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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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Körner erinnerte sich sehr genau, daß eine ganze Menge Xenien in dieser ländlichen Einsamkeit entstanden seien. Die beiden Schwestern saßen zusammen unten in der Wohnstube, und hörten über sich in der Dachkammer die Stimmen der dichtenden Freunde. In kürzeren oder längeren Pausen ertönte ein schallendes Gelächter, zuweilen von sehr vemehmlichem Fußstampfen begleitet. Wenn die Herren um 12 Uhr zum Mittagessen herunter kamen, waren sie äußerst aufgeräumt, und sagten mehr als einmal: heute sind die Philister wieder tüchtig geärgert worden!

Theodor Körners Schwester Emma machte bei jenem kurzen Besuche in Berlin den tiefsten Eindruck auf mich, der sich schwer in Worte fassen läßt. Sie mochte etwa sechs Jahre mehr haben als ich; dies gab ihr vor meinen 16 Jahren einen gewaltigen Vorsprung, so daß an eine sympathische Hinneigung von Gleich zu Gleich gar nicht zu denken war. Von schlanker zierlicher Gestalt bewegte sie sich mit Amnuth und Sicherheit in den ihr fremden Berliner Kreisen. Ihr Kopf zeigte die gröste Aehnlichkeit mit dem ihres Bruders, aber seine starken, fast schroffen Züge waren bei ihr zu einer wahrhaft plastischen Vollendung gemildert; Stirn und Nase von antiker Schönheit, Augen und Haare dunkel, der volle Mund edel geformt und schön geschwungen, die Wangen blaß, kaum von einem leisen Rothe angehaucht. Sie sprach wenig, und wenn sie sprach, so fiel uns anfangs der starke Dresdner Accent unangenehm auf, aber diese kleine Störung ward bald überwunden durch die unbewußte Hoheit ihres Wesens, durch den wohlthuenden Eindruck ihrer reinen Seele. Von innerer Liebe zur Kunst getrieben, fand sie schon früh in ihrer Tante Doris eine gefällige Lehrerin; allein das un-

Körner erinnerte sich sehr genau, daß eine ganze Menge Xenien in dieser ländlichen Einsamkeit entstanden seien. Die beiden Schwestern saßen zusammen unten in der Wohnstube, und hörten über sich in der Dachkammer die Stimmen der dichtenden Freunde. In kürzeren oder längeren Pausen ertönte ein schallendes Gelächter, zuweilen von sehr vemehmlichem Fußstampfen begleitet. Wenn die Herren um 12 Uhr zum Mittagessen herunter kamen, waren sie äußerst aufgeräumt, und sagten mehr als einmal: heute sind die Philister wieder tüchtig geärgert worden!

Theodor Körners Schwester Emma machte bei jenem kurzen Besuche in Berlin den tiefsten Eindruck auf mich, der sich schwer in Worte fassen läßt. Sie mochte etwa sechs Jahre mehr haben als ich; dies gab ihr vor meinen 16 Jahren einen gewaltigen Vorsprung, so daß an eine sympathische Hinneigung von Gleich zu Gleich gar nicht zu denken war. Von schlanker zierlicher Gestalt bewegte sie sich mit Amnuth und Sicherheit in den ihr fremden Berliner Kreisen. Ihr Kopf zeigte die gröste Aehnlichkeit mit dem ihres Bruders, aber seine starken, fast schroffen Züge waren bei ihr zu einer wahrhaft plastischen Vollendung gemildert; Stirn und Nase von antiker Schönheit, Augen und Haare dunkel, der volle Mund edel geformt und schön geschwungen, die Wangen blaß, kaum von einem leisen Rothe angehaucht. Sie sprach wenig, und wenn sie sprach, so fiel uns anfangs der starke Dresdner Accent unangenehm auf, aber diese kleine Störung ward bald überwunden durch die unbewußte Hoheit ihres Wesens, durch den wohlthuenden Eindruck ihrer reinen Seele. Von innerer Liebe zur Kunst getrieben, fand sie schon früh in ihrer Tante Doris eine gefällige Lehrerin; allein das un-

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Körner erinnerte sich sehr genau, daß eine ganze Menge Xenien in dieser ländlichen Einsamkeit entstanden seien. Die beiden Schwestern saßen zusammen unten in der Wohnstube, und hörten über sich in der Dachkammer die Stimmen der dichtenden Freunde. In kürzeren oder längeren Pausen ertönte ein schallendes Gelächter, zuweilen von sehr vemehmlichem Fußstampfen begleitet. Wenn die Herren um 12 Uhr zum Mittagessen herunter kamen, waren sie äußerst aufgeräumt, und sagten mehr als einmal: heute sind die Philister wieder tüchtig geärgert worden! </p><lb/>
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[53/0061] Körner erinnerte sich sehr genau, daß eine ganze Menge Xenien in dieser ländlichen Einsamkeit entstanden seien. Die beiden Schwestern saßen zusammen unten in der Wohnstube, und hörten über sich in der Dachkammer die Stimmen der dichtenden Freunde. In kürzeren oder längeren Pausen ertönte ein schallendes Gelächter, zuweilen von sehr vemehmlichem Fußstampfen begleitet. Wenn die Herren um 12 Uhr zum Mittagessen herunter kamen, waren sie äußerst aufgeräumt, und sagten mehr als einmal: heute sind die Philister wieder tüchtig geärgert worden! Theodor Körners Schwester Emma machte bei jenem kurzen Besuche in Berlin den tiefsten Eindruck auf mich, der sich schwer in Worte fassen läßt. Sie mochte etwa sechs Jahre mehr haben als ich; dies gab ihr vor meinen 16 Jahren einen gewaltigen Vorsprung, so daß an eine sympathische Hinneigung von Gleich zu Gleich gar nicht zu denken war. Von schlanker zierlicher Gestalt bewegte sie sich mit Amnuth und Sicherheit in den ihr fremden Berliner Kreisen. Ihr Kopf zeigte die gröste Aehnlichkeit mit dem ihres Bruders, aber seine starken, fast schroffen Züge waren bei ihr zu einer wahrhaft plastischen Vollendung gemildert; Stirn und Nase von antiker Schönheit, Augen und Haare dunkel, der volle Mund edel geformt und schön geschwungen, die Wangen blaß, kaum von einem leisen Rothe angehaucht. Sie sprach wenig, und wenn sie sprach, so fiel uns anfangs der starke Dresdner Accent unangenehm auf, aber diese kleine Störung ward bald überwunden durch die unbewußte Hoheit ihres Wesens, durch den wohlthuenden Eindruck ihrer reinen Seele. Von innerer Liebe zur Kunst getrieben, fand sie schon früh in ihrer Tante Doris eine gefällige Lehrerin; allein das un-

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/61>, abgerufen am 22.11.2024.