Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].die Herzogin von Berry eines Sohnes, der die Namen Henry Dieudonne und den Titel eines Herzogs von Bordeaux erhielt. Die Aristokraten und Legitimisten begrüßten ihn mit Jubel als die frische Stütze der alterschwachen Dynastie. Doch schon nach 10 Jahren ward er in das Verderben seiner Familie mit hineingezogen, als sein Grosvater Karl X. durch die unverständigen Polignacschen Ordonnanzen die Juli-Revolution von 1830 heraufbeschwor, über welche mir Niebuhrs schlagendes Wort unvergeßlich bleibt: der Wahnwitz des französischen Hofes habe den Talisman zerschlagen, der den Dämon der Revolution gebunden hielt! Henry Dieudonne ging mit seinen thörichten Verwandten ins Exil, nahm nach des Grosvaters Tode den Königstitel Henry V. an, vegetirte bis 1871 als Graf von Chambord unbeachtet in Frohsdorf, und meldete sich jetzt zu seinem erledigten Throne. Durch das Erscheinen des jungen Stammhalters im Jahre 1820 ermuthigt drangen die Ultraroyalisten in Ludwig XVIII., jetzt strengere Maaßregeln gegen die liberale Partei zu ergreifen, allein er weigerte sich standhaft. Da ward am 27. Januar 1821 ganz Paris durch die Nachricht erschreckt, es sei in der Nacht vorher ein Kanonenschlag in den Zimmern des Königs abgefeuert. Am Vormittage strömten die aristokratischen Equipagen nach den Tuilerien, um zu kondoliren und zu gratuliren; man erfuhr, daß der König zu seinen beiden Nichten halb spöttisch, halb ärgerlich gesagt habe: que ce n'etait pas lui qui avait mis le feu! Die Thore und Gitter der Tuilerien wurden geschlossen, und man traf alle Vorkehrungen, um einer Volksbewegung zu begegnen, für deren Signal man den Schuß gehalten. Als ich am Morgen ausging, war alles ruhig; die Herzogin von Berry eines Sohnes, der die Namen Henry Dieudonné und den Titel eines Herzogs von Bordeaux erhielt. Die Aristokraten und Legitimisten begrüßten ihn mit Jubel als die frische Stütze der alterschwachen Dynastie. Doch schon nach 10 Jahren ward er in das Verderben seiner Familie mit hineingezogen, als sein Grosvater Karl X. durch die unverständigen Polignacschen Ordonnanzen die Juli-Revolution von 1830 heraufbeschwor, über welche mir Niebuhrs schlagendes Wort unvergeßlich bleibt: der Wahnwitz des französischen Hofes habe den Talisman zerschlagen, der den Dämon der Revolution gebunden hielt! Henry Dieudonné ging mit seinen thörichten Verwandten ins Exil, nahm nach des Grosvaters Tode den Königstitel Henry V. an, vegetirte bis 1871 als Graf von Chambord unbeachtet in Frohsdorf, und meldete sich jetzt zu seinem erledigten Throne. Durch das Erscheinen des jungen Stammhalters im Jahre 1820 ermuthigt drangen die Ultraroyalisten in Ludwig XVIII., jetzt strengere Maaßregeln gegen die liberale Partei zu ergreifen, allein er weigerte sich standhaft. Da ward am 27. Januar 1821 ganz Paris durch die Nachricht erschreckt, es sei in der Nacht vorher ein Kanonenschlag in den Zimmern des Königs abgefeuert. Am Vormittage strömten die aristokratischen Equipagen nach den Tuilerien, um zu kondoliren und zu gratuliren; man erfuhr, daß der König zu seinen beiden Nichten halb spöttisch, halb ärgerlich gesagt habe: que ce n’etait pas lui qui avait mis le feu! Die Thore und Gitter der Tuilerien wurden geschlossen, und man traf alle Vorkehrungen, um einer Volksbewegung zu begegnen, für deren Signal man den Schuß gehalten. Als ich am Morgen ausging, war alles ruhig; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0468" n="460"/> die Herzogin von Berry eines Sohnes, der die Namen Henry Dieudonné und den Titel eines Herzogs von Bordeaux erhielt. Die Aristokraten und Legitimisten begrüßten ihn mit Jubel als die frische Stütze der alterschwachen Dynastie. Doch schon nach 10 Jahren ward er in das Verderben seiner Familie mit hineingezogen, als sein Grosvater Karl X. durch die unverständigen Polignacschen Ordonnanzen die Juli-Revolution von 1830 heraufbeschwor, über welche mir Niebuhrs schlagendes Wort unvergeßlich bleibt: der Wahnwitz des französischen Hofes habe den Talisman zerschlagen, der den Dämon der Revolution gebunden hielt! Henry Dieudonné ging mit seinen thörichten Verwandten ins Exil, nahm nach des Grosvaters Tode den Königstitel Henry V. an, vegetirte bis 1871 als Graf von Chambord unbeachtet in Frohsdorf, und meldete sich jetzt zu seinem erledigten Throne. </p><lb/> <p>Durch das Erscheinen des jungen Stammhalters im Jahre 1820 ermuthigt drangen die Ultraroyalisten in Ludwig XVIII., jetzt strengere Maaßregeln gegen die liberale Partei zu ergreifen, allein er weigerte sich standhaft. Da ward am 27. Januar 1821 ganz Paris durch die Nachricht erschreckt, es sei in der Nacht vorher ein Kanonenschlag in den Zimmern des Königs abgefeuert. Am Vormittage strömten die aristokratischen Equipagen nach den Tuilerien, um zu kondoliren und zu gratuliren; man erfuhr, daß der König zu seinen beiden Nichten halb spöttisch, halb ärgerlich gesagt habe: que ce n’etait pas lui qui avait mis le feu! Die Thore und Gitter der Tuilerien wurden geschlossen, und man traf alle Vorkehrungen, um einer Volksbewegung zu begegnen, für deren Signal man den Schuß gehalten. Als ich am Morgen ausging, war alles ruhig; </p> </div> </body> </text> </TEI> [460/0468]
die Herzogin von Berry eines Sohnes, der die Namen Henry Dieudonné und den Titel eines Herzogs von Bordeaux erhielt. Die Aristokraten und Legitimisten begrüßten ihn mit Jubel als die frische Stütze der alterschwachen Dynastie. Doch schon nach 10 Jahren ward er in das Verderben seiner Familie mit hineingezogen, als sein Grosvater Karl X. durch die unverständigen Polignacschen Ordonnanzen die Juli-Revolution von 1830 heraufbeschwor, über welche mir Niebuhrs schlagendes Wort unvergeßlich bleibt: der Wahnwitz des französischen Hofes habe den Talisman zerschlagen, der den Dämon der Revolution gebunden hielt! Henry Dieudonné ging mit seinen thörichten Verwandten ins Exil, nahm nach des Grosvaters Tode den Königstitel Henry V. an, vegetirte bis 1871 als Graf von Chambord unbeachtet in Frohsdorf, und meldete sich jetzt zu seinem erledigten Throne.
Durch das Erscheinen des jungen Stammhalters im Jahre 1820 ermuthigt drangen die Ultraroyalisten in Ludwig XVIII., jetzt strengere Maaßregeln gegen die liberale Partei zu ergreifen, allein er weigerte sich standhaft. Da ward am 27. Januar 1821 ganz Paris durch die Nachricht erschreckt, es sei in der Nacht vorher ein Kanonenschlag in den Zimmern des Königs abgefeuert. Am Vormittage strömten die aristokratischen Equipagen nach den Tuilerien, um zu kondoliren und zu gratuliren; man erfuhr, daß der König zu seinen beiden Nichten halb spöttisch, halb ärgerlich gesagt habe: que ce n’etait pas lui qui avait mis le feu! Die Thore und Gitter der Tuilerien wurden geschlossen, und man traf alle Vorkehrungen, um einer Volksbewegung zu begegnen, für deren Signal man den Schuß gehalten. Als ich am Morgen ausging, war alles ruhig;
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/468>, abgerufen am 23.06.2024. |