Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].das erste Mal war, daß ich mit einem Kreditbriefe reiste, so glaubte ich, man könne die delikate Geldfrage vielleicht erst bei dem zweiten Besuche in Anregung bringen, und hatte mir, da wir noch mit Geld versehen waren, vorläufig gar keine Summe gedacht. Daher fragte ich nicht ohne Stocken, wie viel er mir geben könne? - Meine ganze Kasse steht Ihnen zu Diensten, sagte er verbindlich, indem er in den Kreditbrief sah. Dies machte mich noch verlegner, und ich wagte es kaum, nach einigem Zaudern, ihn um 100 Gulden zu bitten. Mit feinem Lächeln bemerkte er, damit würden wir, da wir unsrer zwei wären, wohl nicht weit reichen; ich möchte doch lieber gleich 200 Gulden nehmen. Diese Grosmuth schien mir außerordentlich, doch ließ ich sie mir gefallen. Sogleich führte er mich zur Kasse hinab, wo mir das Geld gegen Quittung ausgezahlt ward. Das Haus des Herrn Fries in Heidelberg gehörte zu den allgemein bekannten und beliebten. Die meisten Studenten waren an ihn empfohlen. Er behandelte sie in den oft vorkommenden Geldklemmen mit väterlicher Nachsicht. Um ihn, der im kräftigen Mannesalter stand und um seine noch jugendliche Frau schaarte sich ein großer Kreis frischer Söhne und lieblicher Töchter. Fries galt für einen feinen Kunstkenner; er erlebte die Freude, daß zwei seiner Söhne, Ernst und Bernard, als Landschafter ausgezeichnetes leisteten. Durch Fries wurden wir in das Haus des Herrn Mitchel eingeführt, eines reichen englischen Kaufherrn, der Heidelberg zu seinem dauernden Aufenthalte gewählt. Er baute sich nicht weit vom Karlsthor ein schönes Haus, dessen breite Terrasse auf soliden Bogenwölbungen in das erste Mal war, daß ich mit einem Kreditbriefe reiste, so glaubte ich, man könne die delikate Geldfrage vielleicht erst bei dem zweiten Besuche in Anregung bringen, und hatte mir, da wir noch mit Geld versehen waren, vorläufig gar keine Summe gedacht. Daher fragte ich nicht ohne Stocken, wie viel er mir geben könne? – Meine ganze Kasse steht Ihnen zu Diensten, sagte er verbindlich, indem er in den Kreditbrief sah. Dies machte mich noch verlegner, und ich wagte es kaum, nach einigem Zaudern, ihn um 100 Gulden zu bitten. Mit feinem Lächeln bemerkte er, damit würden wir, da wir unsrer zwei wären, wohl nicht weit reichen; ich möchte doch lieber gleich 200 Gulden nehmen. Diese Grosmuth schien mir außerordentlich, doch ließ ich sie mir gefallen. Sogleich führte er mich zur Kasse hinab, wo mir das Geld gegen Quittung ausgezahlt ward. Das Haus des Herrn Fries in Heidelberg gehörte zu den allgemein bekannten und beliebten. Die meisten Studenten waren an ihn empfohlen. Er behandelte sie in den oft vorkommenden Geldklemmen mit väterlicher Nachsicht. Um ihn, der im kräftigen Mannesalter stand und um seine noch jugendliche Frau schaarte sich ein großer Kreis frischer Söhne und lieblicher Töchter. Fries galt für einen feinen Kunstkenner; er erlebte die Freude, daß zwei seiner Söhne, Ernst und Bernard, als Landschafter ausgezeichnetes leisteten. Durch Fries wurden wir in das Haus des Herrn Mitchel eingeführt, eines reichen englischen Kaufherrn, der Heidelberg zu seinem dauernden Aufenthalte gewählt. Er baute sich nicht weit vom Karlsthor ein schönes Haus, dessen breite Terrasse auf soliden Bogenwölbungen in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0318" n="310"/> das erste Mal war, daß ich mit einem Kreditbriefe reiste, so glaubte ich, man könne die delikate Geldfrage vielleicht erst bei dem zweiten Besuche in Anregung bringen, und hatte mir, da wir noch mit Geld versehen waren, vorläufig gar keine Summe gedacht. Daher fragte ich nicht ohne Stocken, wie viel er mir geben könne? – Meine ganze Kasse steht Ihnen zu Diensten, sagte er verbindlich, indem er in den Kreditbrief sah. Dies machte mich noch verlegner, und ich wagte es kaum, nach einigem Zaudern, ihn um 100 Gulden zu bitten. Mit feinem Lächeln bemerkte er, damit würden wir, da wir unsrer zwei wären, wohl nicht weit reichen; ich möchte doch lieber gleich 200 Gulden nehmen. Diese Grosmuth schien mir außerordentlich, doch ließ ich sie mir gefallen. Sogleich führte er mich zur Kasse hinab, wo mir das Geld gegen Quittung ausgezahlt ward. </p><lb/> <p>Das Haus des Herrn Fries in Heidelberg gehörte zu den allgemein bekannten und beliebten. Die meisten Studenten waren an ihn empfohlen. Er behandelte sie in den oft vorkommenden Geldklemmen mit väterlicher Nachsicht. Um ihn, der im kräftigen Mannesalter stand und um seine noch jugendliche Frau schaarte sich ein großer Kreis frischer Söhne und lieblicher Töchter. 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das erste Mal war, daß ich mit einem Kreditbriefe reiste, so glaubte ich, man könne die delikate Geldfrage vielleicht erst bei dem zweiten Besuche in Anregung bringen, und hatte mir, da wir noch mit Geld versehen waren, vorläufig gar keine Summe gedacht. Daher fragte ich nicht ohne Stocken, wie viel er mir geben könne? – Meine ganze Kasse steht Ihnen zu Diensten, sagte er verbindlich, indem er in den Kreditbrief sah. Dies machte mich noch verlegner, und ich wagte es kaum, nach einigem Zaudern, ihn um 100 Gulden zu bitten. Mit feinem Lächeln bemerkte er, damit würden wir, da wir unsrer zwei wären, wohl nicht weit reichen; ich möchte doch lieber gleich 200 Gulden nehmen. Diese Grosmuth schien mir außerordentlich, doch ließ ich sie mir gefallen. Sogleich führte er mich zur Kasse hinab, wo mir das Geld gegen Quittung ausgezahlt ward.
Das Haus des Herrn Fries in Heidelberg gehörte zu den allgemein bekannten und beliebten. Die meisten Studenten waren an ihn empfohlen. Er behandelte sie in den oft vorkommenden Geldklemmen mit väterlicher Nachsicht. Um ihn, der im kräftigen Mannesalter stand und um seine noch jugendliche Frau schaarte sich ein großer Kreis frischer Söhne und lieblicher Töchter. Fries galt für einen feinen Kunstkenner; er erlebte die Freude, daß zwei seiner Söhne, Ernst und Bernard, als Landschafter ausgezeichnetes leisteten.
Durch Fries wurden wir in das Haus des Herrn Mitchel eingeführt, eines reichen englischen Kaufherrn, der Heidelberg zu seinem dauernden Aufenthalte gewählt. Er baute sich nicht weit vom Karlsthor ein schönes Haus, dessen breite Terrasse auf soliden Bogenwölbungen in
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/318>, abgerufen am 16.02.2025. |