Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].machte die außerordentliche Schönheit einer jungen Dame, die in der Kapstadt geboren, seit kurzem in Stuttgart verheirathet war. Larosee, der sie die Kaperin nannte, wußte seine Begeisterung so wenig zu verbergen, daß wir ihn die ganze Reise damit neckten. Der folgende Tag war der Boissereeschen Gemäldesamlung und der Werkstatt des Bildhauers Dannecker gewidmet. Diesen Tag werde ich immer als ein Fest hohen Genusses in der Erinnerung behalten. Nägele hatte mir einen Brief an Sulpiz Boisseree mitgegeben, aber diese Empfehlung war kaum vonnöthen, da alle Fremden mit gleicher Liberalität Zutritt fanden. Die Farbenpracht und Kunstfülle der altniederländischen Meister hatte etwas überschwängliches. In der dresdner Galerie fand man das vortrefflichste aller Schulen, ausgenommen der niederländischen, und gerade von dieser hatten die Gebrüder Boissere und Herr Bertram eine Menge bewundernswerther Werke erworben. Die Aufstellung war eine so splendide, daß fast jedes der ausgezeichnetsten Bilder sein eignes Zimmer hatte, wo man es mit ganzer Muße, ohne durch Nachbarn rechts oder links abgezogen zu werden, betrachten konnte. Die Namen der Eyck, Memling, Schoreel, bisher in der Kunstgeschichte kaum bekannt, traten hier mit Werken hervor, die in ihrer Art als das allervollendetste gepriesen werden mußten. Hiermit begann eine neue Epoche in der Geschichte der Malerei, und eine ganze Litteratur erwuchs aus der Betrachtung und Beurtheilung der neugehobenen Schätze. Einzelne Bilder hier zu nennen, dürfte fast überflüssig sein, doch will ich diejenigen anführen, die mir den tiefsten Eindruck zurückließen: der Tod Mariae von Schoreel; der heilige Lukas machte die außerordentliche Schönheit einer jungen Dame, die in der Kapstadt geboren, seit kurzem in Stuttgart verheirathet war. Larosee, der sie die Kaperin nannte, wußte seine Begeisterung so wenig zu verbergen, daß wir ihn die ganze Reise damit neckten. Der folgende Tag war der Boisseréeschen Gemäldesamlung und der Werkstatt des Bildhauers Dannecker gewidmet. Diesen Tag werde ich immer als ein Fest hohen Genusses in der Erinnerung behalten. Nägele hatte mir einen Brief an Sulpiz Boisserée mitgegeben, aber diese Empfehlung war kaum vonnöthen, da alle Fremden mit gleicher Liberalität Zutritt fanden. Die Farbenpracht und Kunstfülle der altniederländischen Meister hatte etwas überschwängliches. In der dresdner Galerie fand man das vortrefflichste aller Schulen, ausgenommen der niederländischen, und gerade von dieser hatten die Gebrüder Boissere und Herr Bertram eine Menge bewundernswerther Werke erworben. Die Aufstellung war eine so splendide, daß fast jedes der ausgezeichnetsten Bilder sein eignes Zimmer hatte, wo man es mit ganzer Muße, ohne durch Nachbarn rechts oder links abgezogen zu werden, betrachten konnte. Die Namen der Eyck, Memling, Schoreel, bisher in der Kunstgeschichte kaum bekannt, traten hier mit Werken hervor, die in ihrer Art als das allervollendetste gepriesen werden mußten. Hiermit begann eine neue Epoche in der Geschichte der Malerei, und eine ganze Litteratur erwuchs aus der Betrachtung und Beurtheilung der neugehobenen Schätze. Einzelne Bilder hier zu nennen, dürfte fast überflüssig sein, doch will ich diejenigen anführen, die mir den tiefsten Eindruck zurückließen: der Tod Mariae von Schoreel; der heilige Lukas <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0353" n="345"/> machte die außerordentliche Schönheit einer jungen Dame, die in der Kapstadt geboren, seit kurzem in Stuttgart verheirathet war. 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Die Aufstellung war eine so splendide, daß fast jedes der ausgezeichnetsten Bilder sein eignes Zimmer hatte, wo man es mit ganzer Muße, ohne durch Nachbarn rechts oder links abgezogen zu werden, betrachten konnte. Die Namen der Eyck, Memling, Schoreel, bisher in der Kunstgeschichte kaum bekannt, traten hier mit Werken hervor, die in ihrer Art als das allervollendetste gepriesen werden mußten. Hiermit begann eine neue Epoche in der Geschichte der Malerei, und eine ganze Litteratur erwuchs aus der Betrachtung und Beurtheilung der neugehobenen Schätze. Einzelne Bilder hier zu nennen, dürfte fast überflüssig sein, doch will ich diejenigen anführen, die mir den tiefsten Eindruck zurückließen: der Tod Mariae von Schoreel; der heilige Lukas </p> </div> </body> </text> </TEI> [345/0353]
machte die außerordentliche Schönheit einer jungen Dame, die in der Kapstadt geboren, seit kurzem in Stuttgart verheirathet war. Larosee, der sie die Kaperin nannte, wußte seine Begeisterung so wenig zu verbergen, daß wir ihn die ganze Reise damit neckten.
Der folgende Tag war der Boisseréeschen Gemäldesamlung und der Werkstatt des Bildhauers Dannecker gewidmet. Diesen Tag werde ich immer als ein Fest hohen Genusses in der Erinnerung behalten. Nägele hatte mir einen Brief an Sulpiz Boisserée mitgegeben, aber diese Empfehlung war kaum vonnöthen, da alle Fremden mit gleicher Liberalität Zutritt fanden. Die Farbenpracht und Kunstfülle der altniederländischen Meister hatte etwas überschwängliches. In der dresdner Galerie fand man das vortrefflichste aller Schulen, ausgenommen der niederländischen, und gerade von dieser hatten die Gebrüder Boissere und Herr Bertram eine Menge bewundernswerther Werke erworben. Die Aufstellung war eine so splendide, daß fast jedes der ausgezeichnetsten Bilder sein eignes Zimmer hatte, wo man es mit ganzer Muße, ohne durch Nachbarn rechts oder links abgezogen zu werden, betrachten konnte. Die Namen der Eyck, Memling, Schoreel, bisher in der Kunstgeschichte kaum bekannt, traten hier mit Werken hervor, die in ihrer Art als das allervollendetste gepriesen werden mußten. Hiermit begann eine neue Epoche in der Geschichte der Malerei, und eine ganze Litteratur erwuchs aus der Betrachtung und Beurtheilung der neugehobenen Schätze. Einzelne Bilder hier zu nennen, dürfte fast überflüssig sein, doch will ich diejenigen anführen, die mir den tiefsten Eindruck zurückließen: der Tod Mariae von Schoreel; der heilige Lukas
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/353>, abgerufen am 05.07.2024. |