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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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zu verschämt, sein Sehnen zu bekennen, sagte
blos, wie es gestern so schön gewesen und wie
immer, so wie in andere Feste Krankheiten *)
fallen, so in die heiligsten der Menschen Schmer¬
zen, und wie ihm das Augen- Uebel in der Zei¬
tung wehe gethan, das er noch nicht recht ver¬
stehe.

Vult entdeckt' ihm den Plan, daß er näm¬
lich vorhabe, so gesund auch sein Auge sei, es
jeden Markttag ein Wochenblatt für kränker und
zulezt für stockblind auszurufen, und als ein
blinder Mann ein Flötenkonzert zu geben, das
eben so viele Zuschauer als Zuhörer anziehe. "Ich
sehe, sagte Vult, du willst jezt auf die Kanzel¬
treppe hinauf; aber predige nicht; die Menschen
verdienen Betrug -- Gegen dich hingegen bin
ich rein und offen, und deine Liebe gegen den
Menschen lieb' ich etwas mehr als den Menschen
selber. -- "O wie darf denn ein Mensch so stolz
sein und sich für den einzigen halten, dem allein
die volle Wahrheit zufließe?" fragte Walt --

*) Weil die meisten Feste in große Wetter-Krisen
treffen.

zu verſchaͤmt, ſein Sehnen zu bekennen, ſagte
blos, wie es geſtern ſo ſchoͤn geweſen und wie
immer, ſo wie in andere Feſte Krankheiten *)
fallen, ſo in die heiligſten der Menſchen Schmer¬
zen, und wie ihm das Augen- Uebel in der Zei¬
tung wehe gethan, das er noch nicht recht ver¬
ſtehe.

Vult entdeckt' ihm den Plan, daß er naͤm¬
lich vorhabe, ſo geſund auch ſein Auge ſei, es
jeden Markttag ein Wochenblatt fuͤr kraͤnker und
zulezt fuͤr ſtockblind auszurufen, und als ein
blinder Mann ein Floͤtenkonzert zu geben, das
eben ſo viele Zuſchauer als Zuhoͤrer anziehe. „Ich
ſehe, ſagte Vult, du willſt jezt auf die Kanzel¬
treppe hinauf; aber predige nicht; die Menſchen
verdienen Betrug — Gegen dich hingegen bin
ich rein und offen, und deine Liebe gegen den
Menſchen lieb' ich etwas mehr als den Menſchen
ſelber. — „O wie darf denn ein Menſch ſo ſtolz
ſein und ſich fuͤr den einzigen halten, dem allein
die volle Wahrheit zufließe?“ fragte Walt —

*) Weil die meiſten Feſte in große Wetter-Kriſen
treffen.
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[204/0214] zu verſchaͤmt, ſein Sehnen zu bekennen, ſagte blos, wie es geſtern ſo ſchoͤn geweſen und wie immer, ſo wie in andere Feſte Krankheiten *) fallen, ſo in die heiligſten der Menſchen Schmer¬ zen, und wie ihm das Augen- Uebel in der Zei¬ tung wehe gethan, das er noch nicht recht ver¬ ſtehe. Vult entdeckt' ihm den Plan, daß er naͤm¬ lich vorhabe, ſo geſund auch ſein Auge ſei, es jeden Markttag ein Wochenblatt fuͤr kraͤnker und zulezt fuͤr ſtockblind auszurufen, und als ein blinder Mann ein Floͤtenkonzert zu geben, das eben ſo viele Zuſchauer als Zuhoͤrer anziehe. „Ich ſehe, ſagte Vult, du willſt jezt auf die Kanzel¬ treppe hinauf; aber predige nicht; die Menſchen verdienen Betrug — Gegen dich hingegen bin ich rein und offen, und deine Liebe gegen den Menſchen lieb' ich etwas mehr als den Menſchen ſelber. — „O wie darf denn ein Menſch ſo ſtolz ſein und ſich fuͤr den einzigen halten, dem allein die volle Wahrheit zufließe?“ fragte Walt — *) Weil die meiſten Feſte in große Wetter-Kriſen treffen.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/214>, abgerufen am 03.05.2024.