Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].von Johann von Eyck; das Leben Christi, die Anbetung der Könige mit dem heiligen Christoph, der Christuskopf von Memling. Wir mußten es als eine besondere Freundlichkeit anerkennen, daß Herr Bertram, der Mitbesitzer dieser unschätzbaren Samlung, uns in den Sälen herumführte, die Namen der Meister nannte, und die Schönheiten der Bilder hervorhob; allein sehr bald wünschten wir innerlich, er möge uns allein diesem in seiner Art einzigen Kunstgenusse überlassen. Das was er sagte war gut, aber es klang wie auswendig gelernt, weil er es gewiß schon oft gesagt, und weil er unmöglich immer neue Ausdrücke finden konnte; auch machte er weniger den Eindruck eines gründlich durchgebildeten Kunstkenners, als eines Mannes, der ein Raritätenkabinet zeigt, und für die ganz exquisiten Stücke auch neue und unerhörte Wendungen des Lobes braucht. Dann gingen wir in die Werkstatt des von Tautphöus schon gekannten Bildhauers Dannecker, und fanden an ihm einen prächtigen alten Mann von gedrungener Figur, den man neben seinen Statuen auch gern ansehn mochte. In Frankfurt hatten wir es versäumt, seine berühmte Ariadne im Bethmannschen Hause zu betrachten; hier bewunderten wir an dem Gypsmodelle die vollendete Schönheit des weiblichen Körpers; es drängte sich aber unwillkürlich die Betrachtung auf, daß eine unmögliche Situation dargestellt sei; die schöne Reiterin muß unausbleiblich herabfallen, sobald der Panter einen Schritt thut, oder nur den Kopf bewegt: dennoch entzückt das Kunstwerk durch die vollendete Harmonie der Linien und die Meisterschaft der Ausführung. von Johann von Eyck; das Leben Christi, die Anbetung der Könige mit dem heiligen Christoph, der Christuskopf von Memling. Wir mußten es als eine besondere Freundlichkeit anerkennen, daß Herr Bertram, der Mitbesitzer dieser unschätzbaren Samlung, uns in den Sälen herumführte, die Namen der Meister nannte, und die Schönheiten der Bilder hervorhob; allein sehr bald wünschten wir innerlich, er möge uns allein diesem in seiner Art einzigen Kunstgenusse überlassen. Das was er sagte war gut, aber es klang wie auswendig gelernt, weil er es gewiß schon oft gesagt, und weil er unmöglich immer neue Ausdrücke finden konnte; auch machte er weniger den Eindruck eines gründlich durchgebildeten Kunstkenners, als eines Mannes, der ein Raritätenkabinet zeigt, und für die ganz exquisiten Stücke auch neue und unerhörte Wendungen des Lobes braucht. Dann gingen wir in die Werkstatt des von Tautphöus schon gekannten Bildhauers Dannecker, und fanden an ihm einen prächtigen alten Mann von gedrungener Figur, den man neben seinen Statuen auch gern ansehn mochte. In Frankfurt hatten wir es versäumt, seine berühmte Ariadne im Bethmannschen Hause zu betrachten; hier bewunderten wir an dem Gypsmodelle die vollendete Schönheit des weiblichen Körpers; es drängte sich aber unwillkürlich die Betrachtung auf, daß eine unmögliche Situation dargestellt sei; die schöne Reiterin muß unausbleiblich herabfallen, sobald der Panter einen Schritt thut, oder nur den Kopf bewegt: dennoch entzückt das Kunstwerk durch die vollendete Harmonie der Linien und die Meisterschaft der Ausführung. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0354" n="346"/> von Johann von Eyck; das Leben Christi, die Anbetung der Könige mit dem heiligen Christoph, der Christuskopf von Memling. </p><lb/> <p>Wir mußten es als eine besondere Freundlichkeit anerkennen, daß Herr Bertram, der Mitbesitzer dieser unschätzbaren Samlung, uns in den Sälen herumführte, die Namen der Meister nannte, und die Schönheiten der Bilder hervorhob; allein sehr bald wünschten wir innerlich, er möge uns allein diesem in seiner Art einzigen Kunstgenusse überlassen. Das was er sagte war gut, aber es klang wie auswendig gelernt, weil er es gewiß schon oft gesagt, und weil er unmöglich immer neue Ausdrücke finden konnte; auch machte er weniger den Eindruck eines gründlich durchgebildeten Kunstkenners, als eines Mannes, der ein Raritätenkabinet zeigt, und für die ganz exquisiten Stücke auch neue und unerhörte Wendungen des Lobes braucht.</p><lb/> <p>Dann gingen wir in die Werkstatt des von Tautphöus schon gekannten Bildhauers Dannecker, und fanden an ihm einen prächtigen alten Mann von gedrungener Figur, den man neben seinen Statuen auch gern ansehn mochte. In Frankfurt hatten wir es versäumt, seine berühmte Ariadne im Bethmannschen Hause zu betrachten; hier bewunderten wir an dem Gypsmodelle die vollendete Schönheit des weiblichen Körpers; es drängte sich aber unwillkürlich die Betrachtung auf, daß eine unmögliche Situation dargestellt sei; die schöne Reiterin muß unausbleiblich herabfallen, sobald der Panter einen Schritt thut, oder nur den Kopf bewegt: dennoch entzückt das Kunstwerk durch die vollendete Harmonie der Linien und die Meisterschaft der Ausführung. </p> </div> </body> </text> </TEI> [346/0354]
von Johann von Eyck; das Leben Christi, die Anbetung der Könige mit dem heiligen Christoph, der Christuskopf von Memling.
Wir mußten es als eine besondere Freundlichkeit anerkennen, daß Herr Bertram, der Mitbesitzer dieser unschätzbaren Samlung, uns in den Sälen herumführte, die Namen der Meister nannte, und die Schönheiten der Bilder hervorhob; allein sehr bald wünschten wir innerlich, er möge uns allein diesem in seiner Art einzigen Kunstgenusse überlassen. Das was er sagte war gut, aber es klang wie auswendig gelernt, weil er es gewiß schon oft gesagt, und weil er unmöglich immer neue Ausdrücke finden konnte; auch machte er weniger den Eindruck eines gründlich durchgebildeten Kunstkenners, als eines Mannes, der ein Raritätenkabinet zeigt, und für die ganz exquisiten Stücke auch neue und unerhörte Wendungen des Lobes braucht.
Dann gingen wir in die Werkstatt des von Tautphöus schon gekannten Bildhauers Dannecker, und fanden an ihm einen prächtigen alten Mann von gedrungener Figur, den man neben seinen Statuen auch gern ansehn mochte. In Frankfurt hatten wir es versäumt, seine berühmte Ariadne im Bethmannschen Hause zu betrachten; hier bewunderten wir an dem Gypsmodelle die vollendete Schönheit des weiblichen Körpers; es drängte sich aber unwillkürlich die Betrachtung auf, daß eine unmögliche Situation dargestellt sei; die schöne Reiterin muß unausbleiblich herabfallen, sobald der Panter einen Schritt thut, oder nur den Kopf bewegt: dennoch entzückt das Kunstwerk durch die vollendete Harmonie der Linien und die Meisterschaft der Ausführung.
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