Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].er reiste im Anfange des August mit meiner Mutter und meinen beiden Geschwistern dahin ab. Wir gaben uns ein Stelldichein in Dresden, wohin ich mit Paul nach dem Schlusse der Vorlesungen eine sehr fröhliche Fahrt machte. Für Studenten war es damals unerlaubt, anderswo zu wohnen, als im "Kleinen Rauchhause". Beim Absteigen von der Post nannten wir dem Kofferträger aus Versehn das Große Rauchhaus. "Ich dachte gar!" sagte er ganz zutraulich, "die Herren sein doch wohl Studente, da bring ich Ihnen gleich in das kleene!" Diese gräulichste aller Spelunken besteht, wie ich glaube, in dem stationären Dresden immer noch. Bald kamen Klein und Abeken uns nach. Klein war unerschöpflich an witzigen Bemerkungen über unsre eingeräucherten Stuben, über die finstern halsbrechenden Treppen, und über die unendliche Höflichkeit des Hausknechts, der ihn um Verzeihung gebeten, als Klein ihm unversehends einen Fußtritt gegeben. Mehrere Tage pilgerten wir selbvier alle Morgen nach der Stadt Berlin, wo für meine Aeltern Quartier bestellt war. Die Gastfreiheit der Herzogin hielt sie über den Termin fest. Nachdem sie endlich angekommen waren, führte mein Vater den längst gehegten Plan aus, die kleine sächsische Gebirgstadt Frankenberg, wo er vor 74 Jahren geboren war, nach einem langen Zeitraume noch einmal zu besuchen. Diese Reise hinterließ mir die angenehmsten Eindrücke, und war reich an rührenden Vorfällen. Daß mein Vater von seinen Jugendgenossen fast niemand mehr antraf, ließ sich nicht anders erwarten, aber er fand doch das alte Partheysche Haus seines Vaters und Grosvaters, er fand im Hofe einen starken Kirschenbaum, den er als Knabe gepflanzt, er zeigte uns im Erdgeschosse die engen Räume, er reiste im Anfange des August mit meiner Mutter und meinen beiden Geschwistern dahin ab. Wir gaben uns ein Stelldichein in Dresden, wohin ich mit Paul nach dem Schlusse der Vorlesungen eine sehr fröhliche Fahrt machte. Für Studenten war es damals unerlaubt, anderswo zu wohnen, als im „Kleinen Rauchhause“. Beim Absteigen von der Post nannten wir dem Kofferträger aus Versehn das Große Rauchhaus. „Ich dachte gar!“ sagte er ganz zutraulich, „die Herren sein doch wohl Studente, da bring ich Ihnen gleich in das kleene!“ Diese gräulichste aller Spelunken besteht, wie ich glaube, in dem stationären Dresden immer noch. Bald kamen Klein und Abeken uns nach. Klein war unerschöpflich an witzigen Bemerkungen über unsre eingeräucherten Stuben, über die finstern halsbrechenden Treppen, und über die unendliche Höflichkeit des Hausknechts, der ihn um Verzeihung gebeten, als Klein ihm unversehends einen Fußtritt gegeben. Mehrere Tage pilgerten wir selbvier alle Morgen nach der Stadt Berlin, wo für meine Aeltern Quartier bestellt war. Die Gastfreiheit der Herzogin hielt sie über den Termin fest. Nachdem sie endlich angekommen waren, führte mein Vater den längst gehegten Plan aus, die kleine sächsische Gebirgstadt Frankenberg, wo er vor 74 Jahren geboren war, nach einem langen Zeitraume noch einmal zu besuchen. Diese Reise hinterließ mir die angenehmsten Eindrücke, und war reich an rührenden Vorfällen. Daß mein Vater von seinen Jugendgenossen fast niemand mehr antraf, ließ sich nicht anders erwarten, aber er fand doch das alte Partheysche Haus seines Vaters und Grosvaters, er fand im Hofe einen starken Kirschenbaum, den er als Knabe gepflanzt, er zeigte uns im Erdgeschosse die engen Räume, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0303" n="295"/> er reiste im Anfange des August mit meiner Mutter und meinen beiden Geschwistern dahin ab. Wir gaben uns ein Stelldichein in Dresden, wohin ich mit Paul nach dem Schlusse der Vorlesungen eine sehr fröhliche Fahrt machte. Für Studenten war es damals unerlaubt, anderswo zu wohnen, als im „Kleinen Rauchhause“. Beim Absteigen von der Post nannten wir dem Kofferträger aus Versehn das Große Rauchhaus. „Ich dachte gar!“ sagte er ganz zutraulich, „die Herren sein doch wohl Studente, da bring ich Ihnen gleich in das kleene!“ Diese gräulichste aller Spelunken besteht, wie ich glaube, in dem stationären Dresden immer noch. Bald kamen Klein und Abeken uns nach. Klein war unerschöpflich an witzigen Bemerkungen über unsre eingeräucherten Stuben, über die finstern halsbrechenden Treppen, und über die unendliche Höflichkeit des Hausknechts, der ihn um Verzeihung gebeten, als Klein ihm unversehends einen Fußtritt gegeben. Mehrere Tage pilgerten wir selbvier alle Morgen nach der Stadt Berlin, wo für meine Aeltern Quartier bestellt war. Die Gastfreiheit der Herzogin hielt sie über den Termin fest. </p><lb/> <p>Nachdem sie endlich angekommen waren, führte mein Vater den längst gehegten Plan aus, die kleine sächsische Gebirgstadt Frankenberg, wo er vor 74 Jahren geboren war, nach einem langen Zeitraume noch einmal zu besuchen. Diese Reise hinterließ mir die angenehmsten Eindrücke, und war reich an rührenden Vorfällen. Daß mein Vater von seinen Jugendgenossen fast niemand mehr antraf, ließ sich nicht anders erwarten, aber er fand doch das alte Partheysche Haus seines Vaters und Grosvaters, er fand im Hofe einen starken Kirschenbaum, den er als Knabe gepflanzt, er zeigte uns im Erdgeschosse die engen Räume, </p> </div> </body> </text> </TEI> [295/0303]
er reiste im Anfange des August mit meiner Mutter und meinen beiden Geschwistern dahin ab. Wir gaben uns ein Stelldichein in Dresden, wohin ich mit Paul nach dem Schlusse der Vorlesungen eine sehr fröhliche Fahrt machte. Für Studenten war es damals unerlaubt, anderswo zu wohnen, als im „Kleinen Rauchhause“. Beim Absteigen von der Post nannten wir dem Kofferträger aus Versehn das Große Rauchhaus. „Ich dachte gar!“ sagte er ganz zutraulich, „die Herren sein doch wohl Studente, da bring ich Ihnen gleich in das kleene!“ Diese gräulichste aller Spelunken besteht, wie ich glaube, in dem stationären Dresden immer noch. Bald kamen Klein und Abeken uns nach. Klein war unerschöpflich an witzigen Bemerkungen über unsre eingeräucherten Stuben, über die finstern halsbrechenden Treppen, und über die unendliche Höflichkeit des Hausknechts, der ihn um Verzeihung gebeten, als Klein ihm unversehends einen Fußtritt gegeben. Mehrere Tage pilgerten wir selbvier alle Morgen nach der Stadt Berlin, wo für meine Aeltern Quartier bestellt war. Die Gastfreiheit der Herzogin hielt sie über den Termin fest.
Nachdem sie endlich angekommen waren, führte mein Vater den längst gehegten Plan aus, die kleine sächsische Gebirgstadt Frankenberg, wo er vor 74 Jahren geboren war, nach einem langen Zeitraume noch einmal zu besuchen. Diese Reise hinterließ mir die angenehmsten Eindrücke, und war reich an rührenden Vorfällen. Daß mein Vater von seinen Jugendgenossen fast niemand mehr antraf, ließ sich nicht anders erwarten, aber er fand doch das alte Partheysche Haus seines Vaters und Grosvaters, er fand im Hofe einen starken Kirschenbaum, den er als Knabe gepflanzt, er zeigte uns im Erdgeschosse die engen Räume,
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/303>, abgerufen am 16.02.2025. |