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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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Gottwalt umarmte ihn erst recht als Bru¬
der, und sagte dann, er sei nun so, daß er sich
schäme und quäle, wenn er eine Schönheit wie
Flora in die knechtischen Verhältnisse der Arbeit
gestürzt und vergraben sehe; eine niedrig hand¬
thierende Schönheit sei ihm eine welsche Madon¬
na mitten auf einem niederländischen Gemäl¬
de.-- "Oder jener Correggio, den man in Schwe¬
den an die königlichen Stallfenster annagelte als
Stall-Gardine *) -- sagte Vult -- aber erzäh¬
le das Testament!"

Walt thats und vergaß etwan ein Drittel:
"seit die poetischen Aethermühlflügel, die du Müh¬
lenbaumeister angegeben, sich vor mir auf ihren
Höhen regen, ist mir die Testaments-Sache
schon sehr unscheinbar geworden" sezte er dazu. --

"Das ist mir gar nicht recht" versezte Vult.
Ich habe den ganzen heutigen Nachmittag auf ei¬
ne ennuyante Weis lange schwere Dollonds und
Reflektors gehalten, um die H. Akzessit-Erben
von weitem zu sehen -- so die meisten davon ver¬

*) Winkelmann von der Nachahmung etc.

Gottwalt umarmte ihn erſt recht als Bru¬
der, und ſagte dann, er ſei nun ſo, daß er ſich
ſchaͤme und quaͤle, wenn er eine Schoͤnheit wie
Flora in die knechtiſchen Verhaͤltniſſe der Arbeit
geſtuͤrzt und vergraben ſehe; eine niedrig hand¬
thierende Schoͤnheit ſei ihm eine welſche Madon¬
na mitten auf einem niederlaͤndiſchen Gemaͤl¬
de.— „Oder jener Correggio, den man in Schwe¬
den an die koͤniglichen Stallfenſter annagelte als
Stall-Gardine *) — ſagte Vult — aber erzaͤh¬
le das Teſtament!“

Walt thats und vergaß etwan ein Drittel:
„ſeit die poetiſchen Aethermuͤhlfluͤgel, die du Muͤh¬
lenbaumeiſter angegeben, ſich vor mir auf ihren
Hoͤhen regen, iſt mir die Teſtaments-Sache
ſchon ſehr unſcheinbar geworden“ ſezte er dazu. —

„Das iſt mir gar nicht recht“ verſezte Vult.
Ich habe den ganzen heutigen Nachmittag auf ei¬
ne ennuyante Weis lange ſchwere Dollonds und
Reflektors gehalten, um die H. Akzeſſit-Erben
von weitem zu ſehen — ſo die meiſten davon ver¬

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[202/0212] Gottwalt umarmte ihn erſt recht als Bru¬ der, und ſagte dann, er ſei nun ſo, daß er ſich ſchaͤme und quaͤle, wenn er eine Schoͤnheit wie Flora in die knechtiſchen Verhaͤltniſſe der Arbeit geſtuͤrzt und vergraben ſehe; eine niedrig hand¬ thierende Schoͤnheit ſei ihm eine welſche Madon¬ na mitten auf einem niederlaͤndiſchen Gemaͤl¬ de.— „Oder jener Correggio, den man in Schwe¬ den an die koͤniglichen Stallfenſter annagelte als Stall-Gardine *) — ſagte Vult — aber erzaͤh¬ le das Teſtament!“ Walt thats und vergaß etwan ein Drittel: „ſeit die poetiſchen Aethermuͤhlfluͤgel, die du Muͤh¬ lenbaumeiſter angegeben, ſich vor mir auf ihren Hoͤhen regen, iſt mir die Teſtaments-Sache ſchon ſehr unſcheinbar geworden“ ſezte er dazu. — „Das iſt mir gar nicht recht“ verſezte Vult. Ich habe den ganzen heutigen Nachmittag auf ei¬ ne ennuyante Weis lange ſchwere Dollonds und Reflektors gehalten, um die H. Akzeſſit-Erben von weitem zu ſehen — ſo die meiſten davon ver¬ *) Winkelmann von der Nachahmung ꝛc.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/212>, abgerufen am 25.11.2024.