Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Mit gerührtem Herzen dankte ich meinem gütigen Vater für alle mir bewiesene Sorgfalt, möchte jedoch nicht läugnen, daß ich der Ankunft des Bedienten mit einiger Bangigkeit entgegensah. Nach wenigen Tagen meldete sich Johann Vogt, gebürtig aus Gotha, ein anständiger Mann von etwa 30 Jahren mit einem Vertrauen erweckenden Gesichte und zwei Orden im Knopfloche, die er sich als französischer und englischer Soldat in Spanien erworben. Er sprach mit gleicher Geläufigkeit französish, englisch, spanisch, portugisisch, und war in allen Hantirungen zu Hause. Nachdem mein Vater alles mit ihm abgemacht, ging Johann vorläufig nach Gera zurück, um nach meiner Rückkunft von Berlin einzutreten. In den anderthalb Jahren, die er mir treu und redlich gedient, hatte ich nie über ihn zu klagen. Seine merkwürdigen Schicksale habe ich mir aufgezeichnet als: Erinnerungen aus den Erzählungen meines Bedienten. Als mein Vater eines Abends im Salon unsre nahe Abreise ankündigte, forderte die Herzogin ihn zu längerem Bleiben auf. Ihren freundlichen Worten hörte man es an, daß es nicht bloße höfliche Redensarten waren, aber mein Vater blieb in aller schuldigen Verehrung bei seinem Vorsatze. Da unser Jugendkreis eben in dem heitersten Frohmuthe schwebte und webte, so hielt ich es nicht für unerlaubt, meinen Vater am nächsten Morgen auch noch um eine Verlängerung unseres Aufenthaltes zu bitten. Er gab mir die goldne Regel, daß man keinen Besuch, am wenigsten einen ländlichen, zu lange ausdehnen dürfe. "Es ist weit besser", äußerte er, "wenn die Herzogin heute zu ihrer Schwester sagt: Parthey reist leider schon morgen! Mit gerührtem Herzen dankte ich meinem gütigen Vater für alle mir bewiesene Sorgfalt, möchte jedoch nicht läugnen, daß ich der Ankunft des Bedienten mit einiger Bangigkeit entgegensah. Nach wenigen Tagen meldete sich Johann Vogt, gebürtig aus Gotha, ein anständiger Mann von etwa 30 Jahren mit einem Vertrauen erweckenden Gesichte und zwei Orden im Knopfloche, die er sich als französischer und englischer Soldat in Spanien erworben. Er sprach mit gleicher Geläufigkeit französish, englisch, spanisch, portugisisch, und war in allen Hantirungen zu Hause. Nachdem mein Vater alles mit ihm abgemacht, ging Johann vorläufig nach Gera zurück, um nach meiner Rückkunft von Berlin einzutreten. In den anderthalb Jahren, die er mir treu und redlich gedient, hatte ich nie über ihn zu klagen. Seine merkwürdigen Schicksale habe ich mir aufgezeichnet als: Erinnerungen aus den Erzählungen meines Bedienten. Als mein Vater eines Abends im Salon unsre nahe Abreise ankündigte, forderte die Herzogin ihn zu längerem Bleiben auf. Ihren freundlichen Worten hörte man es an, daß es nicht bloße höfliche Redensarten waren, aber mein Vater blieb in aller schuldigen Verehrung bei seinem Vorsatze. Da unser Jugendkreis eben in dem heitersten Frohmuthe schwebte und webte, so hielt ich es nicht für unerlaubt, meinen Vater am nächsten Morgen auch noch um eine Verlängerung unseres Aufenthaltes zu bitten. Er gab mir die goldne Regel, daß man keinen Besuch, am wenigsten einen ländlichen, zu lange ausdehnen dürfe. „Es ist weit besser“, äußerte er, „wenn die Herzogin heute zu ihrer Schwester sagt: Parthey reist leider schon morgen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0407" n="399"/> </p><lb/> <p>Mit gerührtem Herzen dankte ich meinem gütigen Vater für alle mir bewiesene Sorgfalt, möchte jedoch nicht läugnen, daß ich der Ankunft des Bedienten mit einiger Bangigkeit entgegensah. Nach wenigen Tagen meldete sich Johann Vogt, gebürtig aus Gotha, ein anständiger Mann von etwa 30 Jahren mit einem Vertrauen erweckenden Gesichte und zwei Orden im Knopfloche, die er sich als französischer und englischer Soldat in Spanien erworben. Er sprach mit gleicher Geläufigkeit französish, englisch, spanisch, portugisisch, und war in allen Hantirungen zu Hause. Nachdem mein Vater alles mit ihm abgemacht, ging Johann vorläufig nach Gera zurück, um nach meiner Rückkunft von Berlin einzutreten. In den anderthalb Jahren, die er mir treu und redlich gedient, hatte ich nie über ihn zu klagen. Seine merkwürdigen Schicksale habe ich mir aufgezeichnet als: Erinnerungen aus den Erzählungen meines Bedienten. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Als mein Vater eines Abends im Salon unsre nahe Abreise ankündigte, forderte die Herzogin ihn zu längerem Bleiben auf. Ihren freundlichen Worten hörte man es an, daß es nicht bloße höfliche Redensarten waren, aber mein Vater blieb in aller schuldigen Verehrung bei seinem Vorsatze. Da unser Jugendkreis eben in dem heitersten Frohmuthe schwebte und webte, so hielt ich es nicht für unerlaubt, meinen Vater am nächsten Morgen auch noch um eine Verlängerung unseres Aufenthaltes zu bitten. Er gab mir die goldne Regel, daß man keinen Besuch, am wenigsten einen ländlichen, zu lange ausdehnen dürfe. „Es ist weit besser“, äußerte er, „wenn die Herzogin heute zu ihrer Schwester sagt: Parthey reist leider schon morgen! </p> </div> </body> </text> </TEI> [399/0407]
Mit gerührtem Herzen dankte ich meinem gütigen Vater für alle mir bewiesene Sorgfalt, möchte jedoch nicht läugnen, daß ich der Ankunft des Bedienten mit einiger Bangigkeit entgegensah. Nach wenigen Tagen meldete sich Johann Vogt, gebürtig aus Gotha, ein anständiger Mann von etwa 30 Jahren mit einem Vertrauen erweckenden Gesichte und zwei Orden im Knopfloche, die er sich als französischer und englischer Soldat in Spanien erworben. Er sprach mit gleicher Geläufigkeit französish, englisch, spanisch, portugisisch, und war in allen Hantirungen zu Hause. Nachdem mein Vater alles mit ihm abgemacht, ging Johann vorläufig nach Gera zurück, um nach meiner Rückkunft von Berlin einzutreten. In den anderthalb Jahren, die er mir treu und redlich gedient, hatte ich nie über ihn zu klagen. Seine merkwürdigen Schicksale habe ich mir aufgezeichnet als: Erinnerungen aus den Erzählungen meines Bedienten.
Als mein Vater eines Abends im Salon unsre nahe Abreise ankündigte, forderte die Herzogin ihn zu längerem Bleiben auf. Ihren freundlichen Worten hörte man es an, daß es nicht bloße höfliche Redensarten waren, aber mein Vater blieb in aller schuldigen Verehrung bei seinem Vorsatze. Da unser Jugendkreis eben in dem heitersten Frohmuthe schwebte und webte, so hielt ich es nicht für unerlaubt, meinen Vater am nächsten Morgen auch noch um eine Verlängerung unseres Aufenthaltes zu bitten. Er gab mir die goldne Regel, daß man keinen Besuch, am wenigsten einen ländlichen, zu lange ausdehnen dürfe. „Es ist weit besser“, äußerte er, „wenn die Herzogin heute zu ihrer Schwester sagt: Parthey reist leider schon morgen!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/407 |
Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/407>, abgerufen am 16.07.2024. |