Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].aber als Mann von Geist viel Einsicht in das französische sich erworben. C'est par paresse qu'il parle ainsi! rief er ganz eifrig, und rieth mir überhaupt, in der Aussprache den Fürsten nicht zum Muster zu nehmen: car il se neglige, il a le privilege de dire ce que lui plait. Um zu sehn, ob es mit der Schreibart des Fürsten dieselbe Bewandniß habe, erbat ich mir aus der herzoglichen Bibliothek ein Memoire von ihm über England und Amerika, das er nach seiner amerikanischen Reise hatte drucken lassen. Dies Memoire erschien mir nach Form und Inhalt von hoher Vortrefflichkeit. Es fällt vielleicht in die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts und zeigt, was damals vielen Franzosen gewiß noch unbekannt war, daß England von der Losreißung der Kolonien keinen Schaden sondern Vortheil gehabt. Talleyrand bewies dies in der prägnantesten Weise durch einige wenige, mit richtigem Takt ausgewählte Zahlen über Einfuhr und Ausfuhr, Absatz der englischen Fabrikwaaren u. s. w. Während meines Aufenthaltes in Paris kam es auch vor, daß Talleyrand in der Pairskammer eine Rede hielt oder vielmehr ablas: denn man wußte, daß ihm bei seinen übrigen eminenten geistigen Eigenschaften die Gabe der freien Rede fehlte. Er sprach bei Gelegenheit eines Antrages, der die Stellung der Pairskammer als obersten Gerichtshofes näher feststellen sollte. Diese Rede machte bedeutendes Aufsehn. Giamboni erzählte uns, einige Minister seien ganz erschrocken aus dem Büffet herbei geeilt, als der gebrechliche Fürst sich langsam nach der Rednerbühne hinbewegte. Sobald er mit Mühe hinaufgeklettert war, entstand eine lautlose Stille, und der durchdringende Baß des Fürsten füllte den ganzen großen Saal. Talley- aber als Mann von Geist viel Einsicht in das französische sich erworben. C’est par paresse qu’il parle ainsi! rief er ganz eifrig, und rieth mir überhaupt, in der Aussprache den Fürsten nicht zum Muster zu nehmen: car il se néglige, il a le privilege de dire ce que lui plait. Um zu sehn, ob es mit der Schreibart des Fürsten dieselbe Bewandniß habe, erbat ich mir aus der herzoglichen Bibliothek ein Memoire von ihm über England und Amerika, das er nach seiner amerikanischen Reise hatte drucken lassen. Dies Memoire erschien mir nach Form und Inhalt von hoher Vortrefflichkeit. Es fällt vielleicht in die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts und zeigt, was damals vielen Franzosen gewiß noch unbekannt war, daß England von der Losreißung der Kolonien keinen Schaden sondern Vortheil gehabt. Talleyrand bewies dies in der prägnantesten Weise durch einige wenige, mit richtigem Takt ausgewählte Zahlen über Einfuhr und Ausfuhr, Absatz der englischen Fabrikwaaren u. s. w. Während meines Aufenthaltes in Paris kam es auch vor, daß Talleyrand in der Pairskammer eine Rede hielt oder vielmehr ablas: denn man wußte, daß ihm bei seinen übrigen eminenten geistigen Eigenschaften die Gabe der freien Rede fehlte. Er sprach bei Gelegenheit eines Antrages, der die Stellung der Pairskammer als obersten Gerichtshofes näher feststellen sollte. Diese Rede machte bedeutendes Aufsehn. Giamboni erzählte uns, einige Minister seien ganz erschrocken aus dem Büffet herbei geeilt, als der gebrechliche Fürst sich langsam nach der Rednerbühne hinbewegte. Sobald er mit Mühe hinaufgeklettert war, entstand eine lautlose Stille, und der durchdringende Baß des Fürsten füllte den ganzen großen Saal. Talley- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0505" n="497"/> aber als Mann von Geist viel Einsicht in das französische sich erworben. C’est par paresse qu’il parle ainsi! rief er ganz eifrig, und rieth mir überhaupt, in der Aussprache den Fürsten nicht zum Muster zu nehmen: car il se néglige, il a le privilege de dire ce que lui plait. </p><lb/> <p>Um zu sehn, ob es mit der Schreibart des Fürsten dieselbe Bewandniß habe, erbat ich mir aus der herzoglichen Bibliothek ein Memoire von ihm über England und Amerika, das er nach seiner amerikanischen Reise hatte drucken lassen. Dies Memoire erschien mir nach Form und Inhalt von hoher Vortrefflichkeit. Es fällt vielleicht in die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts und zeigt, was damals vielen Franzosen gewiß noch unbekannt war, daß England von der Losreißung der Kolonien keinen Schaden sondern Vortheil gehabt. 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aber als Mann von Geist viel Einsicht in das französische sich erworben. C’est par paresse qu’il parle ainsi! rief er ganz eifrig, und rieth mir überhaupt, in der Aussprache den Fürsten nicht zum Muster zu nehmen: car il se néglige, il a le privilege de dire ce que lui plait.
Um zu sehn, ob es mit der Schreibart des Fürsten dieselbe Bewandniß habe, erbat ich mir aus der herzoglichen Bibliothek ein Memoire von ihm über England und Amerika, das er nach seiner amerikanischen Reise hatte drucken lassen. Dies Memoire erschien mir nach Form und Inhalt von hoher Vortrefflichkeit. Es fällt vielleicht in die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts und zeigt, was damals vielen Franzosen gewiß noch unbekannt war, daß England von der Losreißung der Kolonien keinen Schaden sondern Vortheil gehabt. Talleyrand bewies dies in der prägnantesten Weise durch einige wenige, mit richtigem Takt ausgewählte Zahlen über Einfuhr und Ausfuhr, Absatz der englischen Fabrikwaaren u. s. w.
Während meines Aufenthaltes in Paris kam es auch vor, daß Talleyrand in der Pairskammer eine Rede hielt oder vielmehr ablas: denn man wußte, daß ihm bei seinen übrigen eminenten geistigen Eigenschaften die Gabe der freien Rede fehlte. Er sprach bei Gelegenheit eines Antrages, der die Stellung der Pairskammer als obersten Gerichtshofes näher feststellen sollte. Diese Rede machte bedeutendes Aufsehn. Giamboni erzählte uns, einige Minister seien ganz erschrocken aus dem Büffet herbei geeilt, als der gebrechliche Fürst sich langsam nach der Rednerbühne hinbewegte. Sobald er mit Mühe hinaufgeklettert war, entstand eine lautlose Stille, und der durchdringende Baß des Fürsten füllte den ganzen großen Saal. Talley-
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/505>, abgerufen am 16.02.2025. |