Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

nach Befinden rechts oder links in die Dunkelheit zurückzuspringen.

Um die Weihnachtszeit war die Herzogin viel bei ihrer Tochter, und am 29. Dec. 1820 schenkte diese ihr eine kleine Enkelin, die in der Taufe den Namen Pauline erhielt. Schon nach wenigen Wochen kam die Herzogin von Dino mit ihrer Kleinen zur Mutter gefahren, und sagte zur alten Madame Waldron mit hinreißender Anmuth: I bring you my child! Das Wochenbett hatte sie verjüngt und womöglich noch reizender gemacht, als sie vorher schon war. Giamboni, der sich in Gegenwart der alten Herzogin nicht die leiseste Zweideutigkeit erlaubte, sagte zur Dino, als wir allein waren: vos couches vos rajeunissent; il faut que vous couchez souvent!



Das Neujahrsfest 1821 ward in den Tuilerien mit vielem Pompe gefeiert, weil man nun das unheilvolle Jahr 1820 hinter sich hatte, in dem am 14. Febr. der Herzog von Berry, Sohn des Grafen von Artois (nachherigen Königs Karls X.) von Louvel erstochen worden war. Man wollte diesen Mord mit einer weitverzweigten politischen Verschwörung in Verbindung bringen, aber die Untersuchung ergab, daß Louvel, von einem wüthenden Parteihasse getrieben, den Mord in der Hofhung verübte, die Dynastie der Bourbons dadurch auszurotten: denn auf dem Herzoge von Berry beruhte die Erhaltung der Erbfolge; seine Gemalin Karoline, die Tochter des Königs Franz I. von Neapel hatte schon mehrere todte Kinder gehabt; sie befand sich wieder in gesegneten Umständen. Aber Louvels Absicht wurde wenigstens für jene Zeit vereitelt. Am 29. Sept. 1820, sieben Monate nach dem Tode des Vaters, genas

nach Befinden rechts oder links in die Dunkelheit zurückzuspringen.

Um die Weihnachtszeit war die Herzogin viel bei ihrer Tochter, und am 29. Dec. 1820 schenkte diese ihr eine kleine Enkelin, die in der Taufe den Namen Pauline erhielt. Schon nach wenigen Wochen kam die Herzogin von Dino mit ihrer Kleinen zur Mutter gefahren, und sagte zur alten Madame Waldron mit hinreißender Anmuth: I bring you my child! Das Wochenbett hatte sie verjüngt und womöglich noch reizender gemacht, als sie vorher schon war. Giamboni, der sich in Gegenwart der alten Herzogin nicht die leiseste Zweideutigkeit erlaubte, sagte zur Dino, als wir allein waren: vos couches vos rajeunissent; il faut que vous couchez souvent!



Das Neujahrsfest 1821 ward in den Tuilerien mit vielem Pompe gefeiert, weil man nun das unheilvolle Jahr 1820 hinter sich hatte, in dem am 14. Febr. der Herzog von Berry, Sohn des Grafen von Artois (nachherigen Königs Karls X.) von Louvel erstochen worden war. Man wollte diesen Mord mit einer weitverzweigten politischen Verschwörung in Verbindung bringen, aber die Untersuchung ergab, daß Louvel, von einem wüthenden Parteihasse getrieben, den Mord in der Hofhung verübte, die Dynastie der Bourbons dadurch auszurotten: denn auf dem Herzoge von Berry beruhte die Erhaltung der Erbfolge; seine Gemalin Karoline, die Tochter des Königs Franz I. von Neapel hatte schon mehrere todte Kinder gehabt; sie befand sich wieder in gesegneten Umständen. Aber Louvels Absicht wurde wenigstens für jene Zeit vereitelt. Am 29. Sept. 1820, sieben Monate nach dem Tode des Vaters, genas

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0467" n="459"/>
nach Befinden rechts oder links in die Dunkelheit zurückzuspringen. </p><lb/>
        <p>Um die Weihnachtszeit war die Herzogin viel bei ihrer Tochter, und am 29. Dec. 1820 schenkte diese ihr eine kleine Enkelin, die in der Taufe den Namen Pauline erhielt. Schon nach wenigen Wochen kam die Herzogin von Dino mit ihrer Kleinen zur Mutter gefahren, und sagte zur alten Madame Waldron mit hinreißender Anmuth: I bring you my child! Das Wochenbett hatte sie verjüngt und womöglich noch reizender gemacht, als sie vorher schon war. Giamboni, der sich in Gegenwart der alten Herzogin nicht die leiseste Zweideutigkeit erlaubte, sagte zur Dino, als wir allein waren: vos couches vos rajeunissent; il faut que vous couchez souvent!</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Das Neujahrsfest 1821 ward in den Tuilerien mit vielem Pompe gefeiert, weil man nun das unheilvolle Jahr 1820 hinter sich hatte, in dem am 14. Febr. der Herzog von Berry, Sohn des Grafen von Artois (nachherigen Königs Karls X.) von Louvel erstochen worden war. Man wollte diesen Mord mit einer weitverzweigten politischen Verschwörung in Verbindung bringen, aber die Untersuchung ergab, daß Louvel, von einem wüthenden Parteihasse getrieben, den Mord in der Hofhung verübte, die Dynastie der Bourbons dadurch auszurotten: denn auf dem Herzoge von Berry beruhte die Erhaltung der Erbfolge; seine Gemalin Karoline, die Tochter des Königs Franz I. von Neapel hatte schon mehrere todte Kinder gehabt; sie befand sich wieder in gesegneten Umständen. Aber Louvels Absicht wurde wenigstens für jene Zeit vereitelt. Am 29. Sept. 1820, sieben Monate nach dem Tode des Vaters, genas
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[459/0467] nach Befinden rechts oder links in die Dunkelheit zurückzuspringen. Um die Weihnachtszeit war die Herzogin viel bei ihrer Tochter, und am 29. Dec. 1820 schenkte diese ihr eine kleine Enkelin, die in der Taufe den Namen Pauline erhielt. Schon nach wenigen Wochen kam die Herzogin von Dino mit ihrer Kleinen zur Mutter gefahren, und sagte zur alten Madame Waldron mit hinreißender Anmuth: I bring you my child! Das Wochenbett hatte sie verjüngt und womöglich noch reizender gemacht, als sie vorher schon war. Giamboni, der sich in Gegenwart der alten Herzogin nicht die leiseste Zweideutigkeit erlaubte, sagte zur Dino, als wir allein waren: vos couches vos rajeunissent; il faut que vous couchez souvent! Das Neujahrsfest 1821 ward in den Tuilerien mit vielem Pompe gefeiert, weil man nun das unheilvolle Jahr 1820 hinter sich hatte, in dem am 14. Febr. der Herzog von Berry, Sohn des Grafen von Artois (nachherigen Königs Karls X.) von Louvel erstochen worden war. Man wollte diesen Mord mit einer weitverzweigten politischen Verschwörung in Verbindung bringen, aber die Untersuchung ergab, daß Louvel, von einem wüthenden Parteihasse getrieben, den Mord in der Hofhung verübte, die Dynastie der Bourbons dadurch auszurotten: denn auf dem Herzoge von Berry beruhte die Erhaltung der Erbfolge; seine Gemalin Karoline, die Tochter des Königs Franz I. von Neapel hatte schon mehrere todte Kinder gehabt; sie befand sich wieder in gesegneten Umständen. Aber Louvels Absicht wurde wenigstens für jene Zeit vereitelt. Am 29. Sept. 1820, sieben Monate nach dem Tode des Vaters, genas

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/467
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/467>, abgerufen am 24.11.2024.