uͤber die Freundſchaft der zuruͤkgetretenen Zeiten hoͤrte,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/220>, abgerufen am 25.11.2024.