Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

Mauer herunter vertheidigen. Darauf bat er den
müden Vater, zu reiten, indes er zu Fuße ne¬
ben ihm laufe. Lukas nahm es ohne Dank an.
Sehnsüchtig nach dem Bruder, der sich nicht zei¬
gen durfte, verlies Walt die Bühne eines so hol¬
den Spielabends.

Auf dem wagrechten Wege, der keinen Was¬
sertropfen rollen lies, bewegte sich das Pferd oh¬
ne Tadel und hielt Schritt mit dem tauben
Sohne, dem der Vater von der Sattel-Kanzel --
unzählige Rechts- und Lebensregeln herab warf.
Was konnte Gottwalt hören? Er sah nur in-
und ausser sich, glänzende Morgenwiesen des Ju¬
gendlebens, ferner die Landschaft auf beiden
Seiten der Chaussee, ferner die dunklen Blumen¬
gärten der Liebe, den hohen hellen Musenberg
und endlich die Thürme und Rauchsäulen der
ausgebreiteten Stadt. Izt saß der Vater mit
dem Befehle an den Notarius ab, durchs Thor
zum Fleischer zu reiten, in sein Logis, und um
10 Uhr in den weichen Krebs zu gehen, wo
man auf ihn warten wolle, um mit ihm ge¬
hörig vor dem Magistrate zu erscheinen.

Mauer herunter vertheidigen. Darauf bat er den
muͤden Vater, zu reiten, indes er zu Fuße ne¬
ben ihm laufe. Lukas nahm es ohne Dank an.
Sehnſuͤchtig nach dem Bruder, der ſich nicht zei¬
gen durfte, verlies Walt die Buͤhne eines ſo hol¬
den Spielabends.

Auf dem wagrechten Wege, der keinen Waſ¬
ſertropfen rollen lies, bewegte ſich das Pferd oh¬
ne Tadel und hielt Schritt mit dem tauben
Sohne, dem der Vater von der Sattel-Kanzel —
unzaͤhlige Rechts- und Lebensregeln herab warf.
Was konnte Gottwalt hoͤren? Er ſah nur in-
und auſſer ſich, glaͤnzende Morgenwieſen des Ju¬
gendlebens, ferner die Landſchaft auf beiden
Seiten der Chauſſée, ferner die dunklen Blumen¬
gaͤrten der Liebe, den hohen hellen Muſenberg
und endlich die Thuͤrme und Rauchſaͤulen der
ausgebreiteten Stadt. Izt ſaß der Vater mit
dem Befehle an den Notarius ab, durchs Thor
zum Fleiſcher zu reiten, in ſein Logis, und um
10 Uhr in den weichen Krebs zu gehen, wo
man auf ihn warten wolle, um mit ihm ge¬
hoͤrig vor dem Magiſtrate zu erſcheinen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0192" n="182"/>
Mauer herunter vertheidigen. Darauf bat er den<lb/>
mu&#x0364;den Vater, zu reiten, indes er zu Fuße ne¬<lb/>
ben ihm laufe. Lukas nahm es ohne Dank an.<lb/>
Sehn&#x017F;u&#x0364;chtig nach dem Bruder, der &#x017F;ich nicht zei¬<lb/>
gen durfte, verlies Walt die Bu&#x0364;hne eines &#x017F;o hol¬<lb/>
den Spielabends.</p><lb/>
        <p>Auf dem wagrechten Wege, der keinen Wa&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;ertropfen rollen lies, bewegte &#x017F;ich das Pferd oh¬<lb/>
ne Tadel und hielt Schritt mit dem tauben<lb/>
Sohne, dem der Vater von der Sattel-Kanzel &#x2014;<lb/>
unza&#x0364;hlige Rechts- und Lebensregeln herab warf.<lb/>
Was konnte Gottwalt ho&#x0364;ren? Er &#x017F;ah nur in-<lb/>
und au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich, gla&#x0364;nzende Morgenwie&#x017F;en des Ju¬<lb/>
gendlebens, ferner die Land&#x017F;chaft auf beiden<lb/>
Seiten der Chau&#x017F;&#x017F;<hi rendition="#aq">é</hi>e, ferner die dunklen Blumen¬<lb/>
ga&#x0364;rten der Liebe, den hohen hellen Mu&#x017F;enberg<lb/>
und endlich die Thu&#x0364;rme und Rauch&#x017F;a&#x0364;ulen der<lb/>
ausgebreiteten Stadt. Izt &#x017F;aß der Vater mit<lb/>
dem Befehle an den Notarius ab, durchs Thor<lb/>
zum Flei&#x017F;cher zu reiten, in &#x017F;ein Logis, und um<lb/>
10 Uhr in den weichen Krebs zu gehen, wo<lb/>
man auf ihn warten wolle, um mit ihm ge¬<lb/>
ho&#x0364;rig vor dem Magi&#x017F;trate zu er&#x017F;cheinen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0192] Mauer herunter vertheidigen. Darauf bat er den muͤden Vater, zu reiten, indes er zu Fuße ne¬ ben ihm laufe. Lukas nahm es ohne Dank an. Sehnſuͤchtig nach dem Bruder, der ſich nicht zei¬ gen durfte, verlies Walt die Buͤhne eines ſo hol¬ den Spielabends. Auf dem wagrechten Wege, der keinen Waſ¬ ſertropfen rollen lies, bewegte ſich das Pferd oh¬ ne Tadel und hielt Schritt mit dem tauben Sohne, dem der Vater von der Sattel-Kanzel — unzaͤhlige Rechts- und Lebensregeln herab warf. Was konnte Gottwalt hoͤren? Er ſah nur in- und auſſer ſich, glaͤnzende Morgenwieſen des Ju¬ gendlebens, ferner die Landſchaft auf beiden Seiten der Chauſſée, ferner die dunklen Blumen¬ gaͤrten der Liebe, den hohen hellen Muſenberg und endlich die Thuͤrme und Rauchſaͤulen der ausgebreiteten Stadt. Izt ſaß der Vater mit dem Befehle an den Notarius ab, durchs Thor zum Fleiſcher zu reiten, in ſein Logis, und um 10 Uhr in den weichen Krebs zu gehen, wo man auf ihn warten wolle, um mit ihm ge¬ hoͤrig vor dem Magiſtrate zu erſcheinen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/192
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/192>, abgerufen am 01.05.2024.