Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].als in der Wirtschaft. Laß sie gute Köchinnen werden, das wird für ihre künftigen Männer das Beste sein! Der Vater befolgte diesen Rath, und nicht ohne Empfindlichkeit versicherte mich die ältere Schwester, daß sie dies Göthen immer nachgetragen habe, und daß sie in Folge dieses Rathes ihre ganze Ausbildung mit der grösten Mühe sich selbst habe erwerben müssen. Bei einem kleinen unschuldigen Liebeshandel, den Göthe mit der Tochter von Breitkopf anknüpfte, war Marie Stock seine Vertraute. Auf dem Oberboden stand ein altes, sehr verstimmtes Spinett, an dem die beiden Liebenden die zärtlichsten Duetten sangen, Marie mußte auf der Treppe sitzen bleiben und Wache halten, um von jeder herannahenden Störung sogleich Nachricht zu geben. Als sie Göthen viele Jahre später an diese Jugendzeiten erinnerte, sagte er halb unwillig: Sie haben ja ein verfluchtes Gedächtniß! Für die aufblühenden Reize der jüngeren Schwester Doris Stock war Göthe nicht unempfindlich. Sie vertraute mir einmal unter dem Sigel der Verschwiegenheit, das ich nun wohl brechen darf, die Göthesche Elegie: Alexis und Dora sei an sie gerichtet gewesen. Freudig überrascht bei dieser interessanten Enthüllung war ich zu blöde, oder hatte nicht Geistesgegenwart genug, um sie zu fragen, ob dem schönen Gedichte eine wahre Anekdote zu Grunde liege? Nachdem Maria Stock den Kollegienrath Körner in Dresden geheirathet, zog ihre Schwester Doris mit ihr. Das Körnersche Haus wurde nun durch den Geist und die Anmuth der Frauen, so wie durch das musikalische Talent des Mannes ein anziehender Mittelpunkt für Ein- als in der Wirtschaft. Laß sie gute Köchinnen werden, das wird für ihre künftigen Männer das Beste sein! Der Vater befolgte diesen Rath, und nicht ohne Empfindlichkeit versicherte mich die ältere Schwester, daß sie dies Göthen immer nachgetragen habe, und daß sie in Folge dieses Rathes ihre ganze Ausbildung mit der grösten Mühe sich selbst habe erwerben müssen. Bei einem kleinen unschuldigen Liebeshandel, den Göthe mit der Tochter von Breitkopf anknüpfte, war Marie Stock seine Vertraute. Auf dem Oberboden stand ein altes, sehr verstimmtes Spinett, an dem die beiden Liebenden die zärtlichsten Duetten sangen, Marie mußte auf der Treppe sitzen bleiben und Wache halten, um von jeder herannahenden Störung sogleich Nachricht zu geben. Als sie Göthen viele Jahre später an diese Jugendzeiten erinnerte, sagte er halb unwillig: Sie haben ja ein verfluchtes Gedächtniß! Für die aufblühenden Reize der jüngeren Schwester Doris Stock war Göthe nicht unempfindlich. Sie vertraute mir einmal unter dem Sigel der Verschwiegenheit, das ich nun wohl brechen darf, die Göthesche Elegie: Alexis und Dora sei an sie gerichtet gewesen. Freudig überrascht bei dieser interessanten Enthüllung war ich zu blöde, oder hatte nicht Geistesgegenwart genug, um sie zu fragen, ob dem schönen Gedichte eine wahre Anekdote zu Grunde liege? Nachdem Maria Stock den Kollegienrath Körner in Dresden geheirathet, zog ihre Schwester Doris mit ihr. Das Körnersche Haus wurde nun durch den Geist und die Anmuth der Frauen, so wie durch das musikalische Talent des Mannes ein anziehender Mittelpunkt für Ein- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0058" n="50"/> als in der Wirtschaft. Laß sie gute Köchinnen werden, das wird für ihre künftigen Männer das Beste sein! Der Vater befolgte diesen Rath, und nicht ohne Empfindlichkeit versicherte mich die ältere Schwester, daß sie dies Göthen immer nachgetragen habe, und daß sie in Folge dieses Rathes ihre ganze Ausbildung mit der grösten Mühe sich selbst habe erwerben müssen. </p><lb/> <p>Bei einem kleinen unschuldigen Liebeshandel, den Göthe mit der Tochter von Breitkopf anknüpfte, war Marie Stock seine Vertraute. Auf dem Oberboden stand ein altes, sehr verstimmtes Spinett, an dem die beiden Liebenden die zärtlichsten Duetten sangen, Marie mußte auf der Treppe sitzen bleiben und Wache halten, um von jeder herannahenden Störung sogleich Nachricht zu geben. Als sie Göthen viele Jahre später an diese Jugendzeiten erinnerte, sagte er halb unwillig: Sie haben ja ein verfluchtes Gedächtniß! </p><lb/> <p>Für die aufblühenden Reize der jüngeren Schwester Doris Stock war Göthe nicht unempfindlich. Sie vertraute mir einmal unter dem Sigel der Verschwiegenheit, das ich nun wohl brechen darf, die Göthesche Elegie: Alexis und Dora sei an sie gerichtet gewesen. Freudig überrascht bei dieser interessanten Enthüllung war ich zu blöde, oder hatte nicht Geistesgegenwart genug, um sie zu fragen, ob dem schönen Gedichte eine wahre Anekdote zu Grunde liege? </p><lb/> <p>Nachdem Maria Stock den Kollegienrath Körner in Dresden geheirathet, zog ihre Schwester Doris mit ihr. Das Körnersche Haus wurde nun durch den Geist und die Anmuth der Frauen, so wie durch das musikalische Talent des Mannes ein anziehender Mittelpunkt für Ein- </p> </div> </body> </text> </TEI> [50/0058]
als in der Wirtschaft. Laß sie gute Köchinnen werden, das wird für ihre künftigen Männer das Beste sein! Der Vater befolgte diesen Rath, und nicht ohne Empfindlichkeit versicherte mich die ältere Schwester, daß sie dies Göthen immer nachgetragen habe, und daß sie in Folge dieses Rathes ihre ganze Ausbildung mit der grösten Mühe sich selbst habe erwerben müssen.
Bei einem kleinen unschuldigen Liebeshandel, den Göthe mit der Tochter von Breitkopf anknüpfte, war Marie Stock seine Vertraute. Auf dem Oberboden stand ein altes, sehr verstimmtes Spinett, an dem die beiden Liebenden die zärtlichsten Duetten sangen, Marie mußte auf der Treppe sitzen bleiben und Wache halten, um von jeder herannahenden Störung sogleich Nachricht zu geben. Als sie Göthen viele Jahre später an diese Jugendzeiten erinnerte, sagte er halb unwillig: Sie haben ja ein verfluchtes Gedächtniß!
Für die aufblühenden Reize der jüngeren Schwester Doris Stock war Göthe nicht unempfindlich. Sie vertraute mir einmal unter dem Sigel der Verschwiegenheit, das ich nun wohl brechen darf, die Göthesche Elegie: Alexis und Dora sei an sie gerichtet gewesen. Freudig überrascht bei dieser interessanten Enthüllung war ich zu blöde, oder hatte nicht Geistesgegenwart genug, um sie zu fragen, ob dem schönen Gedichte eine wahre Anekdote zu Grunde liege?
Nachdem Maria Stock den Kollegienrath Körner in Dresden geheirathet, zog ihre Schwester Doris mit ihr. Das Körnersche Haus wurde nun durch den Geist und die Anmuth der Frauen, so wie durch das musikalische Talent des Mannes ein anziehender Mittelpunkt für Ein-
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