Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

die bestimmte Versicherung, daß ein Seidenfabrikant "Monsieur Ilchere" in Lyon nicht existire.

Nachdem ich mit Mühe einen kleinen erbärmlichen Plan von Lyon aufgetrieben, bestieg ich die nächsten Höhen, und genoß des herzerweiternden Anblickes der sonnenbeglänzten schneeigen Alpenkette von Chambery bis Grenoble: auch der Montblanc soll an sehr hellen Tagen sichtbar sein. Die Brücke de la Guillotiere schien mir von so ungewöhnlicher Länge, daß ich, wie ich von meinem Vater gelernt, die Schritte zählte; es waren deren beinahe 700.

Museum und Bildergallerie erschienen mir von keiner großen Bedeutung. Man hatte im Erdgeschosse eines weitläufigen Gebäudes eine ganze Menge römischer Anticaglien, Inschriften des alten Lugdunum, einige Opferaltäre, Köpfe und Basreliefs zusammengestellt; werthvolle Kunstwerke befanden sich nicht darunter. In der Gallerie leuchtete mir unter vielen unbedeutenden französischen Gemälden eine herrliche Altartafel von Pietro Perugino entgegen; die darunter angebrachte lateinische Inschrift verkündete in großen Buchstaben, dies sei ein Geschenk Papst Pius des VII. an die gute Stadt Lyon. Das Bild war nämlich unter Napoleon I. aus einer der römischen Samlungen geraubt, und auf dem Transporte nach Paris zufällig in Lyon liegen geblieben. Als nun Pius VII. im Mai 1814 aus der Gefangenschaft von Fontainebleau entlassen nach Rom zurückkehrte, und einige Zeit in Lyon verweilte, ward er von den frommen Lyonesen mit Ehrenbezeugungen überschüttet. Dafür baten sie, ihnen das bereits in ihrer Stadt befindliche Gemälde zu schenken, und der Papst konnte nicht Nein sagen.

Unter den neueren französischen Bildern zeichneten

die bestimmte Versicherung, daß ein Seidenfabrikant „Monsieur Ilchère“ in Lyon nicht existire.

Nachdem ich mit Mühe einen kleinen erbärmlichen Plan von Lyon aufgetrieben, bestieg ich die nächsten Höhen, und genoß des herzerweiternden Anblickes der sonnenbeglänzten schneeigen Alpenkette von Chambéry bis Grenoble: auch der Montblanc soll an sehr hellen Tagen sichtbar sein. Die Brücke de la Guillotière schien mir von so ungewöhnlicher Länge, daß ich, wie ich von meinem Vater gelernt, die Schritte zählte; es waren deren beinahe 700.

Museum und Bildergallerie erschienen mir von keiner großen Bedeutung. Man hatte im Erdgeschosse eines weitläufigen Gebäudes eine ganze Menge römischer Anticaglien, Inschriften des alten Lugdunum, einige Opferaltäre, Köpfe und Basreliefs zusammengestellt; werthvolle Kunstwerke befanden sich nicht darunter. In der Gallerie leuchtete mir unter vielen unbedeutenden französischen Gemälden eine herrliche Altartafel von Pietro Perugino entgegen; die darunter angebrachte lateinische Inschrift verkündete in großen Buchstaben, dies sei ein Geschenk Papst Pius des VII. an die gute Stadt Lyon. Das Bild war nämlich unter Napoléon I. aus einer der römischen Samlungen geraubt, und auf dem Transporte nach Paris zufällig in Lyon liegen geblieben. Als nun Pius VII. im Mai 1814 aus der Gefangenschaft von Fontainebleau entlassen nach Rom zurückkehrte, und einige Zeit in Lyon verweilte, ward er von den frommen Lyonesen mit Ehrenbezeugungen überschüttet. Dafür baten sie, ihnen das bereits in ihrer Stadt befindliche Gemälde zu schenken, und der Papst konnte nicht Nein sagen.

Unter den neueren französischen Bildern zeichneten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0487" n="479"/>
die bestimmte Versicherung, daß ein Seidenfabrikant &#x201E;Monsieur Ilchère&#x201C; in Lyon nicht existire. </p><lb/>
        <p>Nachdem ich mit Mühe einen kleinen erbärmlichen Plan von Lyon aufgetrieben, bestieg ich die nächsten Höhen, und genoß des herzerweiternden Anblickes der sonnenbeglänzten schneeigen Alpenkette von Chambéry bis Grenoble: auch der Montblanc soll an sehr hellen Tagen sichtbar sein. Die Brücke de la Guillotière schien mir von so ungewöhnlicher Länge, daß ich, wie ich von meinem Vater gelernt, die Schritte zählte; es waren deren beinahe 700. </p><lb/>
        <p>Museum und Bildergallerie erschienen mir von keiner großen Bedeutung. Man hatte im Erdgeschosse eines weitläufigen Gebäudes eine ganze Menge römischer Anticaglien, Inschriften des alten Lugdunum, einige Opferaltäre, Köpfe und Basreliefs zusammengestellt; werthvolle Kunstwerke befanden sich nicht darunter. In der Gallerie leuchtete mir unter vielen unbedeutenden französischen Gemälden eine herrliche Altartafel von Pietro Perugino entgegen; die darunter angebrachte lateinische Inschrift verkündete in großen Buchstaben, dies sei ein Geschenk Papst Pius des VII. an die gute Stadt Lyon. Das Bild war nämlich unter Napoléon I. aus einer der römischen Samlungen geraubt, und auf dem Transporte nach Paris zufällig in Lyon liegen geblieben. Als nun Pius VII. im Mai 1814 aus der Gefangenschaft von Fontainebleau entlassen nach Rom zurückkehrte, und einige Zeit in Lyon verweilte, ward er von den frommen Lyonesen mit Ehrenbezeugungen überschüttet. Dafür baten sie, ihnen das bereits in ihrer Stadt befindliche Gemälde zu schenken, und der Papst konnte nicht Nein sagen. </p><lb/>
        <p>Unter den neueren französischen Bildern zeichneten
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[479/0487] die bestimmte Versicherung, daß ein Seidenfabrikant „Monsieur Ilchère“ in Lyon nicht existire. Nachdem ich mit Mühe einen kleinen erbärmlichen Plan von Lyon aufgetrieben, bestieg ich die nächsten Höhen, und genoß des herzerweiternden Anblickes der sonnenbeglänzten schneeigen Alpenkette von Chambéry bis Grenoble: auch der Montblanc soll an sehr hellen Tagen sichtbar sein. Die Brücke de la Guillotière schien mir von so ungewöhnlicher Länge, daß ich, wie ich von meinem Vater gelernt, die Schritte zählte; es waren deren beinahe 700. Museum und Bildergallerie erschienen mir von keiner großen Bedeutung. Man hatte im Erdgeschosse eines weitläufigen Gebäudes eine ganze Menge römischer Anticaglien, Inschriften des alten Lugdunum, einige Opferaltäre, Köpfe und Basreliefs zusammengestellt; werthvolle Kunstwerke befanden sich nicht darunter. In der Gallerie leuchtete mir unter vielen unbedeutenden französischen Gemälden eine herrliche Altartafel von Pietro Perugino entgegen; die darunter angebrachte lateinische Inschrift verkündete in großen Buchstaben, dies sei ein Geschenk Papst Pius des VII. an die gute Stadt Lyon. Das Bild war nämlich unter Napoléon I. aus einer der römischen Samlungen geraubt, und auf dem Transporte nach Paris zufällig in Lyon liegen geblieben. Als nun Pius VII. im Mai 1814 aus der Gefangenschaft von Fontainebleau entlassen nach Rom zurückkehrte, und einige Zeit in Lyon verweilte, ward er von den frommen Lyonesen mit Ehrenbezeugungen überschüttet. Dafür baten sie, ihnen das bereits in ihrer Stadt befindliche Gemälde zu schenken, und der Papst konnte nicht Nein sagen. Unter den neueren französischen Bildern zeichneten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/487
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/487>, abgerufen am 10.06.2024.