Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].zeigen hinlänglich, daß sie wie wenig andre befähigt war, in den Geist der italiänischen Meister, besonders Raphaels einzudringen. Diese Kopien befinden sich jetzt auf dem Berliner Kupferstichkabinette. Da sie in mir einen glühenden Kunstverehrer fand, so wurden wir bald sehr gute Freunde; ihr Umgang hat wesentlich fördernd auf meine Ausbildung gewirkt. Beide Schwestern, Marie und Doris, gedachten gern ihres Vaters, des Leipziger Kupferstechers Stock, von dem Göthe als Student sich unterrichten ließ. Göthe sagt darüber in seinem Leben (2, 136), daß beide Schwestern ihm stets ihre Freundschaft bewahrt hätten, daß die älteste glücklich verheirathet, die jüngere eine ausgezeichnete Künstlerin sei. Den Schwestern blieb jene Studentenzeit gar wohl erinnerlich: denn sie waren beinahe erwachsen. Das Gedächtniß der älteren bewahrte manche kleinen Züge, die an sich unbedeutend, zur Vervollständigung von Göthes Lebensbilde dienen können. Stocks Verhältnisse waren sehr beschränkt. Eine geräumige Bodenkammer in dem großen Breitkopfischen Hause zum silbernen Bären diente ihm, seiner Frau und seinen beiden Töchtern als Arbeits- und Empfangzimmer, in welchem auch der Schüler Platz fand. Während Stock und Göthe je an einem Fenster über ihren Platten schwitzten, saßen die Töchter an dem dritten Fenster mit weiblicher Arbeit beschäftigt, oder sie besorgten mit der Mutter die Küche. Das Gespräch ging ohne Unterbrechung fort, denn schon damals zeigte Göthe eine große "Lust am Diskuriren." Eines Tages sagte Stock: Göthe, meine Töchter wachsen nun heran: was meinst du, worin soll ich die Mädchen unterrichten lassen? In nichts anderem, erwiederte Göthe, zeigen hinlänglich, daß sie wie wenig andre befähigt war, in den Geist der italiänischen Meister, besonders Raphaels einzudringen. Diese Kopien befinden sich jetzt auf dem Berliner Kupferstichkabinette. Da sie in mir einen glühenden Kunstverehrer fand, so wurden wir bald sehr gute Freunde; ihr Umgang hat wesentlich fördernd auf meine Ausbildung gewirkt. Beide Schwestern, Marie und Doris, gedachten gern ihres Vaters, des Leipziger Kupferstechers Stock, von dem Göthe als Student sich unterrichten ließ. Göthe sagt darüber in seinem Leben (2, 136), daß beide Schwestern ihm stets ihre Freundschaft bewahrt hätten, daß die älteste glücklich verheirathet, die jüngere eine ausgezeichnete Künstlerin sei. Den Schwestern blieb jene Studentenzeit gar wohl erinnerlich: denn sie waren beinahe erwachsen. Das Gedächtniß der älteren bewahrte manche kleinen Züge, die an sich unbedeutend, zur Vervollständigung von Göthes Lebensbilde dienen können. Stocks Verhältnisse waren sehr beschränkt. Eine geräumige Bodenkammer in dem großen Breitkopfischen Hause zum silbernen Bären diente ihm, seiner Frau und seinen beiden Töchtern als Arbeits- und Empfangzimmer, in welchem auch der Schüler Platz fand. Während Stock und Göthe je an einem Fenster über ihren Platten schwitzten, saßen die Töchter an dem dritten Fenster mit weiblicher Arbeit beschäftigt, oder sie besorgten mit der Mutter die Küche. Das Gespräch ging ohne Unterbrechung fort, denn schon damals zeigte Göthe eine große „Lust am Diskuriren.“ Eines Tages sagte Stock: Göthe, meine Töchter wachsen nun heran: was meinst du, worin soll ich die Mädchen unterrichten lassen? In nichts anderem, erwiederte Göthe, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0057" n="49"/> zeigen hinlänglich, daß sie wie wenig andre befähigt war, in den Geist der italiänischen Meister, besonders Raphaels einzudringen. Diese Kopien befinden sich jetzt auf dem Berliner Kupferstichkabinette. 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Eine geräumige Bodenkammer in dem großen Breitkopfischen Hause zum silbernen Bären diente ihm, seiner Frau und seinen beiden Töchtern als Arbeits- und Empfangzimmer, in welchem auch der Schüler Platz fand. Während Stock und Göthe je an einem Fenster über ihren Platten schwitzten, saßen die Töchter an dem dritten Fenster mit weiblicher Arbeit beschäftigt, oder sie besorgten mit der Mutter die Küche. Das Gespräch ging ohne Unterbrechung fort, denn schon damals zeigte Göthe eine große „Lust am Diskuriren.“ </p><lb/> <p>Eines Tages sagte Stock: Göthe, meine Töchter wachsen nun heran: was meinst du, worin soll ich die Mädchen unterrichten lassen? In nichts anderem, erwiederte Göthe, </p> </div> </body> </text> </TEI> [49/0057]
zeigen hinlänglich, daß sie wie wenig andre befähigt war, in den Geist der italiänischen Meister, besonders Raphaels einzudringen. Diese Kopien befinden sich jetzt auf dem Berliner Kupferstichkabinette. Da sie in mir einen glühenden Kunstverehrer fand, so wurden wir bald sehr gute Freunde; ihr Umgang hat wesentlich fördernd auf meine Ausbildung gewirkt.
Beide Schwestern, Marie und Doris, gedachten gern ihres Vaters, des Leipziger Kupferstechers Stock, von dem Göthe als Student sich unterrichten ließ. Göthe sagt darüber in seinem Leben (2, 136), daß beide Schwestern ihm stets ihre Freundschaft bewahrt hätten, daß die älteste glücklich verheirathet, die jüngere eine ausgezeichnete Künstlerin sei. Den Schwestern blieb jene Studentenzeit gar wohl erinnerlich: denn sie waren beinahe erwachsen. Das Gedächtniß der älteren bewahrte manche kleinen Züge, die an sich unbedeutend, zur Vervollständigung von Göthes Lebensbilde dienen können. Stocks Verhältnisse waren sehr beschränkt. Eine geräumige Bodenkammer in dem großen Breitkopfischen Hause zum silbernen Bären diente ihm, seiner Frau und seinen beiden Töchtern als Arbeits- und Empfangzimmer, in welchem auch der Schüler Platz fand. Während Stock und Göthe je an einem Fenster über ihren Platten schwitzten, saßen die Töchter an dem dritten Fenster mit weiblicher Arbeit beschäftigt, oder sie besorgten mit der Mutter die Küche. Das Gespräch ging ohne Unterbrechung fort, denn schon damals zeigte Göthe eine große „Lust am Diskuriren.“
Eines Tages sagte Stock: Göthe, meine Töchter wachsen nun heran: was meinst du, worin soll ich die Mädchen unterrichten lassen? In nichts anderem, erwiederte Göthe,
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