Gassen voll Feldgeschrei, gleichsam Kompagnie¬ gassen eines Lustlagers, sah ers gern, daß er seinen Hausherrn, den Hofagent Neupeter kaum finden konnte. Er gewann damit die Zeit, die verschüttete Gottes-Stadt der Kindheit auszu¬ scharren und den Schutt weg zu fahren, so daß zulezt völlig dieselben Gassen ans Sonnenlicht kamen, eben so prächtig, so breit, und voll Palläste und Damen, wie die waren, durch wel¬ che er einmal als Kind gegangen. Ganz wie zum erstenmale, faste ihn die Pracht des ewigen Getöses, die schnellen Wagen, die hohen Häuser mit ihren Statuen darauf und die flitternen Opern- und Gallakleider mancher Person. Er konnte kaum annehmen, daß es in einer Stadt einen Mittwoch, einen Sonnabend und andere platte Bauerntage gebe, und nicht jede Woche ein hohes Fest von sieben Feiertagen. Auch sehr sauer wurd' es ihm zu glauben -- sehen must' ers freilich, -- daß so gemeine Leute wie Schuh¬ flicker, Schneidermeister, Schmide und andere Ackerpferde des Staats, die auf die Dörfer ge¬ hörten, mitten unter den feinsten Leuten wohnten und giengen.
Gaſſen voll Feldgeſchrei, gleichſam Kompagnie¬ gaſſen eines Luſtlagers, ſah ers gern, daß er ſeinen Hausherrn, den Hofagent Neupeter kaum finden konnte. Er gewann damit die Zeit, die verſchuͤttete Gottes-Stadt der Kindheit auszu¬ ſcharren und den Schutt weg zu fahren, ſo daß zulezt voͤllig dieſelben Gaſſen ans Sonnenlicht kamen, eben ſo praͤchtig, ſo breit, und voll Pallaͤſte und Damen, wie die waren, durch wel¬ che er einmal als Kind gegangen. Ganz wie zum erſtenmale, faſte ihn die Pracht des ewigen Getoͤſes, die ſchnellen Wagen, die hohen Haͤuſer mit ihren Statuen darauf und die flitternen Opern- und Gallakleider mancher Perſon. Er konnte kaum annehmen, daß es in einer Stadt einen Mittwoch, einen Sonnabend und andere platte Bauerntage gebe, und nicht jede Woche ein hohes Feſt von ſieben Feiertagen. Auch ſehr ſauer wurd' es ihm zu glauben — ſehen muſt' ers freilich, — daß ſo gemeine Leute wie Schuh¬ flicker, Schneidermeiſter, Schmide und andere Ackerpferde des Staats, die auf die Doͤrfer ge¬ hoͤrten, mitten unter den feinſten Leuten wohnten und giengen.
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Gaſſen voll Feldgeſchrei, gleichſam Kompagnie¬
gaſſen eines Luſtlagers, ſah ers gern, daß er
ſeinen Hausherrn, den Hofagent Neupeter kaum
finden konnte. Er gewann damit die Zeit, die
verſchuͤttete Gottes-Stadt der Kindheit auszu¬
ſcharren und den Schutt weg zu fahren, ſo daß
zulezt voͤllig dieſelben Gaſſen ans Sonnenlicht
kamen, eben ſo praͤchtig, ſo breit, und voll
Pallaͤſte und Damen, wie die waren, durch wel¬
che er einmal als Kind gegangen. Ganz wie
zum erſtenmale, faſte ihn die Pracht des ewigen
Getoͤſes, die ſchnellen Wagen, die hohen Haͤuſer
mit ihren Statuen darauf und die flitternen
Opern- und Gallakleider mancher Perſon. Er
konnte kaum annehmen, daß es in einer Stadt
einen Mittwoch, einen Sonnabend und andere
platte Bauerntage gebe, und nicht jede Woche
ein hohes Feſt von ſieben Feiertagen. Auch ſehr
ſauer wurd' es ihm zu glauben — ſehen muſt'
ers freilich, — daß ſo gemeine Leute wie Schuh¬
flicker, Schneidermeiſter, Schmide und andere
Ackerpferde des Staats, die auf die Doͤrfer ge¬
hoͤrten, mitten unter den feinſten Leuten wohnten
und giengen.
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/194>, abgerufen am 01.05.2024.
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