Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

kann ja zweierlei thun; denn es ist ja einerlei,
Eid und an Eidesstatt und jedes bloße Wort"
sagte Walt; aber der biedere Kuhnold ließ es
nicht zu. Es wurde protokolliert, daß Walt
den Notarius zum ersten Erbamt auswähle --
Der Vater erbat sich Testaments-Kopie, um
davon eine für den Sohn zu nehmen, welche die¬
ser täglich als sein altes und neues Testament
lesen und befolgen sollte. -- Der Buchhändler
Pasvogel besah und studierte den Gesammt-Er¬
ben nicht ohne Vergnügen und verbarg ihm sei¬
ne Sehnsucht nach den Gedichten nicht, deren
das Testament, sagt' er, flüchtig erwähne --
Der Polizeiinspektor Harprecht nahm ihn bei der
Hand und sagte: "Wir müssen uns öfters su¬
chen, Sie werden kein Erb-Feind von mir
sein und ich bin ein Erbfreund; man ge¬
wöhnt sich zusammen und kann sich dann so we¬
nig entbehren, wie einen alten Pfahl vor seinem
Fenster, den man, wie Le Vayer sagt, nie ohne
Empfindung ausreissen sieht. Wir wollen ein¬
ander dann wechselseitig mit Worten verkleinern;
denn die Liebe spricht gern mit Verkleinerungs¬

kann ja zweierlei thun; denn es iſt ja einerlei,
Eid und an Eidesſtatt und jedes bloße Wort”
ſagte Walt; aber der biedere Kuhnold ließ es
nicht zu. Es wurde protokolliert, daß Walt
den Notarius zum erſten Erbamt auswaͤhle —
Der Vater erbat ſich Teſtaments-Kopie, um
davon eine fuͤr den Sohn zu nehmen, welche die¬
ſer taͤglich als ſein altes und neues Teſtament
leſen und befolgen ſollte. — Der Buchhaͤndler
Pasvogel beſah und ſtudierte den Geſammt-Er¬
ben nicht ohne Vergnuͤgen und verbarg ihm ſei¬
ne Sehnſucht nach den Gedichten nicht, deren
das Teſtament, ſagt' er, fluͤchtig erwaͤhne —
Der Polizeiinſpektor Harprecht nahm ihn bei der
Hand und ſagte: „Wir muͤſſen uns oͤfters ſu¬
chen, Sie werden kein Erb-Feind von mir
ſein und ich bin ein Erbfreund; man ge¬
woͤhnt ſich zuſammen und kann ſich dann ſo we¬
nig entbehren, wie einen alten Pfahl vor ſeinem
Fenſter, den man, wie Le Vayer ſagt, nie ohne
Empfindung ausreiſſen ſieht. Wir wollen ein¬
ander dann wechſelſeitig mit Worten verkleinern;
denn die Liebe ſpricht gern mit Verkleinerungs¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0204" n="194"/>
kann ja zweierlei thun; denn es i&#x017F;t ja einerlei,<lb/>
Eid und an Eides&#x017F;tatt und jedes bloße Wort&#x201D;<lb/>
&#x017F;agte Walt; aber der biedere Kuhnold ließ es<lb/>
nicht zu. Es wurde protokolliert, daß Walt<lb/>
den Notarius zum er&#x017F;ten Erbamt auswa&#x0364;hle &#x2014;<lb/>
Der Vater erbat &#x017F;ich Te&#x017F;taments-Kopie, um<lb/>
davon eine fu&#x0364;r den Sohn zu nehmen, welche die¬<lb/>
&#x017F;er ta&#x0364;glich als &#x017F;ein altes und neues Te&#x017F;tament<lb/>
le&#x017F;en und befolgen &#x017F;ollte. &#x2014; Der Buchha&#x0364;ndler<lb/>
Pasvogel be&#x017F;ah und &#x017F;tudierte den Ge&#x017F;ammt-Er¬<lb/>
ben nicht ohne Vergnu&#x0364;gen und verbarg ihm &#x017F;ei¬<lb/>
ne Sehn&#x017F;ucht nach den Gedichten nicht, deren<lb/>
das Te&#x017F;tament, &#x017F;agt' er, flu&#x0364;chtig erwa&#x0364;hne &#x2014;<lb/>
Der Polizeiin&#x017F;pektor Harprecht nahm ihn bei der<lb/>
Hand und &#x017F;agte: &#x201E;Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en uns o&#x0364;fters &#x017F;<lb/>
chen, Sie werden kein <hi rendition="#g">Erb-Feind</hi> von mir<lb/>
&#x017F;ein und ich bin ein <hi rendition="#g">Erbfreund</hi>; man ge¬<lb/>
wo&#x0364;hnt &#x017F;ich zu&#x017F;ammen und kann &#x017F;ich dann &#x017F;o we¬<lb/>
nig entbehren, wie einen alten Pfahl vor &#x017F;einem<lb/>
Fen&#x017F;ter, den man, wie Le Vayer &#x017F;agt, nie ohne<lb/>
Empfindung ausrei&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ieht. Wir wollen ein¬<lb/>
ander dann wech&#x017F;el&#x017F;eitig mit Worten verkleinern;<lb/>
denn die Liebe &#x017F;pricht gern mit Verkleinerungs¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0204] kann ja zweierlei thun; denn es iſt ja einerlei, Eid und an Eidesſtatt und jedes bloße Wort” ſagte Walt; aber der biedere Kuhnold ließ es nicht zu. Es wurde protokolliert, daß Walt den Notarius zum erſten Erbamt auswaͤhle — Der Vater erbat ſich Teſtaments-Kopie, um davon eine fuͤr den Sohn zu nehmen, welche die¬ ſer taͤglich als ſein altes und neues Teſtament leſen und befolgen ſollte. — Der Buchhaͤndler Pasvogel beſah und ſtudierte den Geſammt-Er¬ ben nicht ohne Vergnuͤgen und verbarg ihm ſei¬ ne Sehnſucht nach den Gedichten nicht, deren das Teſtament, ſagt' er, fluͤchtig erwaͤhne — Der Polizeiinſpektor Harprecht nahm ihn bei der Hand und ſagte: „Wir muͤſſen uns oͤfters ſu¬ chen, Sie werden kein Erb-Feind von mir ſein und ich bin ein Erbfreund; man ge¬ woͤhnt ſich zuſammen und kann ſich dann ſo we¬ nig entbehren, wie einen alten Pfahl vor ſeinem Fenſter, den man, wie Le Vayer ſagt, nie ohne Empfindung ausreiſſen ſieht. Wir wollen ein¬ ander dann wechſelſeitig mit Worten verkleinern; denn die Liebe ſpricht gern mit Verkleinerungs¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/204
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/204>, abgerufen am 26.11.2024.