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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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Walt saß auf und flog wie ein Cherub durch
den Himmel. Die Zeit war so anmuthig; an
den Häuser-Reihen glänzte weisser Tag; in den
grünen thauigen Gärten bunter Morgen, selber
sein Vieh wurde poetisch und trabte ungeheissen,
weil es seinem Stall nahe und aus dem Herrn¬
hutischen hungrig kam. -- Der Notarius sang
laut im Fluge des Schimmels. Im ganzen Für¬
stenthum stand kein Ich auf einem so hohen Ge¬
hirnhügel als sein eigenes, welches daran herab
wie von einem Aetna in ein so weites Leben voll
morganischer Feen hineinsah, daß die blizenden
Säulen, die umgekehrten Städte und Schiffe
den ganzen Tag hängen blieben in der Spie¬
gelluft.

Unter dem Thore befragte man ihn, woher.
"Von Haslau" versezte er entzückt, bis er den
lächerlichen Irrthum eilig umbesserte und sagte:
nach Haslau. Das Pferd regierte wie ein Wei¬
ser sich selber und brachte ihn leicht durch die
bevölkerten Gassen an den Stall, wo er mit
Dank und in Eile abstieg, um so fort seine
"chambre garnie" zu beziehen. Auf den hellen

Walt ſaß auf und flog wie ein Cherub durch
den Himmel. Die Zeit war ſo anmuthig; an
den Haͤuſer-Reihen glaͤnzte weiſſer Tag; in den
gruͤnen thauigen Gaͤrten bunter Morgen, ſelber
ſein Vieh wurde poetiſch und trabte ungeheiſſen,
weil es ſeinem Stall nahe und aus dem Herrn¬
hutiſchen hungrig kam. — Der Notarius ſang
laut im Fluge des Schimmels. Im ganzen Fuͤr¬
ſtenthum ſtand kein Ich auf einem ſo hohen Ge¬
hirnhuͤgel als ſein eigenes, welches daran herab
wie von einem Aetna in ein ſo weites Leben voll
morganiſcher Feen hineinſah, daß die blizenden
Saͤulen, die umgekehrten Staͤdte und Schiffe
den ganzen Tag haͤngen blieben in der Spie¬
gelluft.

Unter dem Thore befragte man ihn, woher.
Von Haslau“ verſezte er entzuͤckt, bis er den
laͤcherlichen Irrthum eilig umbeſſerte und ſagte:
nach Haslau. Das Pferd regierte wie ein Wei¬
ſer ſich ſelber und brachte ihn leicht durch die
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Dank und in Eile abſtieg, um ſo fort ſeine
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[183/0193] Walt ſaß auf und flog wie ein Cherub durch den Himmel. Die Zeit war ſo anmuthig; an den Haͤuſer-Reihen glaͤnzte weiſſer Tag; in den gruͤnen thauigen Gaͤrten bunter Morgen, ſelber ſein Vieh wurde poetiſch und trabte ungeheiſſen, weil es ſeinem Stall nahe und aus dem Herrn¬ hutiſchen hungrig kam. — Der Notarius ſang laut im Fluge des Schimmels. Im ganzen Fuͤr¬ ſtenthum ſtand kein Ich auf einem ſo hohen Ge¬ hirnhuͤgel als ſein eigenes, welches daran herab wie von einem Aetna in ein ſo weites Leben voll morganiſcher Feen hineinſah, daß die blizenden Saͤulen, die umgekehrten Staͤdte und Schiffe den ganzen Tag haͤngen blieben in der Spie¬ gelluft. Unter dem Thore befragte man ihn, woher. „Von Haslau“ verſezte er entzuͤckt, bis er den laͤcherlichen Irrthum eilig umbeſſerte und ſagte: nach Haslau. Das Pferd regierte wie ein Wei¬ ſer ſich ſelber und brachte ihn leicht durch die bevoͤlkerten Gaſſen an den Stall, wo er mit Dank und in Eile abſtieg, um ſo fort ſeine „chambre garnie“ zu beziehen. Auf den hellen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/193>, abgerufen am 01.05.2024.