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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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dienen den Galgenstrang als Nabelschnur der
zweiten Welt. Du bekommst wahrlich schwere
Aufgaben durch sie." -- Walt sah sehr ernsthaft
aus. -- "Denn, fuhr jener lustiger fort, erwägt
man dein liebliches Nein und Adio, als Flora
vorhin nach Befehlen fragte und ihr belvedere
d. h. ihre belle-vue von schönem Gesicht und
dazu das enterbte Diebs- und Siebengestirn, das
dir vielleicht blos wegen der Klausel, die dich
um ein Sechstel puncto Sexti zu strafen droht,
eine Flora so nahe mag hergesezt haben, die zu
deflorieren" -- -- --

"Bruder -- unterbrach ihn der zorn- und
schamrothe Jüngling und hofte, eine ironische
Frage zu thun -- ist das die Sprache eines Welt¬
manns wie du?" -- "Auch wollt' ich effleurer
sagen statt deflorer, sagte Vult. O, reiner
starker Freund, die Poesie ist ja doch ein paar
Schlittschuh, womit man auf dem glatten reinen
krystallenen Boden des Ideals leicht fliegt, aber
miserabel forthumpelt auf gemeiner Gasse." Er
brach ab und fragte nach der Ursache, warum
er ihn vorhin so traurend gefunden. Walt, jezt

dienen den Galgenſtrang als Nabelſchnur der
zweiten Welt. Du bekommſt wahrlich ſchwere
Aufgaben durch ſie.” — Walt ſah ſehr ernſthaft
aus. — „Denn, fuhr jener luſtiger fort, erwaͤgt
man dein liebliches Nein und Adio, als Flora
vorhin nach Befehlen fragte und ihr belvedere
d. h. ihre belle-vue von ſchoͤnem Geſicht und
dazu das enterbte Diebs- und Siebengeſtirn, das
dir vielleicht blos wegen der Klauſel, die dich
um ein Sechſtel puncto Sexti zu ſtrafen droht,
eine Flora ſo nahe mag hergeſezt haben, die zu
deflorieren” — — —

„Bruder — unterbrach ihn der zorn- und
ſchamrothe Juͤngling und hofte, eine ironiſche
Frage zu thun — iſt das die Sprache eines Welt¬
manns wie du?” — „Auch wollt' ich effleurer
ſagen ſtatt déflorer, ſagte Vult. O, reiner
ſtarker Freund, die Poeſie iſt ja doch ein paar
Schlittſchuh, womit man auf dem glatten reinen
kryſtallenen Boden des Ideals leicht fliegt, aber
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[203/0213] dienen den Galgenſtrang als Nabelſchnur der zweiten Welt. Du bekommſt wahrlich ſchwere Aufgaben durch ſie.” — Walt ſah ſehr ernſthaft aus. — „Denn, fuhr jener luſtiger fort, erwaͤgt man dein liebliches Nein und Adio, als Flora vorhin nach Befehlen fragte und ihr belvedere d. h. ihre belle-vue von ſchoͤnem Geſicht und dazu das enterbte Diebs- und Siebengeſtirn, das dir vielleicht blos wegen der Klauſel, die dich um ein Sechſtel puncto Sexti zu ſtrafen droht, eine Flora ſo nahe mag hergeſezt haben, die zu deflorieren” — — — „Bruder — unterbrach ihn der zorn- und ſchamrothe Juͤngling und hofte, eine ironiſche Frage zu thun — iſt das die Sprache eines Welt¬ manns wie du?” — „Auch wollt' ich effleurer ſagen ſtatt déflorer, ſagte Vult. O, reiner ſtarker Freund, die Poeſie iſt ja doch ein paar Schlittſchuh, womit man auf dem glatten reinen kryſtallenen Boden des Ideals leicht fliegt, aber miſerabel forthumpelt auf gemeiner Gaſſe.” Er brach ab und fragte nach der Urſache, warum er ihn vorhin ſo traurend gefunden. Walt, jezt

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/213>, abgerufen am 25.11.2024.